Rohes Dokument für offene Debatte
Frage: Pater Hagenkord, nun ist das Arbeitspapier für die Synode da. Darin tauchen Aspekte auf, die im Vorbereitungsdokument – der sogenannten Lineamenta – gefehlt haben, wie etwa die bei der vergangenen Synode heftig debattierte "Gradualität", also die Prozesshaftigkeit in der moralisch-religiösen Lebensführung. Hat Sie das überrascht?
Hagenkord: Nein, denn nach der Synode im vergangenen Jahr ist eine Debatte entstanden, die weitergeführt wurde. Deshalb finde ich es auch gut, dass diese Aspekte nun wieder auftauchen und im Herbst darüber diskutiert werden soll. Die Bischöfe müssen sich nun überlegen, was sie damit anstellen. Es sind ja auch einige andere Themen der vergangenen Synode hinzugekommen, wie Migration und Armut. Auch hier werden Gefahren für die Familie gesehen. Das, was jetzt im Instrumentum Laboris drin ist, entspricht der Debatte, die bis jetzt geführt wurde.
Frage: Themen wie der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen erhielten bei der Synode 2014 nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Dennoch soll darüber weiter diskutiert werden. Warum? Zeigt sich darin die Barmherzigkeit, die Papst Franziskus immer wieder einfordert?
Hagenkord: Ich glaube nicht, dass dieser Punkt mit Barmherzigkeit zu tun hat, sondern eher mit Debatte. Auch Themen, die nicht alle unterstreichen, sollen weiter diskutiert werden. Andere Dinge, die das Synodensekretariat vorgelegt hat, sind auch nicht abgestimmt, sondern eine Arbeitsgrundlage. Diese Punkte über Wiederverheiratete und Homosexuelle haben 2014 ja trotzdem mehr als die Hälfte der Stimmen bekommen, was bedeutet, dass die meisten Synodenteilnehmer sie im Abschlussdokument haben wollten.
Frage: Wie bewerten Sie das Dokument und was lässt es für die Synode erhoffen?
Hagenkord: Es ist noch ein sehr rohes Dokument, sowohl sprachlich als auch thematisch. Das ist aber gut so, denn es bedeutet, dass all das auf den Tisch gelegt und dann drei Wochen lang offen debattiert werden kann. Am Ende der Familiensynode wird ein Abschlussdokument erstellt. Was da hinein kommt, ist noch völlig offen, aber wahrscheinlich werden die Synodenteilnehmer ein neues Papier schreiben. Zunächst wird wie vergangenes Jahr eine Relatio geschrieben und dann darauf aufbauend das Abschlussdokument. Die Relatio entsteht aus den Debatten des Bischofstreffens, deshalb kann es sein, dass ein komplett neues Dokument entsteht. Das wäre natürlich toll.
Ich habe aber ein bisschen die Sorge, dass das Ganze dann noch länger wird als die 75 Seiten mit 148 Punkten, die es jetzt im Arbeitspapier sind. Ich hoffe, dass nicht wegen der Vollständigkeit irgendwann die Übersichtlichkeit leidet. Aber ich finde es gut, dass die Punkte alle nun aufgezeigt sind, sodass man weiß, worüber geredet wird.
Das Interview führte Agathe Lukassek
Mögen die Diskussionen beginnen
Der Vatikan hat das Arbeitspapier für die Familiensynode im Herbst veröffentlicht. Das Dokument bildet die Grundlage für die bevorstehenden Diskussionen. 77 Seiten umfasst das sogenannte Instrumentum laboris - und enthält auch Vorschläge, die bei der letzten Synode 2014 die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt hatten.Arbeitspapier zu Geschiedenen und Homosexuellen
Das am Dienstag veröffentlichte Arbeitspapier besteht aus dem Abschlussdokument der vergangenen Bischofssynode sowie aus Ergänzungen, die auf Grundlage der Rückmeldungen auf den zweiten Fragenkatalog an die Bischofskonferenzen erstellt wurde. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert Passagen aus dem ergänzten Teil in eigener Übersetzung:
(...) Es besteht ein allgemeiner Konsens über die Möglichkeit eines Wegs der Versöhnung oder der Buße unter Aufsicht des Bischofs für die wiederverheirateten geschiedenen Gläubigen, die sich in einer Situation des Zusammenlebens befinden, die nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Mit Bezug auf Familiaris consortio 84 hat man einen Weg der Bewusstwerdung des Scheiterns und der dadurch verursachten Wunden vorgeschlagen, mit Reue, Klärung einer eventuellen Nichtigkeit der Ehe, Bemühen um eine spirituelle Gemeinschaft und der Entscheidung, enthaltsam zu leben.
