Becker: Kirche muss sich auf die Welt einlassen
In Paderborn ist am Wochenende das traditionsreiche Libori-Fest eröffnet worden. Erzbischof Hans-Josef Becker leitete am Samstag im Dom die Prozession, bei der die Gebeine des heiligen Liborius (348-397) aus der Krypta geholt wurden. Dabei erklang der gewaltige Libori-Tusch. Am Sonntag feierte Becker dort einen Festgottesdienst. Daran nahmen Bischöfe aus aller Welt teil.
In seiner Predigt warnte der Erzbischof angesichts der Skandale der vergangenen Jahre vor Vorstellungen eines Gesundschrumpfens der Kirche, in der dann alles bleiben könne wie bisher. Vielmehr müsse die Kirche sich auf die Welt einlassen und sich der Zukunft öffnen. Sie sollte da sein, "wo heute Fragen aufbrechen und Entscheidungen anfallen", so Becker.
Am Auftrag der Kirche festhalten
Er rief die Christen auf, trotz der Skepsis, Ängste und Zweifel an der Kirche an ihrem Auftrag für die Menschheit festzuhalten. Sie dürften nicht in das allgemeine Gejammer über schlechte Zeiten einstimmen. Die Worte Jesu "Ihr seid das Licht der Welt" seien kein Befehl, sondern eine Aussage. Das Licht komme nicht aus den Gläubigen selbst, sondern von Gott, so der Erzbischof.
Den Christen sei aufgetragen, "der Welt jenes Licht zu geben, das sie aus sich nicht hat und das sie von niemandem sonst bekommt". Versagten sich Christen dieser Berufung, machten sie sich überflüssig. "Der Welt tun wir damit den schlechtesten Dienst", so Becker.
Des Weiteren zeigte sich Becker am Sonntag besorgt über das Erstarken rechtsnationaler Kräfte in Europa und eine zunehmende Flüchtlingsskepsis. Er sehe "mit Sorge das unwürdige Gezerre und Polemisieren um Menschen, Flüchtlinge, die vor dem Ertrinken gerettet werden müssen".
Becker kritisierte "die Kriminalisierung von Lebensrettern" und auch Diskussionen um das Kirchenasyl in Deutschland. Auch das Ringen Großbritanniens um den Brexit lasse Europa in keinem guten Licht erscheinen, so der Erzbischof laut Manuskript auf dem Gäste-Empfang zum Paderborner Libori-Fest.
Europa nicht selbstverständlich
All das rufe ins Bewusstsein, "dass das geeinte und einige Europa nicht selbstverständlich ist", sagte Becker. Es zeige, dass der Prozess der europäischen Einigung immer wieder Anfragen und Anfeindungen ausgesetzt sei und verteidigt werden müsse.
"Ich habe den Eindruck, als würde Europa nach einer neuen Daseinsberechtigung suchen, als wäre das große Friedensprojekt Europa nicht genug", sagte der Erzbischof. Das dürfe keinesfalls zu einem allein von wirtschaftlichen Erwägungen geprägten Europa führen, in dem jeder auf seinen eigenen Vorteil aus sei, warnte Becker. "In einer Kultur des Nationalismus und Individualismus bleibt der Einzelne auf der Strecke - der einzelne Staat und der einzelne Mensch."
Das Patronatsfest des Erzbistums steht in diesem Jahr unter dem Motto "Im Himmel und auf Erden" und dauert bis zum 4. August. In der Stadt finden eine Kirmes und ein Pottmarkt statt. Das Fest hat seinen Ursprung im Jahr 836. Damals wurden die Gebeine von Liborius, der Bischof von Le Mans war, nach Paderborn überführt. So entstand eine der ältesten Städtepartnerschaften.
Gebeine ausgestellt
Der Schrein mit den Gebeinen des heiligen Liborius wird bis Dienstagabend im Hochchor ausgestellt. Bis 4. August finden täglich Gottesdienste und Begegnungstreffen für kirchliche Gruppen und Verbände sowie Kultur-, Tanz- und Musikveranstaltungen statt.
In diesem Jahr kamen 25 Bischöfe und Äbte aus 13 Ländern zum Libori-Fest. Unter ihnen sind der emeritierte deutsche Kurienkardinal Paul Josef Cordes sowie der ebenfalls aus Rom anreisende Kurienbischof Josef Clemens. Beide stammen aus dem Erzbistum Paderborn.
Weitere Gäste aus Europa sind unter anderen der polnische Erzbischof von Kattowitz, Wiktor Skworc, der kroatische Erzbischof von Zadar, Zelimir Puljic, und Bischof Berislav Grgic aus Tromsö in Norwegen. An den Feiern nimmt traditionell auch der Bischof von Le Mans in Frankreich, Yves Le Saux, teil. (cph/KNA)