700 Menschen schreiben gemeinsam an der guten Nachricht

Das Bad Kissinger Evangeliar

Veröffentlicht am 07.10.2015 um 00:01 Uhr – Von Julia-Maria Lauer – Lesedauer: 
Bibel

Bad Kissingen ‐ 700 Menschen schreiben die Bibel ab: In Bad Kissingen in der Diözese Würzburg ist ein außergewöhnliches Projekt entstanden, an dem Jung und Alt mitgearbeitet haben. Das Bad Kissinger Evangeliar beinhaltet die wichtigsten Geschichten aus dem Leben Jesu.

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"Jung und Alt, alle haben mitgemacht", erzählt Bernd Keller, Leiter des Projektes stolz. "Von Kindergärten, über Behinderteneinrichtungen bis zu Schulen jeglicher Art. Aber auch Privatpersonen, Senioren, Ehepaare und Pfarrgemeinderäte." Das ursprüngliche Ziel, ein komplettes Evangeliar zu erstellen, entpuppte sich schnell als zu groß. Aber darauf sei es letztlich auch gar nicht angekommen, erklärt Keller, der Ehe- und Familienseelsorger in den Dekanaten Hammelburg und Bad Kissingen ist. "Es geht allein darum, dass Menschen vom Wort Gottes berührt werden."

Der Gedanke, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das die persönliche kreative Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes ermöglicht, kam dem Seelsorger zum ersten Mal 2003, als die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland das "Jahr der Bibel" ausrief. Ziel der Initiative war es, das Buch der Bücher öffentlich ins Gespräch bringen. Ein zweiter Impuls kam für Keller von dem Apostolischen Schreiben "Verbum Domini", das Papst Benedikt XVI. 2010 veröffentlichte. "Daher wünscht die Synode, dass jedes Haus seine Bibel haben möge und sie in würdiger Weise aufbewahre, um in ihr lesen und mit ihr beten zu können", heißt es in dem Abschluss-Dokument der Weltbischofssynode 2008.

Texte auswählen und gestalten

Nach Rücksprache mit dem Echter Verlag in Würzburg begann Keller im Jahr 2011 Flyer zu entwerfen, um in katholischen und evangelischen Gemeinden der Region Werbung zu machen. Die Koordination sowie die Verteilung der Bibelstellen an die Teilnehmer erfolgte über die Kissinger Begegnungsstätte "Kontaktpunkt". "Dort haben wir die wichtigsten Bibelstellen aus den Evangelien aufbewahrt. Am Projekt Interessierte konnten da einen Text auswählen, den sie gestalten wollen", berichtet der studierte Religionspädagoge.

Kissinger Evangeliar
Kissinger Evangeliar
Kissinger Evangeliar
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Die Reaktionen waren durchweg positiv. "Bei unseren Kindern war das Interesse so groß, dass wir über die zunächst für uns vorgesehenen Bibelstellen hinaus weitere nachbestellen mussten", berichtet Aileen Schöppner, Leiterin des katholischen Kindergartens St. Elisabeth im unterfränkischen Burkardroth. Die Texte hätten die Erzieher zunächst den Jungen und Mädchen vorgelesen und mit ihnen besprochen. "Das war manchmal für uns Erwachsene gar nicht einfach. Dann mussten wir zuerst selbst noch mal nachlesen und gemeinsam darüber diskutieren, wie bestimmte Stellen zu verstehen sind", berichtet Schöppner. Anschließend hätten die Kinder dann freien Raum zur Gestaltung gehabt.

Jesu Botschaft als Maßstab

"Das Evangelium ist der Kern der christlichen Botschaft. Die Erfahrung aus der Seelsorge zeigt, dass es gerade diese Texte sind, die heute Menschen zum christlichen Glauben führen können", erläutert Keller die Beschränkung auf die Evangelien. Durch das Abschreiben komme die Heilige Schrift mit dem eigenen Leben in Berührung. "Es ist kein öffentlicher Vorgang, sondern ein meditativer, kontemplativer, der im Inneren stattfindet", beschreibt er den Prozess der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Heiligen Buch. "Menschen sollen in ihrem Alltag berührt werden. Die Frömmigkeit soll sich nicht im öffentlichen Raum erschöpfen, beispielsweise in Gottesdiensten", sagt der Religionspädagoge. Dabei ist er sich durchaus bewusst, wie sehr Jesu Botschaft manchmal verstören kann: "Das ist keine vorgefertigte fromme Soße", sagt Keller. "Was Jesus zu sagen hat, ist irritierend, aber genau das brauchen wir Menschen als Maßstab und Korrektur."

Im Bibelprojekt sieht der Seelsorger einen Wegweiser, wie Pastoral heute funktionieren müsste. "Sie sollte nachhaltiger und persönlicher sein", ist er überzeugt. So gebe es in vielen Häusern noch Weihwasserkesselchen, Herrgottswinkel und Kreuz, die aber das Glaubensleben im Alltag nicht befruchten würden. "Mit unserem Buch ist ein Werk entstanden, das man zuhause aufbewahren und immer wieder hervorholen kann. Es soll dazu dienen, die Heilige Schrift neu zu entdecken." Aileen Schöppner ist sich sicher, dass das Evangeliar einen besonderen Platz im Kindergarten haben wird. "Wir werden mit den Kindern darüber sprechen, welche Geschichten ihnen besonders gefallen haben. Über die Kinder wird das Buch in die Familien hineingetragen werden und sicher auch dort auf Interesse stoßen."

Buchtipp

"Unsere gute Nachricht. Die frohe Botschaft aufgeschrieben und illustriert von Menschen in und um Bad Kissingen", herausgegeben von Bernd Keller, Vorwort von Weihbischof Ulrich Boom, mit Unterstützung des Bonifatiuswerkes, 328 Seiten, Echter Verlag, Würzburg 2015, 29 Euro.
Von Julia-Maria Lauer