"Ein großer Schritt nach vorn"
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Frage: Herr Professor Schockenhoff, nach drei Wochen Synode zeigt sich mancher Beobachter ernüchtert, dass der große Reform-Wurf ausgeblieben sei. Die deutschen Teilnehmer sehen sich dagegen ermutigt und sprechen von "Handlungsperspektiven". Was stimmt nun?
Schockenhoff: Wichtig ist zunächst festzuhalten, dass die Synode dem Papst keine Einschränkungen auferlegt hat. Er hat das Signal bekommen, bei seinem großen Anliegen einer niemanden ausschließenden Seelsorge voranzugehen. Vielleicht wäre es wünschenswert gewesen, dass die Synode diese Reformbemühungen noch nachhaltiger unterstützt hätte. Zugleich bin ich sicher, dass der Abschlussbericht des Papstes die Deutlichkeit enthalten wird, die manche jetzt noch vermissen.
Frage: Also liegt der Ball nun wieder im Feld des Papstes?
Schockenhoff: Ja, und das hat Franziskus von Anfang klar gestellt. Die Synode ist kein demokratisches Entscheidungs-, sondern ein Beratungsgremium. Der Papst hat eine offene Debatte gewünscht. Es ist ihm gelungen, ein Stück Streitkultur in der Kirche zu schaffen, die es in dieser Form bislang nicht gab. Aber es war immer klar, dass die Verantwortungsebenen dadurch nicht verwischt werden. Am Ende hat die Synode ihr Beratungsergebnis dem Papst übermittelt - und er wird nun in eigener Verantwortung ein Abschlussdokument erstellen.
Frage: Die Mühlen des Vatikan mahlen jedoch langsam.
Schockenhoff: Bei früheren Bischofssynoden hat es tatsächlich viel zu lange gedauert. Wenn der Abschlusstext erst ein Jahr nach den Beratungen erschien, interessierte das niemanden mehr wirklich. Je früher wir deshalb jetzt ein Ergebnis haben, desto größer die Wirksamkeit. Der in der Kirche als "Tag der Heiligen Familie" gefeierte 27.12. wäre doch ein schönes Veröffentlichungsdatum!
Frage: Das heißt aber, die Katholiken müssen noch einmal weiter abwarten?
Schockenhoff: Nein, denn immerhin hat der Papst schon jetzt das Stichwort der Dezentralisierung ausgesprochen. Darauf beruht auch der Optimismus der deutschen Bischöfe auf mehr Handlungsfreiheit. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Mitglieder des deutschen Sprachzirkels bei der Synode untereinander auf ein Kompromisspapier verständigt haben. Und in der Frage, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen, ist festgehalten, dass eine Einzelfallprüfung zumindest möglich ist. Das ist in der Sache ein großer Schritt nach vorne.
Frage: Erhält damit also die in vielen deutschen Gemeinden - gerade im Südwesten - praktizierte Lösung den römischen Segen?
Schockenhoff: Das, was sich bisher vielerorts als bewährte Praxis gezeigt hat, kann gestärkt weitergehen. Die Erzdiözese Freiburg und andere Diözesen können mit gutem Grund sagen, dass ihre Praxis der individuellen Lösungssuche im Einklang mit weltkirchlichen Regeln steht. Und zwar mit gutem Gewissen und voller Überzeugung.
Frage: Eine von den deutschen Bischöfen vorgeschlagene "Vergebungsbitte" für kirchliche Verurteilungen von Homosexualität schaffte es nicht in das Abschlussdokument...
Schockenhoff: ...immerhin fehlt aber alles Ausgrenzende und Verurteilende. Das ist schon ein anderer Tonfall als der, der bislang häufig üblich war.
Frage: Was bedeutet das für die katholische Haltung gegenüber Homosexuellen?
Schockenhoff: Damit wird die Praxis vieler Gemeinden bestätigt, die auf Homosexuelle zugehen, ohne sie zu diskriminieren.
Frage: Drei Wochen lang wurde in Rom teils sehr kontrovers diskutiert. Gibt die Vatikan-Synode auch Impulse für eine neue Diskussionskultur in Deutschland?
Schockenhoff: Grundsätzlich hat der Papst das synodale Prinzip nicht eingeschränkt. Wünschenswert wäre es sicher, dass nun auch bald auf deutscher Ebene anzugehen.