Transfrau Kellermann: Wenn es Gott gibt, hat er mich so gemacht
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Die Lehrmeinung der katholischen Kirche sieht Menschen wie sie nicht vor. Georgine Kellermann wünscht sich daher eine offenere Kirche – ohne eine Zeitgeist-Veranstaltung zu werden.
Frage: Sie sind katholisch sozialisiert und schreiben in Ihrem Buch (Georgine – der lange Weg zu mir selbst), Sie hätten sich im kirchlichen Umfeld immer sehr wohlgefühlt. Da gab es Personen, denen Sie sich anvertrauen konnten?
Kellermann: Ja, ich habe Freunde und Freundinnen, mit denen ich heute noch befreundet bin, die das damals schon wussten. Die haben mich nicht beurteilt und auch nicht verurteilt. Für die stand der Mensch im Vordergrund. Der Mensch zählte und nicht das, was er trug oder ausdrückte.
Wir hatten alle dieselbe Geisteshaltung, heute würde man sagen "links-grün versifft" oder so. Ich war aber auch konservativ, ich war Mitglied in der CDU und habe die Schülerunion in Ratingen mitgegründet, also so eine konservative Gemengelage, die ich eigentlich ziemlich sympathisch finde.
Frage: Glauben Sie, das hat was mit christlichen Werten zu tun, dass Sie sich den Menschen, die Sie da in diesem Umfeld kennengelernt haben, öffnen konnten?
Kellermann: Wir müssen das gar nicht so als christliche Werte bezeichnen, aber ich glaube, dass Empathie – menschliches Mitgefühl, auf die Probleme anderer Menschen einzugehen – ganz viel mit unserer christlichen Erziehung zu tun hat. Wobei ich nicht sagen will, dass zum Beispiel Muslime anders sind.
Ich weiß, dass es im Islam genauso empathische Menschen gibt wie im Christentum. Ich glaube einfach, dass ein religiöses Fundament, ohne dass ich ein religiöser Mensch sein muss, durchaus dazu führen kann, dass Menschen sich menschlich verhalten.
Frage: Haben Sie mit der Kirche, dem Glauben und mit Gott, gehadert, weil Sie bemerkt haben, dass Sie in der falschen Hülle sind?
Kellermann: Dass der liebe Gott die falsche Verpackung für mich ausgesucht hat, das nehme ich ihm bis ans Ende meines Lebens übel. Da müssen wir dann auch noch mal drüber reden, wenn es ihn gibt. Ich weiß es nicht.
Das ist ja aber die Natur, und ich glaube, es gibt immer mehr Wissenschaftlerinnen, die sagen, das Geschlecht sitze nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren. Und an mir merke ich doch, wie richtig das ist.
„Ich würde mir wünschen, dass die Kirche da offener wird, wenngleich ich weiß, die Kirche darf keine Zeitgeist-Veranstaltung sein.“
Frage: Dieses Wissen, das wir heute zu dem Thema haben, ist auch längst in Rom angekommen. Trotzdem ist die Lehrmeinung der katholischen Kirche ja sehr klar: Es gibt Mann, es gibt Frau. Wer äußerlich als Mann geboren wird, der ist auch Mann. Und man kann sich sein Geschlecht nicht aussuchen, wie viele sagen. Haben Sie sich Ihr Geschlecht ausgesucht?
Kellermann: Nein, natürlich nicht. Diejenigen, die sagen, man könne sich sein Geschlecht nicht aussuchen, schauen zu tief. Die sollten nach oben in den Kopf schauen und nicht nach unten.
Frage: Es gibt in der Kirche eine große Diskrepanz zwischen der Pastoral, also zwischen dem, was Transmenschen in der Kirche angeboten wird, in Kitas, in der Schule, seitens der Caritas gibt es seelsorgerische Angebote, es gibt Hilfen. Auf der anderen Seite gibt es aber die Lehrmeinung, die ganz klar sagt: Das darf nicht sein, Gott macht da keine Fehler. Wie gehen Sie mit solchen Diskrepanzen um?
Kellermann: Na ja, also ich baue mir meinen Gott natürlich auch so, wie er aus meiner Sicht sein sollte. Und das ist ein empathischer Gott. Am Ende, wenn es Gott gibt, dann bin ich doch auch ein Kind Gottes. Und wenn ich das bin, dann hat er mich so gemacht. Da kann, glaube ich, niemand dran rütteln, wenn er gläubig ist.
Frage: Haben Sie eine Erwartung, die Sie an die Kirche stellen? Immerhin steht das Thema Transidentität auf der Agenda der Weltsynode.
Kellermann: Ich würde mir wünschen, dass die Kirche da offener wird, wenngleich ich weiß, die Kirche darf keine Zeitgeist-Veranstaltung sein. Dann müsste sie alle drei Jahre ihre Philosophie wechseln. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Das darf so auch nicht sein.
Aber wenn die Kirche dem Anspruch gerecht werden will, für die Menschen da zu sein und nicht die Menschen für die Kirche da sind, sondern die Kirche für die Menschen da ist, dann muss die Kirche sich auch um all die Menschen kümmern. Und wenn wir da hinausgehen, gibt es nicht Schwarz und Weiß und Mann und Frau. Wenn wir da hinausgehen, haben wir ein breites Spektrum von Menschen. Und die sollten doch alle in der Kirche aufgenommen sein.
