Wenn ein Astronaut aus dem All die Schöpfungsgeschichte vorliest

Am Anfang also, so steht es geschrieben, erschuf Gott Himmel und Erde. Ein Satz, so abgegriffen wie die Kanten eines alten Gebetbuches. Und doch – oder gerade deshalb – ein Anfang, der jeden anderen Anfang überragt. Erst recht, wenn er nicht von der Erde aus gelesen wird, sondern von draußen, von dort, wo der Planet ein kleiner blauer Punkt zu sein scheint.
Es war der 21. Dezember im Jahr 1968. Die NASA-Astronauten Jim Lovell, Frank Borman und William Anders von der Apollo-8-Mission saßen in der "Saturn V"- Rakete und verließen die Erde. Sie gehörten damit zu den ersten Menschen, die die Erdumlaufbahn verließen. Während ihrer gesamten Mission sendeten die Männer der Apollo-8-Mission Audioübertragungen an ein gespanntes Radiopublikum auf der Erde. Drei Tage später haben sie die Mondumlaufbahn erreicht – genau an Heiligabend, jenem Abend, an dem Menschen auf der Erde sich auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Entweder sangen sie Weihnachtslieder, packten Geschenke ein oder besuchten abends den Gottesdienst oder ein Krippenspiel – wie jedes Jahr. Doch bei ihnen in der Kapsel tat sich eine andere Szene auf – kein Krippenspiel, keine Kirche, aber immerhin ein Finale, das schon ohne jedes Wort größer war als alles, was man bisher auf der Erde gesehen hat – der Mond.
Doch für den Heiligabend gab ihnen die NASA keine konkreten Anweisungen, was die Radioübertragung angeht. Aber Worte mussten dennoch gefunden werden, denn auf der Erde hörte man zu. Millionen lauschten den Stimmen aus dem All. Und die NASA hatte den Astronauten nichts anderes gesagt als: Sagt etwas Angemessenes.
"Die Erde war wüst und wirr"
Was aber sagt man an Heiligabend aus dem All? Die drei Astronauten entschieden sich dafür, nichts eigenes zu sagen, sondern die biblische Schöpfungsgeschichte der Genesis heranzuziehen. "Die Erde war wüst und wirr", hörte man Lovells Stimme aus dem All. "Und Finsternis lag über der Urflut." Und, nach einer kurzen Pause, ging es weiter: "Die Erde war wüst und wirr und Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag."
Später erklärte Lovell, der Text sei gewählt worden, weil er nicht nur Christen etwas bedeutet, sondern die Grundlage vieler Religionen sei. Viele konnten damit etwas anfangen. Schließlich las man so etwas wie die Geburtsurkunde des Alls, der Erde...
Die Besatzung, bestehend aus drei Männern, schoss am 21. Dezember in die Umlaufbahn und hatte an Heiligabend etwa zehnmal den Mond umrundet. Doch dann war es wieder Zeit, das All zu verlassen. Am Weihnachtsmorgen wartete die Missionskontrolle gespannt auf die Nachricht, dass die Triebwerkszündung zum Verlassen der Mondumlaufbahn funktioniert hatte. Die Bestätigung kam sehr bald, aber nüchtern und technisch. Doch Lovell hängte einen Satz an, der wie ein Augenzwinkern aus dem All klang: "Roger, bitte seien sie informiert … Es gibt einen Weihnachtsmann!"
Die Erde aus dem Weltraum, fotografiert während der Apollo-8-Mission (1968) auf dem Rückflug.
Zwei Tage später, am 27. Dezember, wasserte die Kapsel schließlich im Pazifik. Eine Landung auf dem Mond war zwar noch lange entfernt, aber zum ersten Mal hatten Menschen die Erde verlassen, den Mond umkreist und waren heil zurückgekehrt. Lovell etwa erinnerte sich später an einen besonderen Moment: "Ich hielt meinen Daumen an das Fenster des Raumfahrzeugs und konnte die Erde komplett hinter meinem Daumen verbergen. Die Erde ist nur ein winziger Fleck in der Milchstraße, aber sehen Sie, was wir hier haben: Wasser und eine Atmosphäre. Wir umkreisen einen Stern in genau der richtigen Entfernung, um dessen Energie zu absorbieren", erinnerte sich Lovell später in einem von der NASA veröffentlichten Videointerview. Und er führte im gleichen Interview weiter aus: "Gott hat der Menschheit eine Bühne gegeben, auf der sie auftreten kann. Wie das Stück ausgeht, liegt an uns."
"Houston, wir haben ein Problem"
Ebenso berühmt wie dieser Flug um den Mond wurde später eine andere Mission, die Lovells Namen unauslöschlich machte. Apollo 13, 1970. Fast hätten sie wieder den Mond erreicht, doch dann zerbrach etwas im Inneren der Maschine, ein Ausfall des Sauerstoffsystems, so plötzlich, dass es für einen Moment schien, als sei dies das Ende. Lovell war es, der zuerst die Worte sprach, die später zur bekanntesten Formel der Katastrophe wurden: "Houston, wir haben ein Problem." Ein Satz, der in Wirklichkeit anders klang, nüchterner, technischer – aber dennoch in die Popkultur einging und heute nicht mehr wegzudenken ist.
320.000 Kilometer von der Heimat entfernt arbeiteten Lovell, Jack Swigert und Fred Haise mit der Bodenkontrolle zusammen. Notreparaturen, provisorische Pläne und die Hoffnung, zurückkehren zu können. Und sie kehrten tatsächlich zurück. Aus aller Welt stiegen damals Gebete auf, auch aus Rom, von Papst Paul VI. (1963-1978), als könnten Worte, die seit Jahrhunderten in Kirchenmauern widerhallen, auch bis zum Mond dringen. Doch der Mond blieb Lovell verwehrt. Er hat ihn nie betreten. Sein "einziges Bedauern", sagte er 1995 in einem Interview mit Associated Press. Privat lebte er zurückgezogen, seit 1952 mit Marilyn Gerlach verheiratet, mit der er vier Kinder hatte. Sie starb 2023. Am 7. August 2024 folgte ihr James Lovell, der 97-jährige Presbyterianer – als letzter Zeuge jenes Dramas, das mit den Worten begann: "Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde."