Schönborn: "Amoris laetitia" ist verbindlich
Alle früheren lehramtlichen Äußerungen zu Ehe und Familie müssten nun im Licht von "Amoris laetitia" gelesen werden, betonte Schönborn; ebenso wie heute das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) interpretiert werde. Der konservative US-amerikanische Kardinal Raymond Burke hatte "Amoris laetitia" einen lehramtlichen Charakter abgesprochen und das Schreiben als persönliche Äußerung von Papst Franziskus eingestuft.
Authentische Lektion der heiligen Lehre
Schönborn widersprach mit seiner Äußerung auch konservativen Kardinälen wie dem früheren Erzbischof von Bologna, Carlo Caffarra, oder dem deutschen Kurienkardinal Walter Brandmüller. Sie hatten gefordert, "Amoris laetitia" müsse in der Perspektive früherer kirchlicher Verlautbarungen interpretiert werden, weil seine Aussagen zu einem etwaigen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene unklar seien. Nach ihrer Lesart ist deshalb eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion weiterhin nicht möglich. Das Anfang April veröffentlichte päpstliche Schreiben zu Ehe und Familie ist nach Schönborns Worten eine "authentische Lektion der heiligen Lehre", das diese für die heutige Zeit aktualisiere. Er sagte weiter, Kardinal Joseph Ratzinger als Präfekt der römischen Glaubenskongregation habe ihm seinerzeit gesagt, man dürfe nicht alle Fälle von wiederverheirateten Geschiedenen nach einer allgemeingültigen Regel behandeln.
Bei dem Schönborn-Interview im "Corriere della Sera" handelt es sich um eine Vorabveröffentlichung eines Gesprächs, das in der aktuellen Ausgabe der italienischen Jesuiten-Zeitchrift "Civilta Cattolica" erscheint. (KNA)