Kirchenzeitungen aus Deutschland probieren neue Wege aus

Alte Blätter, treue Leser

Veröffentlicht am 05.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Medien

Bonn ‐ Der "Tag des Herrn" ist in den östlichen Bistümern für viele noch sowas wie ein Teil der Familie. In der Glückwunsch-Rubrik gratuliert die Zeitung ihren Lesern mit Namen zum Geburtstag. Diese Leser-Blatt-Bindung rührt aus der DDR-Zeit . Heute haben nur noch wenige Medien eine derart starke Verbindung zum eigenen Milieu. Betriebswirtschaftlich gesehen hat der "Tag des Herrn" mit seinen gut 20.000 Abonnenten von allen Kirchenzeitungen die größte Marktdurchdringung.

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Jenseits solcher beeindruckenden Kontinuität ist die katholische Publizistik derzeit in einem massiven Umbruch begriffen. Doch der schon lange angekündigte Tod der Kirchenpresse ist erstmal aufgeschoben. Zudem erscheinen neue Magazine und publizistische Formate auf der Bildfläche.

Auch Kooperationen sichern vorerst die Fortexistenz der klassischen Kirchenblätter. Rund um den Osnabrücker "Kirchenboten" hat sich die größte dieser Kooperationen gebildet. Aber auch der demografische Wandel hat seinen Anteil an der Stabilisierung. 55 Prozent der Kirchenzeitungsleser sind über 70 Jahre, aber die leben und lesen heute länger als früher. Die Bistumszeitungen haben noch eine Gesamtauflage von 560.000 Exemplaren, erklärt Medienexperte Christian Klenk von der Universität Eichstätt. "Das ist eine Größe, die nicht völlig außer Acht zu lassen ist."

"Tag des Herrn" jetzt auch in Berlin

Seit April erscheint der traditionelle Ost-Titel "Tag des Herrn" auch im Erzbistum Berlin - wo die Mehrheit der Katholiken noch immer im alten West-Berlin lebt. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist das also so etwas wie eine nachgeholte Wiedervereinigung, meint Chefredakteur Matthias Holluba. Die Hauptstadt und das bis zur Ostsee reichende Bistum steuern eine Auflage von rund 4.000 Exemplaren bei.

Wie sehr kirchliche Medienarbeit mit innerkirchlichen Deutungskämpfen verbunden ist, zeigt das Berliner Beispiel. Das Hauptstadtbistum wollte nach dem Umbruch 1989/90 nicht auf die Eigenständigkeit verzichten. Aus dem "St. Hedwigsblatt" und dem "Petrusblatt" aus Mauerzeiten wurde die "Katholische Kirchenzeitung". Den überregionalen Mantelteil lieferte damals schon Osnabrück, und manchmal gab es Konflikte über die inhaltliche Ausrichtung.

Schließlich wechselten die Berliner - auch aus finanziellen Gründen - für einige Jahre zum Augsburger St. Ulrich Verlag, der bis Ende März 2014 die "Katholische Sonntagszeitung" für das Erzbistum Berlin erstellte. Auch bei dieser Zusammenarbeit wurde bisweilen über Inhalte gestritten.

Das Ruhrwort, die Kirchenzeitung im Bistum Essen, bangt laut Insidern um seine Existenz.
Bild: ©Ruhrwort

Das "Ruhrwort", die Kirchenzeitung im Bistum Essen, bangt laut Insidern um seine Existenz.

Experimente mit "Verteilzeitungen"

Die klassische Kirchenzeitung habe einen journalistischen Anspruch, erklärt Medienwissenschaftler Klenk. Und der berge in der Kirche immer auch ein gewisses Konfliktpotenzial. Anders aufgestellt sind demgegenüber die neuen "Verteilzeitungen". Mit dem Konzept experimentieren derzeit einige Bistümer. Sogar die Idee einer bundesweiten kostenlosen katholischen Zeitung wird derzeit geprüft.

Das Bistum Essen ist bislang am weitesten vorgeprescht. Die Kirchenzeitung "Ruhrwort" wurde Ende 2013 eingestellt , stattdessen "Bene - Das Magazin des Bistums Essen" aus der Taufe gehoben. Das Heft gibt es zweimonatlich kostenlos.

Erste Kirchenzeitung ohne bischöflichen Herausgeber

"Das ist nicht Journalismus, sondern corporate publishing", meint Klenk. Dennoch müsse es keinesfalls schlecht sein. Auch ein Blatt, dessen Grundidee PR sei, bediene sich journalistischer Formen und könne Leser finden. Einen anderen Ansatz hat die katholische Journalistin Hildegard Mathies. Sie hat mit einigen Mitstreitern das "Neue Ruhr-Wort" gegründet. "Wir wollen dem klassischen Publikum aktuelle Nachrichten liefert", erklärt sie. Das könne und wolle "Bene" nicht leisten. Obwohl das "Neue Ruhr-Wort" ohne bischöfliche Herausgeberschaft auskommen müsse, gebe es Interesse und Unterstützung für das Projekt, so Mathies. Es seien die treuen Leser des altes Blattes, die helfen.

In den Medienstellen einiger Bistümer weicht derzeit das "Entweder oder" dem "Sowohl als auch" - mithin einer Doppelstrategie, die einerseits auf eine kritisch-loyale Zeitung, andererseits auf ein werbendes Verteilmagazin setzt. So wird in München und Trier eruiert, in welcher Weise Verteilzeitungen oder Mitgliedermagazine das klassische Angebot einer Bistumszeitung ergänzen könnten. Im Erzbistum Hamburg würde man sich über ein bundesweites katholisches Magazin freuen, an dem die Norddiözese teilhaben könnte. "Sowohl Kirchenzeitung als auch Verteilzeitung können wir nur mit einem Partner machen", erklärt der Leiter der Stabsstelle Medien, Andreas Herzig.

Von Volker Resing (KNA)