Viele Kirchenzeitungen kämpfen um ihre Existenz

Reif fürs Museum?

Veröffentlicht am 19.11.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medien

Bonn ‐ Aus dieser Zeile spricht tapferer Trotz: "Es ist nicht das Ende." Redakteure der traditionsreichen "Frankfurter Rundschau" (FR) formulierten diesen Satz in eigener Sache – einen Tag nachdem ihr Unternehmen in der vergangenen Woche Insolvenz hatte anmelden müssen. Viele befürchten, dass mit dem Aus der FR nun das große Zeitungssterben in Deutschland beginnt. Auch katholische Kirchenzeitungen könnte es schon bald treffen.

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In der guten alten Zeit war zumindest einiges besser. So mag manch ein katholischer Chefredakteur oder Verleger denken. So selbstverständlich wie der Kirchgang am Sonntag war einst auch das Abonnement der jeweiligen Bistumszeitung. Beides gilt schon lange nicht mehr. Noch 1994 hatten alle 24 Regionaltitel der deutschen Diözesen eine Gesamtauflage von 1,3 Millionen Exemplaren. Nicht einmal 20 Jahre später hat sich die Auflage halbiert: 2012 beziehen nur noch gut 600.000 katholische Haushalte in Deutschland "ihre" Bistumszeitung. Sicher, das ist immer noch eine beachtliche Zahl. Viele dieser Zeitungen gehen durch mehrere Hände und erreichen damit weit mehr Leser als es die offizielle Auflagenstatistik hergibt. Und doch geht es für einige der traditionsreichen Titel längst um die nackte Existenz.

Bereits kurz vor dem Exitus steht offenbar das "Ruhrwort" in Essen. Insider der katholischen Verlagsszene erzählen sich hinter vorgehaltener Hand, dass Aus der Zeitung sei von der Bistumsleitung längst beschlossen. Pressesprecher Ulrich Lota will das nicht bestätigen, verweist auf "laufende Gespräche". In den 1960er Jahren galt das Wochenblatt aus dem Ruhrbistum einmal als innovatives Aushängeschild katholischer Publizistik. Heute erreicht die Zeitung gerade noch etwas mehr als 15.000 Abonnenten. Offensichtlich will das Bistum den lebensnotwendigen Zuschuss nicht mehr zahlen und sucht nach alternativen Medienkonzepten.

Keine verlängerte Kanzel

Dass es mit der Kirchenpresse so dramatisch bergab geht, liegt sicher nicht an den Journalisten, die jede Woche diese Zeitungen produzieren. Die Zeiten, in denen Bischöfe ihr Bistumsblatt als verlängerte Kanzel verstanden, sind längst vorbei. In den allermeisten Redaktionsstuben sitzen hervorragend ausgebildete Journalisten, die ihr Handwerk verstehen. Viele Zeitungen machen einen frischen Eindruck und bieten ihrer Leserschaft Orientierung in Glaubens- und Lebensfragen. Das ist das Ergebnis vielfacher Anstrengungen, die Zeitungen an den Bedürfnissen der Abonnenten auszurichten.

Der letzte große Wurf dieser Art liegt nun allerdings schon einige Jahre zurück. Unter der Überschrift "Zukunft Bistumspresse" hatte die Deutsche Bischofskonferenz 2004 eine Gruppe von weltlichen und kirchlichen Medienleuten gebeten, eine mustergültige Kirchenzeitung zu entwickeln. Gedacht war das, was dort als Dummy mit dem Namen "Der Sonntag" herauskam, als Modell. Alle Bistumszeitungen in Deutschland sollten sich daran bedienen dürfen.

Das Ruhrwort, die Kirchenzeitung im Bistum Essen, bangt laut Insidern um seine Existenz.
Bild: ©Ruhrwort

Das "Ruhrwort", die Kirchenzeitung im Bistum Essen, bangt laut Insidern um seine Existenz.

Soweit die Idee. Tatsächlich den Dummy in die Realität umgesetzt haben die in der Verlagsgruppe Bistumspresse kooperierenden Zeitungen. Die acht Titel erscheinen allesamt im gleichen Format mit einem überregionalen Teil aus einer Zentralredaktion und Regionalseiten aus der jeweiligen Bistumsredaktion. Andere Zeitungen blieben abseits und beobachteten das Projekt "Zukunft Bistumspresse" aus der Ferne.

Fünf Prozent Auflagenschwund pro Jahr

Seitdem hat sich der Wandel der Medienwelt - und damit auch der Auflagenverlust der Kirchenpresse - rasant beschleunigt. Jedes Jahr verlieren die Titel mehr als fünf Prozent ihrer Auflage. Ein echtes Aufbäumen gegen diesen Trend gibt es nicht - auch wenn einige Verlage an alternativen Magazinen basteln. In den meisten Häusern scheint stille Resignation zu herrschen. "Wir haben die letzten 15 Jahre verschlafen", sagt selbstkritisch einer der Verleger.

Immer noch erscheinen die katholischen Kirchenzeitungen in Deutschland in den verschiedensten Druckformaten. Vom Magazin bis zum klassischen Tageszeitungsformat ist beinahe alles zu finden. Für die zusammen mit den evangelischen Titeln gemeinsam betriebene Agentur "Konpress" ist es da beinahe unmöglich, im Werbemarkt umsatzstarke Anzeigenaufträge an Land zu ziehen. Vor allem aber das Beispiel Essen zeigt, dass manche Bistümer offenbar lieber ihre Kirchenzeitung untergehen lassen, statt mit anderen Verlagen in eine Kooperation einzutreten. Dabei zwingen der Wandel in der Medienlandschaft und der Prozess rückläufiger Kirchenbindung die Zeitungen eigentlich zur Konzentration. Das Wissen darüber ist auch in Kirchenkreisen weit verbreitet. Jedoch es fehlen die strategischen Entscheidungen.

Immerhin: Im kommenden Januar wird ein sogenannter "Koordinator Bistumspresse" seine Arbeit aufnehmen. Mit Dienstsitz im Katholischen Medienhaus in Bonn (wo auch katholisch.de seinen Sitz hat) soll er im Auftrag mehrerer Verlage einen Austausch von Artikeln und Fotos zwischen den Zeitungen organisieren. Ein Job, der Herkuleskräfte und vor allem viel Überzeugungskraft nötig hat. Bleibt die Trendwende aus, dann können sich gleich mehrere katholische Kirchenzeitungen schon bald einen Platz neben der "Frankfurter Rundschau" im Zeitungsmuseum aussuchen.

Von Bernhard Remmers

Zur Person

Bernhard Remmers (54) war von 1994 bis 2007 Chefredakteur der Verlagsgruppe Bistumspresse in Osnabrück. Als freier Journalist arbeitet er heute unter anderem für die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" und für den "Weser Kurier".