Wendelin
Je weniger historische Fakten aus dem Leben der Heiligen überliefert sind, desto bunter sind häufig die sie umgebenden Legenden – so auch bei Wendelin von Tholey (6. Jahrhundert). In der ausgehenden Völkerwanderungszeit baute der Trierer Bischof Magnerich nachweislich auf Einsiedler, um das Umland seines Amtssitzes zu missionieren. Wahrscheinlich zählte Wendelin zu eben jenen Glaubensboten, die daraufhin pastoral im ländlichen Gebiet des heutigen Saarlands tätig waren. Das ist zugegebenermaßen etwas dünn, doch zum Glück weiß der Volksglaube mehr Details zu berichten: Der Tradition nach war Wendelin ein iro-schottischer Königssohn, der sich für ein asketisches Leben entschlossen hatte und als Bettelmönch durch Mitteleuropa zog. Eines Tages verweigerte ihm ein reicher Gutsherr nicht nur eine Spende, sondern fuhr Wendelin wütend an, er solle sich doch Arbeit suchen. Wendelin nahm die Beleidigung demütig entgegen und stellte sich als Hirt in den Dienst des Gutsherrn. Zum Glück für seinen neuen Dienstherrn kannte sich Wendelin mit Heilkunde aus und hatte ein besonderes Talent für die Viehzucht. Alles lief bestens – bis Wendelin die Herde einmal zu weit vom Hof wegtrieb. Ausgerechnet an diesem Tag wollte der Gutsherr einen erfolgreichen Feldzug groß feiern. Die zum Verzehr bestimmten Tiere jetzt noch rechtzeitig zurückzubringen schien ausgeschlossen. Außer sich vor Zorn ließ er Wendelin mit der Herde stehen und ritt davon. Doch als der Gutsherr seinen Hof erreichte, wartete Wendelin mitsamt den Tieren dort schon auf ihn. Erst da erkannte der erschrockene Gutsherr, dass es sich bei seinem Hirten um einen heiligen Gottesmann handelte und baute ihm eine Einsiedelei. Dort lebte Wendelin ein zurückgezogenes Leben und stand den ratsuchenden Landbewohnern hilfsbereit zur Seite, bis ihn die Mönche von Tholey zu ihrem Abt wählten. Aus Wendelins kleiner Einsiedelei entwickelte sich mit der Zeit eine ganze Stadt: das nach ihm benannte St. Wendel.