Wenn Beten spaltet
Statt Toleranz und gegenseitiges Verständnis zu fördern, macht sich Unfrieden zwischen den unterschiedlichen Nutzern breit. Hauptvorwurf: Fromme Muslime nähmen den Raum für rituelle Gebete in Beschlag, die anderen blieben außen vor.
Diskriminierung von Muslimen?
Prominentestes Beispiel: Die Technische Universität Dortmund. Dort wurde der "Raum der Stille" kürzlich geschlossen, weil muslimische Studenten ihn als Gebetsraum vereinnahmt haben sollen. Frauen sei nur der Zugang zu einem bestimmten Teil gestattet worden - abgetrennt vom Männerbereich. Die Uni machte daraufhin den Raum dicht. Ein Vorgang, der wiederum sogar die Fachstelle für Religionsgutachten in Ägypten empörte. Sie reagierte mit einer Stellungnahme auf die Schließung und bezeichnete sie als Diskriminierung von Muslimen.
Auch die Schulen in Niedersachsen beschäftigt derzeit dieses Thema. Dort gibt es Befürchtungen, der geplante Staatsvertrag des Landes mit muslimischen Verbänden führe zu eigenen schulischen Gebetsräumen für Muslime. Eine Sorge, die unbegründet sei, betont die Sprecherin des Kultusministeriums, Susanne Schrammar. Der Vertragsentwurf spreche nur von "Gebetsmöglichkeiten", deren Einrichtung aber nach wie vor nicht verpflichtend sei. Dies könne ein "Raum der Stille" sein, der aber dann allen Schülern offenstehe, "die beten möchten oder Ruhe suchen". Ein Plan, mit dem der Vorsitzende des Moscheen-Verbandes Schura Niedersachsen, Avni Altiner, durchaus einverstanden ist: "Wir wollen keine Extrawurst. Ein gemeinsamer Gebetsraum an Schulen trägt dazu bei, Misstrauen abzubauen und den religiösen Dialog zu fördern."
Verbot des Mittagsgebets
Schulleiterin Brigitte Burchardt vom Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding sieht die öffentliche Ausübung von Religion an Schulen dagegen kritisch. Sie verbot einem muslimischen Schüler 2011, während der Pause sein Mittagsgebet nach islamischem Brauch zu verrichten, weil dies den Schulfrieden störe: Andere Schüler hatten sich durch das Gebet auf dem Gang beeinträchtigt gefühlt. Das Bundesverwaltungsgericht gab ihr Recht. Allerdings betonten die Leipziger Richter, es handle sich um eine Einzelfallentscheidung. Schüler seien grundsätzlich berechtigt, in ihrer Schule auch öffentlich zu beten. Die Religionsfreiheit finde aber dann ihre Schranken, wenn dies den Schulfrieden gefährde.
Die damalige Empfehlung der Richter, die Einrichtung eines "Raumes der Stille" oder Gebetsraumes zu prüfen, um religiösen Schülern ein Gebet zu ermöglichen, findet Burchardt auch heute noch problematisch. "Wir haben keinen Raum der Stille oder Ähnliches", sagt die Direktorin, an deren Schule mehr als 30 Nationen vertreten sind. Ein solcher Raum sei seit dem damaligen Fall nicht mehr nötig gewesen. Und die Möglichkeit, ein stilles Gebet zu verrichten, hätten die Schüler schließlich jederzeit - nur eben kein öffentliches Ritualgebet.
„Vor allem muss es ein Konzept geben, dass von der Schulgemeinschaft getragen wird. Und es muss ein Angebot sein, das jede Gruppe zum Zuge kommen lässt. Dann klappt es gut.“
Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, befürwortet dagegen grundsätzlich die Einrichtung eines allen offen stehenden "Raumes der Stille" an Schulen. Diese gebe es allerdings eher selten. "Von 40.000 Schulen in Deutschland haben rund 1.000 ein solches Angebot. Es müssen erst einmal entsprechende Räumlichkeiten vorhanden sein ebenso wie Aufsichtspersonal", erklärt er. "Vor allem muss es ein Konzept geben, dass von der Schulgemeinschaft getragen wird. Und es muss ein Angebot sein, das jede Gruppe zum Zuge kommen lässt. Dann klappt es gut", so Meidinger.
"Das gefährdet den Schulfrieden"
Er kennt auch problematische Fälle an Schulen, bei denen es zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Religionen um den Raum komme - "zwischen Sunniten und Schiiten etwa. Das sind aber eher Einzelfälle". Von einem extra Gebetsraum für Muslime rät der Schulleiter eines bayerischen Gymnasiums ab: "Das gefährdet meiner Meinung nach den Schulfrieden und das Neutralitätsgebot."