Recht. Gläubig.
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Die katholische Kirche ist nicht Kirche im eigentlichen Sinn – manchen Glaubenshütern in Rom mag das in den Ohren geklungen haben. Ein Déjà-vu-Erlebnis mit umgekehrten Vorzeichen, 16 Jahre alt, aber immer noch traumatisch lebendig. Damals war es Joseph Kardinal Ratzinger, der Präfekt der Glaubenskongregation. In seiner Schrift "Dominus Iesus" fällte er dieses Urteil über Protestanten. Und er legte fortan Wert auf die Nomenklatur: nie "Kirche" im Zusammenhang mit Evangelischen, sondern "Gemeinschaften".
Das brach der evangelisch-katholischen Ökumene erst einmal die Achsen. Gemeinsame Projekte wie die Einheitsübersetzung der Bibel scheiterten. Erst spät, in einem Interview, betrat der inzwischen zum Papst gewählte Ratzinger die Brücke, die ihm sein Kardinalskollege Walter Kasper bald gebaut hatte: Protestanten seien "Kirche anderen Typs". Die Nomenklatur blieb trotzdem.
Jetzt trifft das Urteil die Katholiken. Der Heilige Synod der griechischen orthodoxen Kirche hat es gesprochen. "Orthodox" heißt "rechtgläubig". Rächen die rechtgläubigen Griechen die Demütigungen durch die Europäische Union? Oder ist der griechische Vorstoß ein Teil des Rechtsrucks, der ganz Europa ergriffen hat, politisch, moralisch und theologisch? Gerade haben die lettischen Lutheraner die Frauenordination abgeschafft. Überall werden alte, gefallene Grenzen wieder aufgerichtet. Verpufft die Versöhnung, die Papst Franziskus so wichtig war, als er im Februar auf Kuba den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill traf? "Wir sind Brüder", versicherten die beiden einander. "Aber einer davon irrt", schieben die Griechen jetzt nach. Aus Athener Blickwinkel ist der Katholizismus eine Häresie, also eine Irrlehre.
Zum Hintergrund gehört, dass sich orthodoxe Bischöfe am 19. Juni auf Kreta zum Konzil versammeln – nach orthodoxer Zählung dem ersten seit 1200 Jahren. Und im Vorfeld streiten sich die Heiligen Synode der verschiedenen Orthodoxien wie die Kesselflicker. Eigentlich wollte die Orthodoxie auf Kreta ihre bisherige Linie festschreiben, dass sie mit "Kirchen und Bekenntnissen" den Dialog pflegt. Deshalb passte Kyrill das Treffen mit Franziskus auf Kuba ins Konzept. Doch inzwischen stellen Georgier, Bulgaren und jetzt auch Griechen den Status quo infrage. Der Athener Synod befand gegen seine bisherige Praxis, was nicht orthodox sei, das sei eine Sekte. Das gab es lange nicht. Die katholische Kirche fällte ein vergleichbares Urteil zuletzt 1928. Seither ging es mit den zwischenkirchlichen Beziehungen bergauf. In Griechenland gab es immer Ökumenekritiker, etwa die Mönche vom berühmten Berg Athos. Dass sie die Mehrheit gewinnen, ist neu.
Die georgische Kirche will noch weiter gehen und Ehen mit Nichtorthodoxen verbieten. In einem Konzilsentwurf steht, solche Ehen seien zwar unerlaubt, könnten aber »aus Menschenliebe und Barmherzigkeit gesegnet werden". Doch die Segnung, sagen die Georgier, verstößt gegen das Trullanische Konzil aus dem Jahr 691. Das stimmt, aber es ist lange her. Inzwischen predigt auch der Papst in Rom weniger Konzilsdekrete und mehr Menschenliebe und Barmherzigkeit. Aber der ist ja ein Sektierer.