Ordensoberin Monika Edinger über den offenen Brief an Horst Seehofer

"Das macht mir Sorgen"

Veröffentlicht am 13.11.2015 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Bonn ‐ Generaloberin Monika Edinger hat den offenen Brief an Horst Seehofer mit unterzeichnet, der die CSU-Flüchtlingspolitk scharf kritisiert. Mit katholisch.de spricht sie über dessen Entstehung, die Vorwürfe von Markus Söder und Rhetorik, die Ängste schürt.

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Frage: Schwester Monika, Sie waren eine der 45 Ordensoberen, die den offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer unterzeichnet haben. Wie ist der Brief entstanden?

Edinger: Wir Ordensleute befinden uns momentan generell in intensiven Gesprächen darüber, wie wir in der Flüchtlingsfrage agieren können. Wir sehen die politische Lage sehr kritisch und wollten deshalb mit dieser gezielten Stellungnahme unsere Stimme für die Menschen erheben. Die Initiative ging von unserer Mitschwester, der Franziskanerin Mirjam Schambeck aus, die den Brief aufgesetzt hat. Wir anderen haben dann aber schnell mitgezogen.

Frage: Hätte man nicht auch auf andere Weise mit Horst Seehofer diskutieren können. Warum gleich ein offener Brief?

Edinger: Eine Woche zuvor haben wir als Generaloberinnen bereits auf europäischer Ebene einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel verfasst, um sie in ihrem Anliegen zu unterstützen, Menschen bei uns willkommen zu heißen. Das wollten wir nun auch Horst Seehofer mitteilen. Wir haben das in Form eines offenen Briefs gemacht, weil wir es als Ordensleute gemeinsam tun wollten, aber auch, weil wir wollten, dass unsere Stimme in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Frage: In dem Brief kritisieren Sie unter anderem die Rhetorik, die der Ministerpräsident benutzt. Was genau meinen Sie damit?

Edinger: Dass es manchmal nicht nur die Inhalte sind, sondern auch die Art und Weise, wie über die Geflüchteten gesprochen wird. Und dass damit unterschwellig Botschaften in die Gesellschaft hineingegeben werden, die wir nicht unterstützen können.

„Barmherzigkeit und Geld in Zusammenhang zu bringen, finde ich mehr als fragwürdig.“

—  Zitat: Schwester Monika über Vorwürfe des CSU-Politikers Markus Söder

Frage: Was für Botschaften sind das?

Edinger: Botschaften, die suggerieren, dass unsere Gesellschaft mit den Flüchtlingen überfordert ist. Das führt dann beispielsweise dazu, den Familiennachzug von Flüchtlingen verhindern zu wollen. Es ist eine Realität, dass es gewisse Ängste in der Bevölkerung gibt. Dennoch werden diese Ängste grundlos weiter geschürt und nicht genommen. Dabei gibt es so viele positive Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingen – bei der Aufnahme wie auch bei der Integration. Und genau darum geht es uns: Wir sehen die Realität sehr wohl. Wir sehen aber zuerst die Menschen und die Not. Deshalb wollen wir die Gesellschaft dahingehend motivieren, diese Not gemeinsam anzugehen.

Frage: Wenn Sie von fragwürdiger Rhetorik sprechen, kann man den Spieß natürlich auch umdrehen. In Ihrem Brief heißt es, man betrachte die Entwicklungen "mit brennender Sorge". So hieß eine Enzyklika von Pius XI., in der der Papst 1937 unter anderem die Ideologie der Nationalsozialisten verurteilte. Schießt dieser Vergleich nicht über das Ziel hinaus?

Edinger: Vielleicht ein wenig. Dennoch ist die Sorge unsererseits da, dass die Stimmung in der Gesellschaft kippt. Es werden immer mehr Stimmen laut, die fordern, Deutschland dicht zu machen und Flüchtlinge nicht mehr aufzunehmen. Es besorgt uns, dass Bürger aufstehen und sich gegen Menschen aus anderen Ländern und Kulturen aussprechen. Das wollen wir auf keinen Fall.

Frage: In Ihrem Brief sprechen Sie auch von "rechtsnationalen Kräften", denen das Klima der Angst in die Hände spielt? Wenn meinen Sie damit? Auch die AfD und Pegida?

Edinger: Ich möchte da weder jemanden konkret beurteilen noch verurteilen. Aber ich denke, dass in Deutschland von einigen Seiten Ängste geschürt werden. Und ja, ich glaube auch, dass rechtsextreme Gruppierungen an diesen Ängsten andocken können, um dann ihrerseits noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Das macht mir Sorgen.

Zur Person

Schwester M. Monika Edinger CSR ist seit 2013 Generaloberin der Er­lö­ser­schwes­tern. Sie stammt aus dem Neckar-Odenwald-Kreis und trat 1988 in die Gemeinschaft ein. 1999 legte sie ihre ewige Profess ab. Die studierte Pädagogin war zunächst als Erzieherin tätig und leitete ab 2000 eine Jugend- und Familienbegegnungsstätte in Bad Kissingen, die 2011 nach Würzburg umzog. Dort war sie auch die Oberin des Konvents.

Frage: Auch wenn es Ängste gibt, nimmt Deutschland ja bereits viel mehr für Flüchtlinge als die anderen europäischen Staaten auf. Was muss sich trotzdem noch tun?

Edinger: Wir Ordensleute glauben erst einmal, dass wir sowohl mit den Flüchtlingen, die bereits da sind, als auch mit denen, die noch kommen werden, umgehen können. Die große Herausforderung wird sein, die Flüchtlinge zu integrieren. Denn viele von ihnen werden hier bleiben. Dazu braucht es ein gutes Konzept, das dann vielleicht auch manche Bedenken zerstreuen kann. Wir sehen zum Glück, dass sich bereits jetzt sehr viele Bürger engagieren. Das allein reicht aber nicht. Denn wir stehen an einem Scheideweg, an dem sich die Politik fragen muss, ob wir uns als gesamter Staat zutrauen, dieser Not entgegen zu gehen, oder ob wir uns abschotten.

Frage: Können wir denn auch Millionen Flüchtlinge integrieren oder braucht es irgendwann eine Grenze?

Edinger: Grenzen waren noch nie eine Lösung. Zäune und Mauern sind auch keine Lösung. Beispiele dafür gab es in der Vergangenheit genug. Wir müssen andere Wege finden.

Frage: Sie fordern von Politikern, mehr für Flüchtlinge zu tun. Bayerns Finanzminister Markus Söder wirft der Kirche dagegen vor, mit Flüchtlingen Geld verdienen zu wollen." Barmherzigkeit braucht keine Miete", sagte er dem "Münchner Merkur". Was halten Sie davon?

Edinger: Barmherzigkeit und Geld in Zusammenhang zu bringen, finde ich mehr als fragwürdig. Die Orden, aber auch die Bistümer sind sicher dankbar, dass die Regierung Flüchtlingsunterkünfte finanziert. Wir wissen das zu schätzen, weil wir das für unsere Arbeit brauchen. Die Kirchen tun finanziell auch sehr viel. Und wir selbst als Ordensgemeinschaft investieren alles, was wir können. Das ist vor allem Personal – und zwar fast rund um die Uhr. Diese Ersthilfe ist besonders wichtig. Denn die Flüchtlinge brauchen Menschen, die für sie da sind. Für ihre Fragen, für ihre kleinen und großen Anliegen. Das investieren wir. Wenn der Staat diesen Aufwand bezahlen müsste, dann wären die Kosten erheblich.

Von Björn Odendahl