Bischof Anba Damian zur Zukunft des ökumenischen Dialogs

Koptischer Bischof: "Fiducia supplicans" ist Stolperstein für Einheit

Veröffentlicht am 02.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Höxter ‐ Die koptische Kirche hat wegen der Segenserklärung "Fiducia supplicans" den theologischen Dialog mit den Katholiken abgebrochen. Belastet das auch die Ökumene in Deutschland? Bischof Anba Damian hofft im katholisch.de-Interview darauf, dass die Kirchen wieder eine gemeinsame biblische Basis finden.

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Die Segenserklärung "Fiducia supplicans" sorgt weltweit für Aufsehen – nicht nur in der katholischen Kirche. Dass homosexuelle Paare außerhalb der Liturgie gesegnet werden können, sorgt in vielen Ostkirchen für Verstimmung. Besonders deutlich wurde die koptisch-orthodoxe Kirche: Die Heilige Synode beschloss auf ihrer Sitzung Anfang März, den theologischen Dialog mit der katholischen Kirche auszusetzen. Eigentlich herrscht zwischen Katholiken und Kopten seit 50 Jahren Tauwetter: große trennende theologische Differenzen schienen ausgeräumt, das Verhältnis zwischen Papst Franziskus und Papst Tawadros II. ist herzlich. Ist es damit nun zu Ende? Im Interview mit katholisch.de erläutert Bischof Anba Damian, der als Generalbischof den Kopten in Deutschland vorsteht, wie es nun weitergeht – und was er an der katholischen Kirche schätzt.

Frage: Bischof Damian, die Heilige Synode der koptischen Kirche hat beschlossen, den Dialog mit der katholischen Kirche vorerst einzustellen. Warum?

Bischof Anba Damian: Die koptische Kirche braucht eine Pause, um zu überprüfen, was im Dialog der vergangenen zwei Jahrzehnte erreicht worden ist und wie es in Zukunft weitergeht. Die Segnung für homosexuelle Paare ist ein Stolperstein für die Wiederherstellung der vollständigen Einheit mit unserer Schwesterkirche, auf die wir hoffen.

Zur Person

Bischof Anba Damian ist seit 1995 Generalbischof der Koptisch-Orthodoxen Kirche von Deutschland sowie seit 2013 Diözesanbischof für Norddeutschland mit Sitz in Höxter. Er wurde 1955 in Kairo geboren und studierte dort Medizin. Von 1981 bis 1991 war er als Arzt in Deutschland tätig, bis er sich für ein Leben als Mönch entschied.

Frage: In den vergangenen 50 Jahren wurde sehr viel erreicht, seit die Päpste Paul VI. und Schenuda III. 1973 einen grundlegenden theologischen Konsens verkünden konnten. Zuletzt nahm Papst Franziskus die koptischen Märtyrer von Sirte in den katholischen Heiligenkalender auf, im Mai trafen sich Papst Tawadros II. und Papst Franziskus erneut. Warum ist angesichts dieser Erfolge die Segenserklärung so ein großer Stolperstein?

Damian: Ja, es wurde wirklich viel erreicht. Die Einheit des Herzens haben wir schon. Es gibt Respekt, Liebe und Vertrauen zur katholischen Kirche. Die einmalige Beziehung zwischen S.H. Papst Franziskus und S.H. Papst Tawadros ist ein Schatz und eine große Chance. Wir haben ein klares Ziel vor Augen, weil wir wissen, dass wir nur leben und überleben können, wenn wir die vollständige Einheit der Kirchen erreichen. Es trennt uns nicht mehr viel, das meiste, was uns an der Einheit hindert, konnten wir schon aus dem Weg räumen. Aber es stört und schmerzt, wenn wir von unserer Schwesterkirche eine Position hören müssen, die nicht biblisch ist und nicht der kirchlichen Lehre entspricht. Da müssen wir unsere Schwesterkirche fragen: Was denkst du? Was meinst du? Was hast du vor? Was ist unsere gemeinsame Basis, und wo ist unsere gemeinsame Heilige Schrift?

