Nicht nur ein Ehrentitel für Bischof Anba Damian

Neuer koptischer Metropolit: Wir gehen mit unserem Erbe nicht lasch um

Veröffentlicht am 27.12.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Höxter ‐ Bischof Anba Damian ist seit 40 Jahren in Deutschland und seit 30 Jahren Bischof – nun wurde er vom koptischen Papst zum Metropoliten erhoben. Was das für seine Kirche in Deutschland bedeutet und was Katholiken von Kopten lernen können, erklärt er im Interview.

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Es ist eine große Ehre für die koptische Kirche in Deutschland: Bischof Anba Damian, der der norddeutschen Diözese der Kopten vorsteht, wurde von Papst Tawadros II. zum Metropoliten erhoben. Er steht einer wachsenden und lebendigen Gemeinschaft vor und gehört nun zu den wichtigsten Geistlichen seiner Kirche. Im Interview verrät Metropolit Damian, wie junge Ägypter auf Deutschland blicken, wie es um den ökumenischen Dialog steht – und was Kopten und Katholiken voneinander lernen können.

Frage: Metropolit Damian, seit kurzem tragen Sie Ihren neuen Titel: Was bedeutet das für die koptische Kirche in Deutschland?

Damian: Das ist eine Anerkennung und Würdigung unserer Mutterkirche für den Dienst und die Mühe, die hier in Deutschland jahrelang geleistet wurden. In der Zwischenzeit gehöre ich zu den ältesten in unserer Heiligen Synode, ich bin seit 30 Jahren Bischof. Nun bin ich der 27. Metropolit unserer Kirche. Dass es hier in Deutschland nun eine Metropolie gibt, ist eine große Ehre für uns.

Frage: Es ist also nicht nur ein persönlicher Ehrentitel für Sie, sondern bedeutet auch, dass die koptische Kirche in Deutschland zur Metropolie erhoben wurde.

Damian: So ist es.

Frage: Und was heißt das für die koptische Kirche in Deutschland?

Damian: Damit wächst das Gewicht unserer Stimme in der Weltkirche. Als Metropolit habe ich eine beratende Funktion für Seine Heiligkeit, Papst Tawadros. Wir sind nicht eine kleine, abgekapselte regionale Gemeinde, sondern ein wichtiger Teil der Weltkirche.

Frage: Wie geht es der koptischen Kirche in Deutschland gerade? Welche Themen bewegen Sie?

Damian: Die koptische Kirche in Deutschland blüht auf. Wir haben einen Babyboom. Viele hochqualifizierte junge Menschen aus Ägypten kommen als Fachkräfte in der IT-Branche, als Mediziner, Apotheker, Ingenieure und Mechatroniker nach Deutschland. Fast eine halbe Million Menschen in Ägypten studieren oder lernen die deutsche Sprache, weil Deutschland ein Traum vieler junger Leute ist. Als ich vor über 40 Jahren nach Deutschland kam, da wusste man in Ägypten kaum, wo Deutschland ist. Amerika war unser Traum, Neuseeland, Australien oder Kanada, nicht unbedingt Deutschland. Mediziner sind gerne nach England gegangen. Ich gehörte zu den ersten, die Eisbrecher gewesen sind. Inzwischen ist Deutschland sehr beliebt: Man erzählt sich über den Wert der Menschenwürde, über die Lebensqualität, die Güte und den guten Charakter der Deutschen. Deshalb kommen immer mehr Ägypter hierher, und deshalb braucht es auch mehr qualifizierte Seelsorge für koptische Christen. Wir wachsen als Kirche und brauchen Dächer über den Kopf für Gottesdienste, Gemeindeaktivitäten, die Sonntagsschule und für soziale Aktivitäten: Wir unterstützen ägyptische Studenten, gut in Deutschland anzukommen, und natürlich wollen wir auch in Ägypten helfen. Das ist eine große Herausforderung, das alles zu organisieren. Unser Ziel ist es, hier als Kirche juristisch als Körperschaft anerkannt zu werden; bisher sind wir in gemeinnützigen Vereinen organisiert.

Frage: Sie sind auch bekannt für Ihr ökumenisches Engagement. Was tun die Kopten hier?

