Bernhard Rathmer ist Krankenhausseelsorger im Mathias-Spital in Rheine

"Rosa Zuckerguss hilft keinem"

Veröffentlicht am 12.03.2016 um 13:15 Uhr – Lesedauer: 
Bistum Münster

Rheine ‐ Er kümmert sich um Patienten, die an Krebs erkrankt sind, und um Eltern von tot geborenen Kindern. Beides keine einfachen Aufgaben. Dennoch ist Bernhard Rathmer gerne Seelsorger im Rheiner Mathias-Spital.

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Der Wettringer wollte unbedingt in den Krankenhausdienst. Nach einer Zeit als Pastoralreferent in der Gemeinde und als Ausbilder im Institut für Diakonat und Pastorale Dienste (IDP) wechselte er vor 16 Jahren ins Mathias-Spital. "Kranksein ist für viele eine Ausnahmesituation", weiß Rathmer aus Gesprächen. Dass andere in dieser Phase für sie da sind, schätzen Patienten als wertvolle Erfahrung. Loswerden zu können, was einem auf der Seele liegt, der Diakon ist ein geduldiger Zuhörer. Die meisten mögen ihren Angehörigen nicht sagen, welche Ängste sie umtreiben, um die Familie nicht noch mehr zu belasten. Bei Rathmer fühlen sie sich frei, trauen sich, von ihren Gefühlen zu erzählen.

Stationsweise haben sich der Diakon und die anderen Seelsorger das Mathias-Spital aufgeteilt: "Die Konfession spielt für uns keine Rolle." Viele Patienten hätten sowieso längst keinen Draht mehr zur Kirche. Rathmer glaubt aber zu spüren, dass es ihnen gut tut, wenn jemand auf sie zukommt, den Kontakt zu ihnen sucht. In der Rolle eines Missionars sieht er sich jedoch nicht: "Christus ist da, wir Menschen müssen ihn nicht irgendwo hinbringen."

Spontan und unaufdringlich

Mehrmals in der Woche geht er von Zimmer zu Zimmer – ohne sich anzukündigen: "Man merkt sehr schnell, wer mit einem sprechen möchte und wer lieber nicht." Der Seelsorger drängt sich nie auf. Dankbar ist er, wenn das Pflegepersonal sensibel ist und ihm Hinweise gibt, bei wem er mal anklopfen sollte. Viele seiner Patienten sind an Krebs erkrankt, aber auch um die Eltern von tot geborenen Kindern kümmert sich der Diakon. Beides keine einfachen Aufgaben: "Ich kann denen nicht sagen, alles wird gut."

Die sieben Werke der Barmherzigkeit

Papst Franziskus hat ein "Jahr der Barmherzigkeit" ausgerufen, das am 8. Dezember 2015 begonnen hat und am 20. November 2016 enden wird. Dieses Jahr richtet den Blick unter anderem auf die sieben Werke der Barmherzigkeit, die das Christentum aus der Bibel ableitet: "Hungrige speisen", "Durstige tränken", "Fremde beherbergen", "Nackte bekleiden", "Kranke besuchen", "Gefangene besuchen" und "Tote bestatten".

Was tröstet die Menschen in ihrem Leid? Diese Frage hat sich der 57-Jährige unzählige Male gestellt. Nach dem Tod eines Kindes mit den Eltern die ersten Schritte gehen, das kann helfen. Oder Wut aushalten, sein Gegenüber weinen, schimpfen lassen. "Aber bloß keinen rosa Zuckerguss über alles gießen", warnt er. Schöne Worte alleine, sagt der Diakon, seien keine Lösung. Häufig sogar vermessen: "Wer weiß schon als Gesunder, wie sich ein an Krebs Erkrankter fühlt."

"Mit manchen kann man locker reden und lachen"

Ehrlichkeit gegenüber seinen Patienten ist Rathmer bei allem, was er tut, wichtig. Vor schwierigen Entscheidungen gibt er ihnen zu verstehen, dass er bereit ist, sie zu begleiten: "Aber ich mache ihnen auch deutlich, dass es nicht um mein Schicksal geht und ich ihnen nicht die Verantwortung abnehmen kann."

Krankenbesuche müssen nicht immer ernst und nachdenklich sein: "Mit manchen kann man locker reden und lachen." Schöne Momente – trotz aller Gewissheit, dass der Tod oft unausweichlich ist. Der Diakon kann sie genießen. Und sie machen es ihm leichter, das Schwere bei seiner Arbeit als Seelsorger auszuhalten. "Wenn ich alle Problemfälle mit ins Bett nähme, würde ich selbst krank." Der abendliche Abschluss in der Kapelle ist für Rathmer wie das Ablegen der Tageslast: "Ich stelle mich vor Gott und sage: In der Nacht übernimmst du, ich bin jetzt weg."