Nächster Stopp: Karlsruhe
Die Kasseler Richter betonten, dass die der Beitragsbemessung zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen rechtmäßig angewandt würden und nicht gegen das Grundgesetz verstießen. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten sozialpolitischen Spielraum habe. Eltern würden zudem durch Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung und die beitragsfreie Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung entlastet. Die Schwelle der Verfassungswidrigkeit wegen eines nur unzureichenden Ausgleichs, so das Gericht, sei dabei nicht überschritten worden.
Das Gericht hatte im Rahmen eines Musterverfahrens über die Klage eines Freiburger Ehepaars mit drei Kindern zu entscheiden. Die Kläger hatten argumentiert, im Beitragsrecht der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen eine an den Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern anknüpfende Entlastung Berücksichtigung finden.
Sie erinnerten an das sogenannte Pflegeversicherungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2001. Die Karlsruher Richter beanstandeten damals, dass Eltern mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet würden wie Kinderlose. Sie wiesen darauf hin, dass die Bedeutung dieses Urteils auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sein werde.
Anerkennung würde Verwerfungen in anderen Bereichen nach sich ziehen
Nachdem den Klägern bereits vor dem Sozialgericht Freiburg und vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg kein Erfolg beschieden war, scheiterte nun auch ihre von dem Landessozialgericht zugelassene Revision vor dem Bundessozialgericht.
Die Kasseler Richter betonten auch, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pflegeversicherung lasse sich kein Anspruch auf einen allgemeinen umfassenden Ausgleich der finanziellen Belastungen durch die Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der Sozialversicherung herleiten. Die Anerkennung eines solchen Anspruchs würde zudem Verwerfungen in anderen Bereichen nach sich ziehen. Nach Auffassung des Gerichts ist es Sache des Gesetzgebers, gegebenenfalls einen weitergehenden Ausgleich als bislang herbeizuführen.
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Eltern wollen vor dem Bundessozialgericht Freibeträge in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erstreiten. Der Familienbund der Katholiken unterstützt die Klage. Präsident Stefan Becker zeigt sich im Interview zuversichtlich.Nach dem Nein des Bundessozialgerichts wollen die Familienverbände nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das sagte der Bundesgeschäftsführer des Familienbundes der Katholiken (FDK), Matthias Dantlgraber, am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Die Entscheidung bedeute einen Rückschlag für die Familien. Sie seien darüber sehr enttäuscht.
Zusammen mit dem Deutschen Familienverband (DFV) unterstützt der FDK die Klagen und ruft zugleich die Eltern in ganz Deutschland auf, bei Kranken- und Rentenkassen Einspruch gegen zu hohe Sozialabgaben zu erheben. Bislang haben sich laut Becker mehr als 1.000 Familien an der Aktion beteiligt.
Weinberg: Politik hat ein klares Signal erhalten
Der familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marcus Weinberg (CDU), erklärte, trotz der Niederlage habe die Politik durch die Klage ein klares Signal erhalten. Die Familien mit Kindern fühlten sich benachteiligt, weil ihre Erziehungsleistung bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge nicht ausreichend berücksichtigt werde. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Bewertung sei dies ein gesellschaftspolitischer Auftrag, den sich die Union zu Eigen mache. Er kündigte an, dass die stärkere Entlastung von Familien mit Kindern in den kommenden Jahren eine zentrale Rolle spielen werde.
Nach Ansicht der Verbände werden 14 Millionen Eltern verfassungswidrig doppelt zur Kasse gebeten, weil sie sowohl in die Sozialversicherung einzahlen als auch die Kindererziehung finanzieren müssen. (bod/KNA)