Frage: Was ist Ihre Hoffnung? Wann wird der theologische Dialog wieder aufgenommen?

Damian: Wenn eine Delegation der katholischen Kirche mit der Ökumenekommission der Heiligen Synode zusammenkommt und die Missverständnisse ausräumt. Dann geht es definitiv weiter. S.H. Papst Tawadros hat eine große Liebe für den Heiligen Vater in seinem Herzen. Deshalb waren wir bei der Formulierung des Synodenbeschlusses sehr vorsichtig und haben stundenlang um jede Formulierung gerungen, um die mildesten Begriffe zu verwenden. Das war nicht einfach, das Thema ist auf dem ganzen afrikanischen Kontinent sehr heikel, bei allen Religionen.

Frage: Papst Franziskus und der Präfekt des Glaubensdikasteriums, Kardinal Víctor Manuel Fernández, haben immer wieder betont, dass die Erklärung "Fiducia supplicans" nicht die Lehre der Kirche verändert. Sehen Sie das anders?

Damian: Was wir kritisieren, beklagen ja nicht nur wir Kopten. Die Erklärung belastet auch viele Katholiken weltweit, vor allem auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Man muss vorsichtig sein, die Einheit der Kirche nicht in Gefahr zu bringen. Sehen Sie, der Papst ist nicht nur als Nachfolger des Petrus Oberhaupt der katholischen Kirche, er ist auch ein Staatsmann, und als solcher äußert er sich diplomatisch mit Blick darauf, was die Welt, was die Presse denkt. Diese beiden Rollen stehen manchmal im Konflikt. Unser Papst, der Nachfolger des Markus, ist nur Kirchenmann, kein Staatsmann, und deshalb fällt es ihm hier leichter, die biblische Lehre klar zu verkünden.

Die Teilnehmer der Synode der koptischen Kirche vor dem St.-Pischoi-Kloster im Wadi-el-Natrun.
Bild: ©Synode der koptischen Kirche

Die Bischöfe der Heiligen Synode der koptischen Kirche haben im März im St.-Pischoi-Kloster im Wadi-el-Natrun in Ägypten beschlossen, den theologischen Dialog mit der katholischen Kirche auszusetzen.

Frage: Die Heilige Synode hat auch eine Erklärung zum Umgang mit Homosexualität verabschiedet. Darin wird einerseits die Überzeugung vertreten, dass gelebte Homosexualität nicht biblisch gerechtfertigt werden kann. Es wird aber auch betont, dass homosexuellen Menschen pastoral und in Liebe zu begegnen ist. Papst Franziskus hat über Homosexuelle einmal gesagt: "Wer bin ich, ihn zu verurteilen?" Ist der Unterschied so groß?

Damian: Ich betrachte jeden Menschen als Ebenbild Gottes und ich bin auch kein Richter. Ich begegne Menschen mit Respekt und mit Liebe. Aber Menschen müssen nicht ständig ihr sexuelles Verhalten anderen gegenüber offenbaren. Ich will das gar nicht wissen. Jeder soll tun, was er für richtig hält und vor Gott verantworten kann. Es macht mich aber traurig, wenn zum Beispiel Politiker in der Öffentlichkeit über ihre privaten Lebensverhältnisse sprechen, vor allem, wenn sie nicht konform mit der Heiligen Schrift und kein Vorbild sind. Ich verurteile niemanden. Aber niemand kann von mir verlangen, ein Loblied auf Menschen zu singen, die anders leben. Ich bete auch für Menschen, von denen ich weiß, dass sie in homosexuellen Beziehungen leben. Nicht für ihre Beziehung, sondern dafür, dass Gott ihnen Weisheit schenkt und ihnen hilft, das Richtige zu tun.

Frage: Wie wird in der koptischen Gemeinde über Homosexualität gesprochen?

