Die Christen: meistverfolgte und -bedrängte Minderheit weltweit

Schlimmer als im Alten Rom?

Veröffentlicht am 26.12.2015 um 15:15 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Eine Christ in Pakistan demonstriert für seine Rechte.
Bild: © KNA
Christenverfolgung

Bonn/Hamburg ‐ Am zweiten Weihnachtstag gedenkt die Kirche des ersten christlichen Märtyrers Stephanus und aller verfolgten Christen weltweit. Auch Papst Franziskus rief via Twitter zum Gebet auf. Die Christen sind die meistverfolgte und -bedrängte Minderheit weltweit.

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Tragfähige niedrigere Zahlen nennen sie in ihrem "Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" aber ebensowenig wie das US-Außenministerium in seinem internationalen Jahresbericht zur Religionsfreiheit. Häufig wird formuliert, die Christen seien nicht nur die größte, sondern auch die zahlenmäßig am meisten bedrängte Religionsgruppe weltweit, gefolgt von Muslimen.

Fast drei Viertel der Weltbevölkerung leben nach Angaben des US-Forschungsinstituts Pew Research Center in Ländern mit religiösen Repressionen; 2011 waren es demnach erst 50 Prozent. In fünf der sieben bevölkerungsreichsten Länder der Welt mit insgesamt 3,3 Milliarden Einwohnern (bei 7,3 Milliarden Menschen weltweit) werden Christen auf die ein oder andere Art wegen ihres Glaubens verfolgt: in China, Indien, Indonesien, Pakistan und Nigeria.

Der weitaus größte Teil von Ländern hat eine muslimische Bevölkerungsmehrheit

Der weitaus größte Teil von Ländern mit massiver Christenverfolgung hat eine muslimische Bevölkerungsmehrheit. Dazu kommen einige kommunistische, kommunistisch verbrämte oder sonstige Diktaturen in Asien sowie eine stark zunehmende Zahl von Konfliktstaaten in Afrika - wo zudem islamistischer Terror deutlich auf dem Vormarsch ist.

Der mit Abstand wichtigste Beweggrund für Christenverfolgung weltweit ist islamischer Extremismus, sei es als Fundamentalismus (Verweigerung von Religionsfreiheit etc.) oder in Form von Gewalt und Terrorismus (IS, Al-Kaida, Taliban, Al-Shabaab, Boko Haram). Zweiter Hauptgrund für Christenverfolgung sind verschiedene Formen von Despotismus, etwa im kommunistischen Nordkorea, in Vietnam oder in China.

Eine exakte Definition und Bezifferung von Verfolgung ist äußerst schwierig, gibt es doch die unterschiedlichsten Spielarten und Empfindungen von Verfolgung und Verfolgtsein. Am augenfälligsten ist Gewalt: Hinrichtung, Ermordung, Verstümmelung, Geiselnahme, Versklavung. Andere, durchaus wirksame, sind behördlicher oder sozialer Druck, Ächtung in allen Lebensbereichen, Konversions- und Blasphemiegesetze, Ungleichheit vor dem Gesetz, Drohungen, Schock durch Einzeltaten (Pakistan), politische oder berufliche Benachteiligung, Diskriminierung in Schule und Bildung sowie die Beschränkung der Religions- und Kultusfreiheit.

Engagierte Christen sind den Drogenbaronen moralisch im Weg

Eine weitere staatliche Praxis sind Gewährenlassen und Straffreiheit, zum Beispiel bei spontanen oder organisierten Mobs (Indien) oder auch in von Drogenkriminalität geplagten Ländern Südamerikas wie Kolumbien oder Mexiko, wo engagierte Christen den Drogenbaronen moralisch im Weg sind.

Am einfachsten zu bewerkstelligen scheint Christenverfolgung dort zu sein, wo staatliche Strukturen äußerst schwach (Somalia, Afghanistan, Irak) oder besonders stark ausgebildet sind (Nordkorea, Saudi-Arabien). Im konfliktfreien, aber stark regulierten Singapur gibt es eine staatlich verordnete Religionsfreiheit; Proselytenmacherei ist streng untersagt. Die einzige Gruppe, die zuwiderhandelt und den durch staatlichen Druck erzwungenen religiösen Frieden stört, sind (evangelikale) Christen, die in anderen Vierteln missionieren.

Bild: ©dpa

Nordkorea steht seit Jahren auf Platz 1 des "Weltverfolgungsindexes" von Open Doors.

Sehr schwierig ist die Abgrenzung bei blutigen Konflikten, die entlang ethnisch-religiöser Linien verlaufen, so etwa in der Zentralafrikanischen Republik, in Zentralnigeria oder in den Grenzzonen zwischen dem Sudan und dem Südsudan. Im ersten Fall geht es um soziale Hoffnungslosigkeit, im zweiten um Herden und Land, im dritten um Öl.

In Burundi droht ein neuer Völkermord zwischen zwei christlichen Ethnien

Ein Gegenbeispiel: In Burundi droht ein neuer Völkermord zwischen zwei christlichen Ethnien. Niemand würde aber dort von Christenverfolgung sprechen. Robert Mugabe in Simbabwe oder die Chavisten in Venezuela lassen ihr Volk verelenden; Christen hungern oder werden eingesperrt - ist das auch Christenverfolgung?

Ein in den gängigen Statistiken nicht beachteter, weil nicht messbarer Faktor ist die mittelbare Christenverfolgung. Hier dürfte der westliche Bündnispartner Saudi-Arabien weltweit an der Spitze liegen. Mit Milliarden Dollars haben die Saudis unzählige symbolträchtige Moscheen finanziert und damit das interreligiöse Klima in moderat muslimischen Ländern wie dem Kosovo vergiftet. Und woher kommen Waffen und Material des IS? Konsequent zu Ende gedacht, würde das allerdings auch deutsche, französische und US-amerikanische Rüstungsexporteure zu mittelbaren Christenverfolgern machen.

Papst Franziskus prangert Schweigen an

Papst Franziskus hat der westlichen Welt ein "beschämendes Schweigen" angesichts von Verfolgung und Bedrohung der Christen im Nahen Osten, Afrika und Asien vorgeworfen. "Beten wir für die Christen, die in der Verfolgung leben, oft unter dem beschämenden Schweigen so vieler Mitmenschen", heißt es in einer am Samstag verbreiteten Twitter-Botschaft. Zum Abschluss des traditionellen Angelus-Gebets auf dem Petersplatz rief der Papst am gleichen Tag zum Gebet für die verfolgten Christen in aller Welt auf, die wie der heilige Stephanus wegen ihres Glaubens verfolgt würden. "Leider sind das sehr viele", so Franziskus. (KNA)
Von Alexander Brüggemann (KNA)