Angeklagter schwieg erneut zu den Vorwürfen

Vergewaltigungsprozess gegen Priester: Widersprüchliche Aussagen

Veröffentlicht am 29.10.2025 um 19:00 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Hat ein katholischer Pfarrer eine 18-Jährige vergewaltigt? Auch am zweiten Verhandlungstag vor dem Amtsgericht München ergibt sich kein klares Bild. Denn viele Zeugenaussagen passen nicht zusammen.

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Im Münchner Vergewaltigungsprozess gegen einen katholischen Priester sind am Mittwoch elf Zeugen vernommen worden. Doch stellt man ihre Aussagen nebeneinander, ist der mutmaßliche Tathergang unklarer denn je. Weder zum genauen Ort noch zu weiteren Anwesenden im Raum gab es übereinstimmende Angaben. Der 69-jährige Angeklagte schwieg erneut zu den Vorwürfen.

Laut Staatsanwaltschaft soll er zwischen August 2018 und März 2019 eine 18-Jährige in der Wohnküche seines Pfarrhauses in einem oberbayerischen Dorf nordwestlich von München vergewaltigt haben. Die junge Frau habe den Seelsorger mit ihrer Mutter wegen eines Trauerfalls und weiterer Probleme in der Familie aufgesucht. Diese Notlage habe der Pfarrer ausgenutzt, so der Vorwurf.

Ex-Freund sagt aus

Ein Ex-Freund der jungen Frau sagte, diese habe ihm weinend vor einigen Jahren berichtet, dass sie der Pfarrer in der abgesperrten Sakristei vergewaltigt habe. Das habe ihn zwar schockiert und er habe sie getröstet, das Thema aber nicht nochmals angesprochen. Kurze Zeit später sei es zu einer "unschönen Trennung" von ihm gekommen. Die Schwester des Angeklagten, die dem Priester Jahrzehnte den Haushalt geführt hat, konnte sich an gar keine spezielle Begegnung mit Mutter und Tochter erinnern. Breiten Raum nahmen am zweiten Verhandlungstag die Aussagen von Mitarbeitern der Münchner Bistumsverwaltung ein. Am 29. März 2019 hatte es im Ordinariat eine Unterredung mit der Tochter, ihrem Vater sowie dessen Anwalt gegeben. Von dem Gespräch gibt es ein nicht unterzeichnetes Protokoll in mehreren Versionen.

Auf Basis der Schilderungen der jungen Frau wurde der Übergriff darin so beschrieben: Der Priester habe, während die Mutter auf der anderen Seite des Tisches saß, ihr die Hand auf den Oberschenkel gelegt, sei mit ihr Richtung Genitalbereich gefahren und habe dort zugegriffen. Dagegen habe sich die Frau gewehrt. Außerdem habe der Priester unflätige, anzügliche Bemerkungen ihr gegenüber gemacht. Die 18-Jährige habe bei dem Termin im Ordinariat zunehmend die Fassung verloren und dann mit einem Diakon den Raum verlassen.

Montage von zwei Fotos eines Priesters und von Handschellen
Bild: ©Canva/Diego Servo | Canva/joebelanger | Montage:katholisch.de

Laut Staatsanwaltschaft soll der Pfarrer zwischen August 2018 und März 2019 eine 18-Jährige in der Wohnküche seines Pfarrhauses in einem oberbayerischen Dorf nordwestlich von München vergewaltigt haben.

An dem Gespräch nahm auch der Unabhängige Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums, Rechtsanwalt Martin Miebach, teil. Dieser sagte vor Gericht, er habe damals in der Runde darauf aufmerksam gemacht, dass eine Straftat in Betracht komme und eine Anzeige zu erwägen sei. Es könne sich um eine sexuelle Nötigung handeln, aber auch um Schwerwiegenderes. Dazu müsste aber die Polizei das mutmaßliche Opfer eingehender vernehmen.

Warum nicht schon früher angezeigt?

Miebach und andere Zeugen sagten übereinstimmend aus, dieses Vorgehen hätten der Vater der jungen Frau und sein Anwalt nicht gewollt. Das hätten sie vorgebracht mit dem Wunsch, die Tochter zu schützen. Ihnen sei es zuallererst darum gegangen, den Priester aus dem Verkehr zu ziehen. Dieser sei auch kurz darauf in den Ruhestand versetzt worden und ins Ausland verzogen.

Nach Angaben der Kirchenmitarbeiter war der Priester kein unbeschriebenes Blatt. In einer anderen Gemeinde habe er einmal einen mittleren fünfstelligen Betrag aus der Kirchenkasse abgezweigt, was bei der Innenrevision aufgefallen sei. Durch Gehaltskürzungen habe sich das Bistum das Geld zurückgeholt. Außerdem hat der aus dem früheren Jugoslawien stammende Seelsorger wohl einen Sohn in der Schweiz. Die Münchner Bistumsverwaltung musste sich mit dessen Unterhaltsansprüchen befassen. Seit Mitte der 1990er Jahre gehört der Geistliche zum Münchner Diözesanklerus. Die Kirchenzeugen sagten ferner aus, es habe auch an früheren Einsatzorten immer wieder Beschwerden gegen den Priester gegeben, aber nicht wegen Distanzlosigkeiten oder Grenzverletzungen im Kontakt mit Menschen.

Der Prozess wird am 5. November fortgesetzt. Auf der Zeugenliste steht nur noch der Polizist, der im Zuge der Ermittlungen die junge Frau und deren Familienangehörige vernommen hat. Möglicherweise kann er zur Aufklärung beitragen, warum die Frau in diesem Zusammenhang ihre Aussagen zu dem erlittenen Übergriff zugespitzt hat. Laut Anklage soll der Priester dabei mit den Fingern in sie eingedrungen und mehrere Minuten manipuliert haben. Dabei seien die beiden vorübergehend allein in der Küche des Pfarrhauses gewesen. (KNA)