Damian: Ganz praktisch sind wir mit unseren Räumen Gastgeber für andere Gemeinden, vor allem andere altorientalische Kirchen wie die Christen aus Eritrea und Äthiopien, die armenisch-apostolischen Gläubigen und die Thomas-Christen aus Indien. Wir pflegen die Ökumene und sind eine Brücke zwischen Deutschland und Ägypten – uns ist es wichtig, dass wir unsere alte Kultur hier und heute einbringen und bekannt machen.

Frage: In diesem Jahr gedenken wir des 1.700. Jubiläums des Konzils von Nizäa. Das Glaubensbekenntnis, das in Nizäa formuliert wurde, verbindet die katholische und die koptische Kirche. Was bedeutet dieses Jubiläum aus Ihrer Sicht?

Damian: Um ehrlich zu sein, ist das für uns nichts Neues. In unserer Kirche gedenken wir regelmäßig des Konzils von Nizäa und des heiligen Athanasius, der als Diakon beim Konzil war und später Patriarch von Alexandria wurde. Das Glaubensbekenntnis beten wir mindestens zweimal bei jeder Liturgie, beim Vespergottesdienst und bei der Hauptliturgie. Schon Kinder beherrschen das Glaubensbekenntnis auswendig, mindestens in einer Sprache. In unseren Gottesdiensten, Gebeten und Hymnen gedenken wir des heiligen Markus und der 318 versammelten Väter von Nizäa. Das Konzil von Nizäa ist daher für uns lebendige Gegenwart. In Deutschland haben wir eine ganz besondere Beziehung zum heiligen Athanasius: Er war der 20. Nachfolger des heiligen Evangelisten Markus. Athanasius wurde nach Trier in die Verbannung geschickt. Das war der erste, wenn auch unfreiwillige Besuch eines koptischen Patriarchen in Deutschland. Bis heute wird er dort verehrt. Das Domkapitel hat mit dem damaligen Trierer Bischof Reinhard Marx im Dom eine Athanasiuskapelle eingerichtet, genau unterhalb des Heiligen Rocks, mit einer Ikonostase und orthodoxen Ikonen aus Rumänien. Wenn es Athanasius nicht gegeben hätte, dann wäre die ganze christliche Welt in die arianische Häresie geraten. Daher stehen er und das Konzil von Nizäa für uns dafür, dass wir die Einheit der Christen im Blick behalten müssen – denn damals gab es nicht eine koptische und eine katholische Kirche, es gab eine Kirche. Die Trennung kam erst später, und bis heute haben wir die Sehnsucht nach der Einheit, die wir verloren haben.

Tawadros II., Patriarch von Alexandrien und Papst des Stuhls des heiligen Markus
Bild: ©Julia Steinbrecht/KNA (Archivbild)

Tawadros II. ist als Patriarch von Alexandrien und Papst des Stuhls des heiligen Markus das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche. Er hat Bischof Anba Damian zum Metropoliten erhoben.

Frage: Vor einem Jahr haben wir über die Schwierigkeiten im ökumenischen Dialog gesprochen, die durch die Segenserklärung "Fiducia supplicans" entstanden ist. Die koptische Kirche hatte den Dialog erst einmal ausgesetzt. Wie ist es da weitergegangen? Wie steht es um den Dialog?

Damian: Für mich ist klar: Wir sind ein intakter Körper Christi und wir sind der festen Überzeugung, dass die Einheit der Kirche gestärkt werden muss. Natürlich gibt es Meinungsverschiedenheiten. Aber wir sollten die Aspekte, die uns einen, stärken. Gleichzeitig möchten wir diskutieren, was nach unserer Ansicht von der Heiligen Schrift abweicht. Es ist wichtig, alle Möglichkeiten zu überprüfen, damit wir auf dem gemeinsamen Weg der apostolischen Sukzession bleiben und damit wir von der wahren Lehre nicht abweichen.

Frage: Mittlerweile haben wir Katholiken einen neuen Papst. Wie nehmen Sie Papst Leo XIV. im ökumenischen Dialog wahr?