Damian: In Deutschland und in Ägypten geht man sehr unterschiedlich mit solchen Dingen um. Unter deutschen Jugendlichen kann man ganz selbstverständlich etwas "geil" nennen, wenn man es gut findet – in Ägypten wäre so ein Wort schon eine Provokation. Erst recht geht man mit Homosexualität nicht so offen um. Höchstens die Beichtväter wissen darum, öffentlich redet man nicht darüber. Das sind kulturelle Unterschiede. Ich muss aber auch die deutsche Kultur loben: Ihr scheut euch nicht, von den Fakten und von der Realität zu reden. Bei uns neigt man eher zum Schweigen und redet Dinge schön, obwohl die Realität anders ist.

Frage: Was bedeutet es für die Praxis, wenn der theologische Dialog ausgesetzt wird?

Damian: Hier in Deutschland haben wir eine sehr enge und gute Beziehung zu unseren Schwesterkirchen, der katholischen wie der evangelischen. Zwischen uns gibt es Vertrauen, Liebe und Respekt, auch wenn Meinungsunterschiede da sind. Dass der offizielle theologische Dialog ausgesetzt wird, heißt nicht, dass wir diese Vertrauensbeziehung in Frage stellen. Insofern hat der Beschluss der Synode in Deutschland keine Auswirkungen. Als Schwesterkirchen gehören wir zueinander, wir sind die Glieder eines Leibes. Wenn ein Glied entzündet ist, leidet zwar der ganze Körper, aber dieses Glied gehört immer noch zu unserem Körper.

Papst Franziskus und der koptische Papst Tawadros II. bei einer Generalaudienz auf dem Petersplatz am 10. Mai 2023.
Bild: ©picture alliance/Associated Press/Alessandra Tarantino

Im Mai 2023 trafen die Päpste Tawadros II. und Franziskus im Vatikan zusammen, um das 50-jährige Jubiläum des Treffens ihrer Vorgänger zu begehen.

Frage: Sie sind ja auch Arzt – welche Diagnose stellen Sie denn der katholischen Kirche?

Damian: Die katholische Kirche ist eine wunderbare Kirche: Ihr solltet auf eure Kultur, eure Verfassung, eure Tradition stolz sein. Ihr müsst nicht nach der Musik der Welt tanzen und euch immer so äußern, dass ihr nicht in der Presse angegriffen werdet. Als Kirchen müssen wir lernen, Nein zu sagen, wenn etwas nicht biblisch ist. So gewinnt man den Respekt der anderen. Wenn die Kirche einfach nur identisch ist zu dem, was in der Welt geschieht – warum muss ich dann in die Kirche kommen? Ich sage das mit viel Respekt und Liebe für die katholische Kirche, der wir Kopten hier in Deutschland viel zu verdanken haben. Ich glaube daran, dass es uns gelingt, in Wahrheit und Vernunft die Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, die uns gerade noch trennen.

Frage: Sie geben also die Hoffnung auf die Einheit der Kirche nicht auf?

Bischof Damian: Die Hoffnung besteht, solange es den Heiligen Geist gibt. Solange wir auf den Geist vertrauen, dürfen wir auf die vollständige Einheit unserer Kirchen hoffen.

Von Felix Neumann

Die koptische Kirche

Die Koptisch-Orthodoxe Kirche von Alexandrien ist die altorientalische Kirche Ägyptens. Zu ihr bekennen sich zwischen fünf und elf Millionen Menschen. Seit 2012 steht ihr Papst Tawadros II. vor. Die Kirche geht der Überlieferung zufolge auf eine Gründung des Apostels Markus etwa im Jahr 50–60 n. Chr. zurück. Damit ist sie eine der ältesten christlichen Kirchen überhaupt. Im Streit um die Lehre des Konzils von Chalzedon (451), das die Zwei-Naturen-Lehre dogmatisierte, trennte sie sich von den Kirchen, die dieses Konzil anerkennen. Mittlerweile herrscht in der Frage nach der Natur Christi ein gemeinsames Verständnis zwischen Kopten und Katholiken. Heute bekennen sich zwischen fünf und elf Millionen Menschen in Ägypten zur koptischen Kirche. In Deutschland gibt es zwei koptische Klöster, die gleichzeitig als Bischofsitz dienen. Damian hat seinen Sitz in Höxter-Brenkhausen (Nordrhein-Westfalen). Zur Zeit leben etwa 20.000 Kopten in Deutschland.