Erster Diplomstudiengang für Ikonenmalerei eingeführt

Auf der Suche nach Licht und Schatten

Veröffentlicht am 24.02.2016 um 11:27 Uhr – Von Andrea Krogmann (KNA) – Lesedauer: 
In der Ikonenmalschule in Bethlehem lernen palästinensische Studierende in einem Diplomstudiengang die Kunst der Ikonenmalerei.
Bild: © KNA
Bildung

Bethlehem ‐ Ikonen könnten palästinensischen Schulabsolventen einen Weg in eine Berufskarriere öffnen. Ein neuer Studiengang in Bethlehem soll die angehenden Künstler professionell vorbereiten - und eine alte Tradition wiederbeleben.

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"Wenn man anfängt, das zu sehen, ist es bis in den Kopf vorgedrungen." Konzentrierte Stille umgibt die Studentinnen beim Versuch, das Gehörte vom Kopf auf das Papier zu bringen.

Über Jahrhunderte waren Ikonen eines der wichtigen Handwerke im Heiligen Land, bevor es spätestens in den 1940er Jahren in Vergessenheit geriet. Ein neuer Diplomstudiengang an der vor einem Jahr eröffneten Ikonenschule in Bethlehem will die alte Tradition wiederbeleben. In Zusammenarbeit mit der Londoner "Prince's School of Traditional Arts" sollen einheimische Talente eine spirituelle, künstlerische und professionelle Ausbildung erhalten: zwei Jahre Studium mit sechs Blockkursen von je acht Wochen, an deren Ende eine Bewertung durch einen externen Prüfer und ein Diplom der Königlichen Kunstschule steht.

Die Teilnehmerinnen im ersten Kurs: Mona, Madeleine und Lorees aus Bethlehem, Rosette aus Beit Dschalla, Tzoghig aus Jerusalem. Fünf Palästinenserinnen, Christinnen, Familienfrauen. Der Kurs sei für sie eine Hilfe für die Stärkung im Glauben, sagt die armenische Christin Tzoghig. "Früher bin ich aus Tradition zur Kirche gegangen; jetzt weiß ich, warum ich was mache", ergänzt Mona.

Der Leiter der Ikonenmalschule, Ian Knowles, zeichnet eine Skizze mit Bleistift.
Bild: ©KNA

Der Leiter der Ikonenmalschule, Ian Knowles, zeichnet eine Skizze mit Bleistift.

Diese "neue alte Art, Bethlehem der Welt zu zeigen", sei sehr besonders, sagt Rosette. Sie sieht darin einen wichtigen Beitrag für die Christen im Heiligen Land. "Wenn wir ernsthaft daran arbeiten, können wir die Tradition zurückbringen und für die Zukunft und die unserer Kinder erhalten." Der "Mangel an Kunst und Kunsterziehung" könne durch Projekte wie die Ikonenschule verbessert werden, glaubt auch Mona.

Mit dem Diplom ist den Absolventen ein Platz als "Junior-Ikonograph" im Bethlehemer Ikonenzentrum sicher. 80 Prozent des Verkaufspreises einer Ikone gehen dann an den Künstler, 20 Prozent fließen in den Unterhalt der Schule. Doch nicht alle Studentinnen wollen später mit Ikonen ihr Geld verdienen. "Wenn Gott mir die Jahre schenkt, werde ich für das Zentrum arbeiten, aber Geld mag ich für meiner Hände Arbeit nicht!", sagt Rosette.

Alternative zur Arbeitslosigkeit

Der wirtschaftliche Faktor ist für Ian Knowles dennoch bedeutsam. Künftig will er deshalb auch Schulabgänger gewinnen. "Wie viele Kommunikationswissenschaftler oder Betriebswirte stehen nach dem Abschluss vor der Arbeitslosigkeit? Wir bieten dagegen eine Karriere, wir schaffen Arbeitsstellen, und wir haben mit dem Zentrum eine Marke geschaffen", sagt der Brite. Die Ortsmarke Bethlehem zieht und bringt Aufträge aus dem Ausland; die Abhängigkeit von schwankenden Touristenzahlen im krisengeschüttelten Nahost ist damit gering.

Linktipp: Ikonenmalerei: Verkündigung in Bildern

Es gibt viele Wege, das Evangelium zu verkündigen. Einer davon ist zum Beispiel die Ikonenmalerei, die auch Alexander Rich aus Breisach am Rhein für sich entdeckt hat.

Obwohl die Nachfrage nach den Arbeiten aus Bethlehem die Kapazität übersteigen, steht die spendenfinanzierte Einrichtung unter Druck. "Wir sind zu klein, um große Spender anzuziehen", sagt Ian Knowles.

Derzeit funktioniert die Schule, die neben dem Intensiv-Diplomstudiengang noch Langzeitkurse und Workshops anbietet, mit einem Jahresbudget von knapp 20.000 Euro. Kursgebühren werden in der Regel nicht erhoben, nur die Diplomstudentinnen beteiligen sich mit jährlich 275 Euro an den Mehrkosten durch die britisch-palästinensische Kooperation. 65.000 Euro, schätzt der Brite, würden benötigt, um die Infrastruktur auf den neuesten Stand zu bringen.

Auf den Vorteil des familiären Miteinanders von Lehrendem und Lernenden möchte der Gründer der Ikonenschule jedoch nicht verzichten: "Wir sind eine kleine Gemeinschaft, in der Sorge für den Anderen vor dem Egoismus steht. Hier gibt es keine Besatzung, sondern Vertrauen und normale Beziehungen."

Von Andrea Krogmann (KNA)