"Schwarzer Papst" nicht bis zum Tod
Der Spanier Nicolas, zuvor bis 2008 Moderator der Jesuiten-Konferenz für Ostasien und Ozeanien mit Sitz auf den Philippinen, ist der 29. Nachfolger des Ordensgründers Ignatius von Loyola (1491-1556). Er ging 1964 nach Japan und studierte in Tokio Theologie. Später lehrte er selbst an der dortigen Sophia-Universität.
Nicolas wird am Freitag (29. April) 80 Jahre alt - ein Alter, in dem Kardinäle ihr Recht zur Papstwahl verlieren. Eigentlich aber amtieren die Generaloberen der Jesuiten, wegen ihrer einstigen Machtfülle und mit Blick auf die Ordenstracht auch "schwarzer Papst" genannt, seit fast 500 Jahren auf Lebenszeit.
Zwei Päpste inspirierten die Jesuiten zum Wandel
Mit dem Niederländer Peter Hans Kolvenbach (1983-2008) trat erstmals ein Jesuitengeneral freiwillig vorzeitig von der Ordensleitung zurück. Diese Neuerung leitete freilich ein anderer ein: Nach einem Schlaganfall von General Pedro Arrupe (1964-1981) setzte - auf dem Höhepunkt einer Krise des Ordens - Papst Johannes Paul II. zwei Stellvertreter für den gewählten Amtsinhaber ein. Ein Eingriff des Papstes in die Eigenständigkeit des Ordens, der damals durchaus auf Kritik stieß.
Mithin sind es zwei Päpste der jüngsten Vergangenheit, die die Leitung der "Gesellschaft Jesu" zu einem historischen Wandel inspirierten: der Steuermann der Weltgeschichte Johannes Paul II. (1978-2005) und der deutsche Benedikt XVI. (2005-2013) - der den Mut hatte, erstmals seit dem Mittelalter die Karte eines päpstlichen Amtsverzichts qua Alter zu ziehen.
Damit wurden 2013 offenbar gleich zwei neue Entwicklungen losgetreten. Erstens: Auf Benedikt XVI. folgte Franziskus, eine Sensation als erster Jesuit auf dem Papstthron; Vertreter einer Gemeinschaft, der qua Ordensregel eingeschärft ist, niemals nach kirchlichen Ämtern zu streben. Und zweitens: Wer qua Tradition lebenslänglich hat, muss nicht mehr zwangsläufig auch lebenslänglich bleiben.
Der "schwarze Papst" Nicolas folgt darin dem "weißen Papst" Benedikt XVI.: Wer glaubhaft angeben kann, seine Kräfte reichten nicht mehr aus, der darf ehrenhaft das Zepter weitergeben. Die polnische Lesart der Schule Johannes Pauls II. lautete vor wenigen Leidensjahren noch: Vom Kreuz steigt man nicht herab.
80-Jahre-Grenze bei Papst, Orden und Kardinälen?
Der Kreis zwischen Päpsten und Jesuiten schließt sich, liest man den Brief des nun bald scheidenden Generals Nicolas weiter. Papst Franziskus - selbst Jesuit - trage seine Entscheidung zum Amtsverzicht mit, heißt es darin; zumindest habe er die Idee mit ihm und mit vielen Jesuiten-Provinzialen weltweit diskutiert.
Zur Person: Adolfo Nicolas SJ
Adolfo Nicolas Pachon (* 29. April 1936) trat 1953 bei den Jesuiten ein und ging nach seinem Noviziat im spanischen Toledo als Missionar nach Japan, wo er 1967 zum Priester geweiht wurde. Von 1968 bis 1971 schrieb er seine theologische Doktorarbeit an der Universität Gregoriana in Rom, anschließend erhielt er eine Professur für Systematische Theologie in Tokio. Von 1978 bis 1984 war Nicolas Direktor des Pastoralinstituts von Manila, von 1993 bis 1999 leitete er die japanische Provinz seines Ordens. Seit 2004 war er Moderator der "Jesuit Conference of East Asia and Oceania". Im Januar 2008 wurde er in Rom zum Generaloberen der Jesuiten gewählt. Nicolas gilt als unkomplizierte und ruhige Persönlichkeit "ohne Allüren". Er nehme in der römischen Ordenszentrale die Mahlzeiten mit seinem Mitbrüdern gemeinsam ein, was für einen Jesuitengeneral keineswegs selbstverständlich sei, ist aus dem Orden zu hören. Nicolas' Amtszeit war vor allem durch die Neustrukturierung des Ordens geprägt. Vor dem Hintergrund der rückläufigen Mitgliederzahl legte er Ordensprovinzen zusammen; eine Aufgabe, die Fingerspitzengefühl erfordert. Nicolas habe das "relativ geräuschlos" erledigt, heißt es aus dem Orden. (luk/KNA)Aber: Was bedeutet das für die kommende Amtsführung des Papstes selbst? Franziskus (79) ist gerade mal knapp acht Monate jünger als sein Ordensoberer und - zum Gehorsam gegenüber dem Papst verpflichteter - Ordensbruder Nicolas. Könnte also auch der gesundheitlich anfällige Franziskus, sich berufend auf seinen päpstlichen Vorgänger Benedikt XVI. (89) wie auch auf seinen eigenen Ordensgeneral, in absehbarer Zeit sagen: Es ist genug gewesen?
Die historische Bürde für ein solches mögliches Votum gebührt freilich nicht Benedikt XVI. allein, sondern fiele seinerseits wieder auf den Jesuitenorden zurück. General Peter Hans Kolvenbach (85), der sich 2008 im Alter von 79 Jahren zurückzog, sagte damals: "Die Gesellschaft Jesu hat das Recht, von einem Jesuiten regiert und inspiriert zu werden, der in vollem Besitz seiner körperlichen und geistlichen Talente ist - und nicht von einem Ordensbruder, dessen Energie vom Alter zerrieben wird."
Spitz formuliert, legt die Perspektive des Kirchenhistorikers nahe: Der Papst, die Kardinäle und der Jesuitenorden näherten sich im frühen 21. Jahrhundert einer 80-Jahre-Grenze für ihre Leitungsfunktionen an.