Herrgottskinder – Die Elternkolumne

Überall Kreuze – aber wo ist Jesus?

Veröffentlicht am 28.07.2025 um 00:01 Uhr – Von Stefanie Heinrichs – Lesedauer: 

Bonn ‐ Beim Fahrradfahren mit ihrer Tochter gerät Stefanie Heinrichs plötzlich mitten hinein in eine theologische Grundsatzfrage: Wo ist eigentlich Jesus begraben – und warum steht an jeder Ecke ein Kreuz?

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Es war schon später am Abend, die Sonne hing tief, und wir wollten noch eine kleine Runde Rad fahren. Wir radelten nebeneinander, sie mit ihrem kleinen Fahrrad, ich mit dem großen. Die Gespräche sind in solchen Momenten oft die besten. Zwischen all dem Tretlagerknarzen und den fliegenden Mücken stellen sich plötzlich die ganz großen Fragen. So wie diesmal. 

"Mama, können wir zu Jesus’ Grab fahren?", fragte sie mitten auf dem Feldweg, als ginge es um den nächsten Supermarkt. 

Ein Kreuz am Wegesrand

Ich war im ersten Moment irritiert. "Ja, klar", sagte ich etwas zögerlich, in dem Glauben, sie meine die Kirche mit dem Kreuz über dem Altar. Doch sie meinte etwas anderes. Sie zeigte auf ein Wegkreuz am Straßenrand – ein schlichtes, wettergegerbtes Holzkreuz mit einem Dach, wie man sie bei uns auf dem Land oft sieht. 

"Da ist es", sagte sie. "Was meinst du?" "Na, Jesus’ Grab." Ich hielt an. "Warum denkst du, dass das Jesus’ Grab ist?", fragte ich erstaunt. "Das hat meine Freundin im Kindergarten gesagt." 

Gipfelkreuz in Form einer stehenden Pieta auf der Schönfeldspitze
Bild: ©KNA/Lucian Lacher (Symbolbild)

Gipfelkreuz in Form einer stehenden Pietà auf der Schönfeldspitze (Österreich) bei Sonnenaufgang.

Ich habe tief durchgeatmet. Ich liebe diese Momente, auch wenn sie mich manchmal überrumpeln und herausfordern. Ich erklärte ihr, dass das ein Wegkreuz sei – ein Zeichen, das uns an Jesus erinnert. Nicht sein Grab, sondern eher so etwas wie ein Gruß am Wegesrand. Eine Stelle zum Innehalten und um ein Gebet zu sprechen.

Sie runzelte die Stirn. "Aber wo ist dann sein Grab? Können wir da nicht mit dem Fahrrad hinfahren?" Ich überlegte. "So ein Grab von Jesus gibt es eigentlich nicht wirklich." Doch bevor ich ausholen und über Ostern und die Auferstehung sprechen konnte, unterbrach sie mich. "Aber die Straße runter ist doch noch so ein Häuschen mit einem Kreuz. Da müsste er doch drin liegen. Schließlich steht da doch auch das Kreuz.“ 

Wo ein Kreuz ist, ist Jesus

Für sie war die Sache klar: Wo ein Kreuz steht, da ist auch Jesus. Und irgendwie konnte ich ihr da gar nicht widersprechen. Ich habe ihr erklärt, dass es auf der ganzen Welt Kreuze gibt, weil Menschen sich an Jesus erinnern wollen – nicht an sein Grab, sondern an das, was er für sie bedeutet. Dass das Kreuz nicht zeigt, wo Jesus liegt, sondern dass er lebt. 

"Er lebt?", fragte sie. Und dann, ganz still: "Dann braucht er ja gar kein Grab.“ 

Besser hätte ich es nicht sagen können. Vielleicht ist das das größte Problem am Kreuz: Dass es überall rumsteht, aber kaum noch jemand weiß, wofür es eigentlich steht. Nicht nur als Symbol für den Tod, sondern für die Auferstehung Jesu Christi. Das es nicht nur das Leiden und Sterben Jesu am Kreuz zeigt, sondern gleichzeitig ein Zeichen der Hoffnung auf ewiges Leben ist. 

Von Stefanie Heinrichs