Journalist Daniel Deckers kritisiert Zustand der Kirche in Deutschland

"Siechtum des bestehenden Systems"

Veröffentlicht am 14.05.2016 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
"Siechtum des bestehenden Systems"
Bild: © KNA
Kirche

Mainz ‐ Der Journalist Daniel Deckers hat mit scharfen Worten den Zustand der Kirche in Deutschland kritisiert. Die gegenwärtige Organisation der Kirche binde mehr Energien, als sie freizusetzen vermöge.

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Als große Herausforderung für die Kirche benannte Deckers, der bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" für die Berichterstattung über die katholische Kirche zuständig ist, "die Frage nach der inneren und äußeren Gestalt der katholischen Kirche inmitten einer religiös immer pluraleren und immer stärker entkirchlichten Gesellschaft". Mit Blick auf die schwindenden Zahlen von Priesterkandidaten und Bewerbern für kirchliche Berufe konstatierte der promovierte Theologe einen "Relevanzverlust von Kirchlichkeit oder gar Religiosität überhaupt".

Die gegenwärtige Organisation der Kirche binde mehr Energien, als sie freizusetzen vermöge, so Deckers weiter. Der Einsatz von Pastoral- und Gemeindereferenten zur Kompensation des Priestermangels verlängere dabei das "Siechtum des bestehenden Systems" nur. Die sinkende Attraktivität kirchlicher Berufe sieht Deckers dabei aber auch als positiv an: "Warum sollen Menschen, die sich im Sinne christlicher Weltverantwortung engagieren wollen, das zu tausenden im Binnenraum der Kirchen tun?"

Die Personaldecke wird immer dünner

Die Probleme bei der Personalgewinnung seien auch auf Ebene der Bistumsleitung angekommen, so Deckers weiter. Anfang der 1980er Jahre, als Karl Lehmann zum Bischof von Mainz berufen wurde, habe es noch eine große Auswahl sehr guter Kandidaten für das Bischofsamt gegeben. Das sei heute nicht mehr der Fall. Es werde zunehmend schwerer, Kandidaten zu finden, die "das Bischofsamt auch nur annähernd ausfüllen".

Deckers verwahrte sich jedoch dagegen, die Schuld allein bei der römischen Personalpolitik zu suchen. Die Domkapitel trügen eine Mitschuld. Mit scharfen Worten kritisierte er das Erzbistum Freiburg, in dem noch nie ein Kandidat von außerhalb der Diözese vom Domkapitel gewählt worden sei: "Für die einen ein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein, für andere Ausdruck von Provinzialität und geistlicher Inzucht." Für die anstehende Neubesetzung der Bischofsstühle von Aachen, Limburg und Mainz sieht Deckers noch ein letztes Mal die Möglichkeit, aus wirklich geeignete Kandidaten auszuwählen, dann aber werde "die Personaldecke so dünn, dass es schon schwer wird, qualifizierte Geistliche zu finden, die in einem Bistum Leitungspositionen einnehmen können."

Ein großer Mann des Dialogs

Den scheidenden Mainzer Bischof würdigte Deckers vor allem für dessen enzyklopädisches Wissen und seine große Fähigkeit zum Dialog. Der Kardinal sei zwar akademisch nicht so produktiv gewesen wie andere Theologen im Bischofsamt. Mit seiner Fähigkeit zum Ausgleich habe er die Kirche in Deutschland aber unverwechselbar geprägt und in heftigen Debatten, etwa um die Schwangerenkonfliktberatung, eine "radikale Mitte" repräsentiert.

Die Deutsche Bischofskonferenz konnte laut Deckers so profilierter und einiger auftreten als etwa die französische oder die niederländische. Auch heute sei die Bischofskonferenz von diesem Geist geprägt. (fxn)

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