Das Kloster im Meer
"Treibhauseffekt", sagen die Zisterzienserinnen, die hier wohnen - auch aus spiritueller Sicht. Gebete sollen hier besser wachsen können. Wir befinden uns mitten im Trondheimsfjord, auf einer Insel im atlantisch kalten Wasser, auf der Insel Tautra. Hier steht das nördlichste Kloster des Zisterzienserordens. 16 Nonnen leben, beten und arbeiten auf der kleinen Ferieninsel. Zwei von ihnen haben aus Liebe zum Land mittlerweile sogar die norwegische Staatsbürgerschaft angenommen.
Königin Sonja legte den Grundstein
Siebenmal am Tag versammeln sich die Schwestern in ihrer Treibhauskirche, sitzen sich im Chorgestühl aus Birkenholz gegenüber, auf dem Boden liegt Eichenparkett, die Oberin Schwester Gilchrist spielt die Harfe, dann wird psalmodiert. So geht das seit rund zehn Jahren. Damals sind die Zisterzienserinnen in ihren Klosterneubau eingezogen. Einige Jahre zuvor wurde der Grundstein zur Kirche gelegt, von Königin Sonja, die zwar selbst Protestantin ist, sich aber zur katholischen Minderheit in Norwegen hingezogen fühlt.
Die Ursprungsbesetzung des Marienklosters 2006 kam aus einem Mutterkloster in Iowa. Was die Nonnen nach Tautra gezogen hat? Schwester Rosemary, die ebenfalls aus dem Iowa-Kloster stammt und erste Oberin auf Tautra war, erzählt im Refektorium, von dem aus der Blick, natürlich, auf den Fjord fällt: von ihrer norwegischen Kollegin, die in Iowa/USA Sehnsucht nach ihrer Heimat bekam und die der jungen norwegischen Katholikengemeinde spirituell Beistand leisten wollte. Und vom Interesse am Neubau im Oberkloster Citeaux.
So fing es an, und heute ist es immer noch genau das: Ihre Gebete stellen sich die Zisterzienserinnen im Fjord vor wie eine Art schützende, unsichtbare Wolke, die immerzu über der Region Trondheim schwebt. Dort wird gerade eine neue katholische Kirche gebaut; dort gibt es Übertritte von Lutheranern und eine internationale Gemeinde mit Katholiken von überall auf der Welt. Diese junge Gemeinschaft wollen die Schwestern mit ihren Gebeten stärken.
"Die Welt ist nichts für uns"
Und dann machen sie noch etwas anderes: Seife. Mit den Erlösen können sie ihre Lebenshaltungskosten fast decken. "Das Verdanken wir den chemischen Vorlieben von Schwester Gilchrist. Sie hat schon in Iowa immer mit Seife experimentiert", berichtet Schwester Rosemary. Im Mutterkloster war sie "Chief Caramel Officer" - doch in Norwegen seien die Süßigkeiten so gut, da müsse ein Kloster nicht noch selbst welche herstellen, meint sie. Stattdessen also lieber Seife.
Die Architekten des Marienklosters haben Preise gewonnen für ihre traditionelle Holzkonstruktion mit viel Glas und bunt bemaltem Schiefer. Nur wenige hundert Meter trennen den Neubau von der Ruine des ersten, mittelalterlichen Zisterzienserklosters auf Tautra. Beide Bauten ziehen Besucher an, auch Gläubige und Sinnsucher, Abschaltenwoller. Für die erste Gruppe ist die Klosterkirche beinahe 24 Stunden täglich geöffnet. Für die anderen Gruppen auch, aber zusätzlich können sie Tage im Kloster verbringen, um zur Ruhe zu kommen, vielleicht sogar, um einen Einblick ins Ordensleben zu erhalten. "Das Schwierigste für die Leute ist, ihr Smartphone abzugeben", sagt Oberin Gilchrist. "Wir müssen die Leute gar nicht dazu zwingen. Sie wollen das selbst - aber es fällt ihnen so schwer. Es ist wie ein Entzug!"
Ein Tagungshaus oder etwas ähnlich Weltliches will man auf Tautra nicht eröffnen - selbst wenn die abgeschiedene, hinreißend schöne Lage dazu einlüde. "Die Welt ist nichts für uns", sagen die Schwestern. Sie haben ihre eigene.