Pulcheria

10.09

Religion oder Politik? Das ließ sich am Kaiserhof der oströmischen Prinzessin Pulcheria (399-453) nicht trennen. Nach dem Tod ihres Vaters Kaiser Arcadius übernahm sie als älteste Schwester die Aufsicht über ihren minderjährigen Bruder Theodosius, der noch als Kind zum Kaiser gekrönt worden war. Um fremde Ansprüche auf den Thron auszuschließen, gelobte Pulcheria ewige Jungfräulichkeit. Mit dem Ehrentitel "Augusta" war sie die faktische Kaiserin des oströmischen Reiches. Doch mit dem zunehmenden Alter ihres Bruders schwand Pulcherias Einfluss, bis sie schließlich nach Jerusalem verbannt wurde und in klösterlicher Einsamkeit lebte. Als Theodosius aber 450 unerwartet bei einem Unfall starb und keinen Thronfolger hinterließ, kam Pulcherias zweite Chance: Sie heiratete den neuen Kaiser Markian, mit dem sie aufgrund ihres Gelübdes eine demonstrativ enthaltsame Ehe führte. Als Herrscherin zeigte sich Pulcheria feindselig gegenüber Juden, Heiden und allen Christen, die sie für Häretiker hielt. Gleichzeitig rühmte das Volk sie für ihre Armenfürsorge und Kirchenstiftungen. Aus Sorge um den "rechten Glauben" lud Pulcheria 451 sogar ihren Verbündeten Papst Leo I. zum wegweisenden Konzil von Chalcedon ein. Sowohl die lateinische als auch die orthodoxe Kirche verehrt Pulcheria als Heilige.