Evangelischer Pfarrer Lothar König soll Demonstranten aufgewiegelt haben

Pastor vor Gericht

Veröffentlicht am 04.04.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Rechtsextremismus

Dresden/Bonn ‐ In Dresden hat am Donnerstag der Prozess gegen den evangelischen Pastor Lothar König (59) begonnen. Der Stadtjugendpfarrer von Jena muss sich wegen schweren Landfriedensbruchs verantworten. Er soll vor zwei Jahren bei Demonstrationen gegen Neonazis in Dresden zur Aufwiegelung der Protestler gegen die Polizei beigetragen haben. König bestreitet die Vorwürfe. Der Prozessauftakt wurde vom Protest mehrerer Initiativen am Gerichtsgebäude begleitet.

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Mit scharfen Angriffen wandte sich der Verteidiger Königs gegen die Staatsanwaltschaft. Anwalt Johannes Eisenberg stellte den Antrag, die Anklageschrift nicht zu verlesen und sagte Medienberichten zufolge, dass die Staatsanwaltschaft während der Ermittlungen "zu faul" gewesen sei, um wichtige Tatsachen zu ermitteln. Er warf der Anklagevertreterin vor, schon vor Beginn der Ermittlungen in seinem Mandanten "den Teufel auf Erde" gesehen zu haben, der über Dresden gekommen sei. Die zweite Verteidigerin Königs beklagte, dass die Anklageschrift diffus sei und dem Angeklagten keine konkrete Straftat vorwerfe, sondern lediglich das Demonstrationsgeschehen in Dresden am 19. Februar 2011 beschreibe.

König hatte damals an einer Protestaktion gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten teilgenommen. Dabei soll er von einem Lautsprecherwagen aus zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben. Zudem soll er Verdächtige in sein Auto aufgenommen haben. Bei den Demonstrationen war es zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Anhängern der linken und rechten Szene gekommen. Rund 100 Polizisten wurden verletzt.

Zur Person: Lothar König

Lothar König ist ein bekannter evangelischer Pfarrer in Sachsen. Er wurde am 11. März 1954 im thüringischen Nordhausen geboren und absolvierte in der damaligen DDR zunächst eine handwerkliche Ausbildung. 1975 begann er eine Ausbildung zum Diakon und studierte im Anschluss Theologie in Erfurt und Jena. Ab 1986 Pfarrer, engagierte er sich mit jungen Christen gegen die Staatsmacht und organisierte Montagsdemonstrationen in Merseburg. Seit dem Mauerfall ist er Stadtjugendpfarrer in Jena und organisiert unter anderem Aktionen gegen Neonazis. Für dieses Engagement wurden er und die Räume des Jugendtreffs mehrfach von Neonazis angegriffen und König 1997 schwer verletzt. 2003 drehte der MDR einen Dokumentationsfilm mit dem Titel "Königskinder – wie ein Pfarrer seine Stadt provoziert" über den Pastor und die Straßenkinder, um die er sich kümmert. (luk)

Der Pfarrer sagte am ersten Prozesstag, dass er sich zu Unrecht angeklagt sehe. "Bin ich Staatsterrorist oder bin ich ein Staatsbürger?", fragte er. Er habe zusammen mit anderen couragierten Menschen gegen den alljährlichen Neonazi-Aufmarsch am Jahrestag der Zerstörung Dresdens 1945 protestiert, damit dieses Datum nicht von Rechten vereinnahmt werden könne. Es sei nicht darum gegangen, gegen Polizisten zu demonstrieren.

Seit Jahren gibt es um den 13. Februar in Dresden Neonazi-Aufmärsche. Die Rechtsextremisten wollen dabei der Bombardierung und Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg "gedenken". An den Protesten gegen die Aufmärsche beteiligen sich auch die Kirchen.

Razzia als König im Urlaub war

Der Anklage gegen König ging Mitte 2011 eine Razzia der sächsischen Polizei in dessen Dienst- und Wohnräumen in Jena voraus. Die rund 30 Polizisten beschlagnahmten in Abwesenheit Königs einen Computer, Unterlagen und den VW-Bus, mit dem der Pfarrer an der Demo teilgenommen hatte. Die Razzia war unter anderem in der evangelischen Kirche auf scharfen Protest gestoßen. Seine Kirche stehe hinter ihm, sagte König vor dem Prozess.

Nicht nur das Verfahren gegen den Pastor ist umstritten. Das Verhalten der Polizei und der sächsischen Behörden bei der Gegendemonstration vom 19. Februar 2011 sorgt bis heute für Diskussionen. Kritisiert werden Ungereimtheiten wie die massenhafte Datenerfassung über Funkzellenabfragen, bei der hunderttausende Verbindungen von Demo-Teilnehmern und Unbeteiligten gespeichert worden waren.

Verhalten der sächsischen Behörden sorgen für Unverständnis

Außerdem sorgten fehlerhafte Hausdurchsuchungen und weitere Maßnahmen der sächsischen Behörden bundesweit für mediale Aufmerksamkeit und Unverständnis. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitete rund 1.000 Verfahren ein; in fast 350 Fällen wird Demonstranten schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen.

Für den Prozess gegen König sind bis zum 20. Juni sieben Verhandlungstermine angesetzt. Er sollte ursprünglich bereits am 19. März am Amtsgericht Dresden beginnen. Königs Anwalt hatte jedoch in den Prozessakten kurz zuvor ihm unbekannte Dokumente entdeckt. Daraufhin verschob das Gericht die Prozesseröffnung. (luk/KNA)