Göttliche Baustelle
Angel Lopez Gillue hat große Mühe, seine Besuchergruppe in dem Trubel beisammen zu halten. Mehr als 15.000 Personen besuchen täglich die Sagrada Familia in Barcelona. Der "Sühnetempel zur Heiligen Familie", der 2010 von Papst Benedikt XVI. persönlich geweiht wurde, ist nicht nur das Wahrzeichen Barcelonas, sondern mit jährlich 3,2 Millionen Besuchern auch eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Spaniens. "Und er ist mit Sicherheit die berühmteste Baustelle der Welt", scherzt Fremdenführer Angel.
Inspiriert von der Natur
Euphorisch beschreibt er, wie sich Architekt Antonio Gaudi (1852-1926) bei der architektonischen Planung des Kirchenschiffs mit seinen gewaltigen bizarren Säulen an einem Wald orientierte. Der Sakralbau, der seit 2005 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, vereine zwar Neugotik und Moderne, sei aber vor allem von der Natur inspiriert, so Angel. Obwohl er ein Mikrofon trägt, muss der Fremdenführer fast schreien, so laut ist das Dröhnen und Hämmern der Presslufthammer.
Linktipp: Sagrada Familia: Fertigstellung bis 2026 geplant
Es läuft nach Plan: 2026 soll der Bau der Sagrada Familia abgeschlossen sein. Nun geht der Bau der weltberühmten Kirche in Barcelona in seine finale Phase. Nach Abschluss der Arbeiten soll der zentrale Christus-Turm der höchste Kirchturm der Welt sein.Doch in spätestens elf Jahren soll es deutlich ruhiger werden in der Sagrada Familia. "Wir hoffen, 2026 - zum 100. Todesjahr Gaudis - den Bau der Basilika beendet zu haben", erklärt Chef-Architekt Jordi Fauli. Das Kirchenschiff, die Geburts- und die Passionsfassade sind größtenteils fertig. "Es fehlen allerdings noch zehn der insgesamt 18 von Gaudi geplanten Türme sowie die Hauptfassade der Herrlichkeit", so Fauli.
Der 56-jährige Katalane ist bereits der neunte Chef-Architekt, seit Gaudi 1882 den Bau der architektonisch wohl außergewöhnlichsten Basilika der Welt begann. "Wir werden Anfang 2016 mit den oberen Teilen der sechs Zentraltürme eine der letzten Bauphasen einleiten. Die Arbeiten an den Türmen könnten 2022 beendet sein. Als Letztes stellen wir dann die Hauptfassade fertig", erläutert Fauli.
Die Türme werden nicht nur wegen ihren filigranen, farbenfrohen und mit Tier- und Sakralsymbolen verzierten Formen und Spitzen hervorstechen, sondern auch aufgrund ihrer Größe. "Der zentrale Jesus-Christus-Turm wird mit 172,50 Metern das Ulmer Münster als höchsten Kirchturm der Welt ablösen", so der Architekt. Dennoch werde er Barcelonas 180 Meter hohen Hausberg Montjuic nicht überragen. "Das war der ausdrückliche Wunsch Gaudis, der nicht die von Gott erschaffenen Naturwerke übertreffen wollte."
Was die Sagrada Familia zu etwas Besonderem mache, sei nicht ihre Höhe oder Dimension, sondern ihre Architektur, die auf eine besondere Weise die Herrlichkeit, die Größe, aber auch das Leiden Christi ausdrücke, meint der Chef-Architekt. Die architektonischen Pläne Gaudis verlangen ihm und den 45 Mitgliedern seines Architektenteams einiges ab.
Finanziert allein durch Spenden und Eintrittsgelder
Dass bis zur kompletten Fertigstellung 2026 insgesamt 144 Jahren verstrichen sein werden, liegt vor allem an den Finanzen. Die Bauarbeiten, die jährlich rund 25 Millionen Euro verschlingen, werden laut dem Statut der Kirchenstiftung ausschließlich aus Spenden und Eintrittsgeldern finanziert. So dankt auch Fremdenführer Angel Lopez Gillue am Ende der Besichtigung "für die Unterstützung dieses Sühnetempels".