Gewalt und Verfolgung Gläubiger nach Urteil des Obersten Gerichts

Angriffe auf Zeugen Jehovas in Russland

Veröffentlicht am 19.05.2017 um 14:12 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Religionsfreiheit

Bonn ‐ Die Zeugen Jehovas leiden in Russland unter Gewalt und Schikanen der Behörden. Noch läuft die Einspruchsfrist gegen das Verbot der Religionsgemeinschaft.

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Nach dem Verbot der Zeugen Jehovas in Russland durch ein Urteil des Obersten Gerichts klagt die Religionsgemeinschaft über Gewalt gegenüber ihren Mitgliedern und mangelnden Schutz durch die Behörden. Dies berichten mehrere US-amerikanische Medien. Der Sprecher der russischen Zeugen Jehovas, Yarolsav Sivulskiy, teilte dem Magazin "Newsweek" einen Fall von Brandstiftung in der Nähe von Moskau mit. Häuser und Garagen von Gläubigen seien mit einem Brandsatz angezündet worden. Der Täter sei zwar gefasst worden, die Tat jedoch ohne rechtliche Konsequenzen geblieben.

Kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung

Im ganzen Land gebe es an Häusern von Gläubigen und Gebäuden der Religionsgemeinschaft Graffiti mit Hassbotschaften, Fenster würden eingeschlagen. Die Polizei weigere sich selbst bei Vorliegen von Beweisen aus Überwachungskameras, die Täter zu verfolgen, so Sivulskiy gegenüber Newsweek: "Manchmal kommt die Polizei und tut so, als würde sie etwas machen, aber in der Regel folgt darauf nichts. Es gibt keine Konsequenzen für die Täter."

Durch die Einstufung der Zeugen Jehovas als "extremistische Gruppe" verlieren die Mitglieder auch das Recht, aus religiösen Gründen den Militärdienst zu verweigern und stattdessen Zivildienst zu leisten. Gläubigen würden nun vor die Wahl gestellt, entweder Militärdienst zu leisten oder ins Gefängnis zu gehen, berichtet Sivulskiy.

Einspruchsfrist läuft

Bis zum 20. Mai kann die Religionsgemeinschaft noch gegen das Urteil Einspruch einlegen. Gottesdienste sind vereinzelt noch möglich, solange diese Frist nicht abgelaufen ist. Einige Gemeinden würden aber aus Furcht vor Angriffen ihre Versammlungen in private Wohnungen verlegen. Mit dem Verbot geht auch die Enteignung der Religionsgemeinschaft einher. Obwohl diese Enteignung erst nach Ablauf der Einspruchsfrist hätte beginnen sollen, berichtet der Sprecher der Organisation von Behörden, die bereits unmittelbar nach dem Urteil Besitztitel der Zeugen Jehovas aus den Grundbüchern gestrichen hätten.

Nach eigenen Angaben haben die Zeugen Jehovas in Russland 175.000 Mitglieder in 395 Gemeinden. Ende April hatte das Oberste Gericht Russlands Zeugen Jehovas als extremistisch verboten. Die Kommission für internationale Religionsfreiheit der US-Regierung stufte Russland nach dem Verbot der Zeugen Jehovas erstmals neben Nordkorea, Saudi-Arabien und Iran als Land ein, in dem es besonders schwere Verletzungen der Religionsfreiheit gebe ("Country of Particular Concern"). Auch das Auswärtige Amt und die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" äußerten deutliche Kritik am Verbot. (fxn)

Linktipp: Kirche stellt sich hinter Zeugen Jehovas

Das Verbot der Zeugen Jehovas durch ein Moskauer Gericht stößt weltweit auf Kritik. Nun meldet sich auch die katholische Kirche in Russland zu Wort. Sie fürchtet Konsequenzen auch für ihre Gläubigen.