Damian: Für mich war es eine große Ehre, als Delegierter meiner Kirche bei seiner Amtseinführung dabei zu sein. Am Tag darauf waren wir in einer Privataudienz mit Seiner Heiligkeit und haben ihm eine schöne Ikone der Heiligen Familie überreicht. Wir Kopten haben eine besondere Beziehung zur Heiligen Familie, die in unserem Land Ägypten Schutz gesucht hat. Nach dem angenehmen Austausch mit ihm haben wir große Hoffnung, dass das, was Papst Franziskus an Liebe und Vertrauen aufgebaut hat, auch mit Seiner Heiligkeit Leo XIV. weiterhin fortgesetzt werden kann. Denn nur so können wir zusammen leben und überleben: In der Einheit sind wir zusammen stark, wir können nicht aufeinander verzichten.

Frage: Vor seiner Reise, die ihn unter anderem an den historischen Ort des Konzils von Nizäa führte, hat Papst Leo ein Apostolisches Schreiben zur Ökumene veröffentlicht. Darin hofft er auf eine "Zukunftsökumene der Versöhnung auf dem Weg des Dialogs, des Austauschs unserer Gaben und geistlichen Schätze". Wir Katholiken sollen also die Gaben und geistlichen Schätze der anderen Christen kennenlernen. Was können wir Katholiken von den geistlichen Schätzen der Kopten lernen?

Damian: Standhaftigkeit. Wir gehen mit unserem Erbe nicht lasch um. Was wir heute in der Hand haben, hat viel Blut unserer Vorväter gekostet, und deswegen gehen wir damit sehr sorgfältig um. Wir behandeln die Sakramente ehrfürchtig, und wir behandeln unsere Kinder liebevoll. Wir wissen: Die Kinder sind entscheidender Bestandteil unserer Gemeinde. Unsere Kinder nehmen unsere Lehre und Tradition mit der Muttermilch auf. Wir schämen uns nicht für unser Aussehen, unsere Bärte, unsere Gewänder, unser Kreuz – weil wir uns mit dem Kreuz Christi identifizieren. Es ist unser Schutz, unser Segen, unser Bekenntnis. Wir halten unsere Heiligen hoch und verehren sie, damit wir die Geschichte der Vorväter lebendig machen. Die Heiligen sind jetzt in der triumphierenden Kirche, wir Lebenden sind in der kämpfenden Kirche in der Welt, und beide sind wir miteinander verbunden und bilden die eine, intakte Kirche mit Christus als Haupt. Reformation verstehen wir so, dass wir zurück zur apostolischen Zeit blicken. Wir möchten die Kirche reformieren, indem wir moderne Medien und Technik nutzen, aber nicht auf Kosten der Inhalte und unserer Identität. Wir wollen als Botschafter Christi Licht in der Welt und Apostel für den Frieden sein.

Frage: Und umgekehrt: Wo sehen Sie in der katholischen Kirche Gaben und geistliche Schätze, die Ihre Kirche bereichern?

Damian: In der systematischen Denkweise und der Ordnung. In den wunderbaren Predigten, den Festen und den Prozessionen. Durch meine benachbarte katholische Gemeinde habe ich die Liebe zu Anna, der Mutter Mariens, gewonnen.  Vorher war sie bei mir in Vergessenheit geraten, aber dank der Prozession zu Ehren der heiligen Anna hier in der katholischen Gemeinde St. Michael in Brakel habe ich sie lieb gewonnen – dafür bin ich sehr dankbar. Auch wie der heilige Liborius in Paderborn gefeiert wird, wie seine Reliquien verehrt werden, fasziniert mich. Seit vielen Jahren darf ich in Hamburg beim Fest des heiligen Ansgar dabei sein und gemeinsam mit dem katholischen Bischof und der evangelischen Bischöfin den Segen spenden. Unser Kloster Brenkhausen war einmal Teil des Klosters von Corvey, wo der heilige Ansgar lebte – daher sind Höxter und Hamburg verbunden. Was mich auch fasziniert, sind die karitativen Tätigkeiten der katholischen Kirche. Die Schulen, die Universitäten, die Kolping-Familien – die katholische Kirche hat der Gesellschaft viel anzubieten. Dafür habe ich sehr viel Liebe und Respekt.

Von Felix Neumann