Andere wollen nach dem erlebten Scheitern durch einen Weg der Buße einen Prozess der Klärung und Neuorientierung herbeiführen, der von einem damit beauftragten Priester begleitet wird. Dieser Prozess sollte den Betroffenen zu einem ehrlichen Urteil über ihre Situation führen. In dem Prozess sollte auch die Bewertung des Priesters selbst reifen können, damit er von seiner Vollmacht Gebrauch machen kann, in einer der Situation angemessenen Weise zu binden oder zu lösen.
In Bezug auf die Vertiefung über die objektive Situation der Sünde und der moralischen Verantwortlichkeit schlagen einige vor, das "Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von wiederverheiratetet Geschiedenen Gläubigen" der Glaubenskongregation (14. September 1994) zu berücksichtigen und die Erklärung über die Zulassung zum Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte (24. Juni 2000) (...)
Der kirchliche Weg der Eingliederung in Christus, der mit der Taufe beginnt, vollzieht sich auch für die wiederverheiratete Geschiedene in Graden durch eine immerwährende Umkehr. Auf diesem Weg gibt es verschiedene Arten und Weisen, mit denen sie eingeladen sind, ihr Leben in Einklang mit Jesus Christus zu bringen, der sie mit seiner Gnade in der kirchlichen Gemeinschaft behütet. Wie bereits Familiaris consortio 84 vorschlägt, sind unter diesen Formen der Teilnahme das Hören von Gottes Wort, die Teilnahme an der eucharistischen Feier, das inständige Gebet, Werke der Nächstenliebe, gemeinschaftliche Initiativen zur Förderung der Gerechtigkeit, Erziehung der Kinder im Glauben, der Geist der Reue, unterstützt vom Gebet und von einem Zeugnis der Aufnahme durch die Kirche. Frucht einer solchen Teilnahme ist die Gemeinschaft des Gläubigen mit der ganzen Gemeinde, Ausdruck der wirklichen Einfügung in den kirchlichen Leib Christi. Was die geistliche Kommunion angeht, ist es notwendig, daran zu erinnern, dass sie die Umkehr und den Stand der Gnade voraussetzt und mit der sakramentalen Gemeinschaft verbunden ist. (...)
Der Bezug, den einige auf die Ehepraxis der orthodoxen Kirchen hergestellt haben, muss die unterschiedliche theologische Konzeption der Eheschließungen berücksichtigen. In der Orthodoxie gibt es die Tendenz, die praktizierte Segnung einer zweiten Verbindung auf den Begriff der "Ökonomie" (oikonomia) zurückzuführen, gedacht als seelsorgerisches Entgegenkommen gegenüber gescheiterten Ehen, ohne das Ideal der absoluten Monogamie infrage zu stellen. Diese Segnung ist für sich genommen eine Bußfeier, um die Gnade des Heiligen Geistes herabzurufen, damit er die menschliche Schwäche heilt und die Reumütigen zur Gemeinschaft mit der Kirche zurückführt. (...)
Man bekräftigt, dass jede Person, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, in ihrer Würde respektiert und mit Sensibilität und Taktgefühl angenommen werden muss, sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft. Es wäre wünschenswert, wenn die Seelsorgeprojekte der Diözesen der Begleitung von Familien, in denen Personen mit homosexueller Orientierung leben, und den Betreffenden selbst eine besondere Aufmerksamkeit schenken würden. (KNA)