Wie und warum Menschen (wieder) katholisch werden

"Bewusst und entschieden"

Veröffentlicht am 20.07.2015 um 14:08 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Glaube

Bonn ‐ 2014 haben rund 218.000 Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt. Und dennoch gibt es solche, die wieder eintreten, konvertieren oder sich als Erwachsene taufen lassen. Aber warum? Wie funktioniert das eigentlich? Katholisch.de gibt einen Überblick.

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"Solche Ereignisse beeinflussen die Entscheidung natürlich. Der Austritt ist in der Regel aber das Ende eines langen Entfremdungsprozesses", sagt Hubertus Schönemann, Leiter der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral. Es gebe Menschen, die viele Jahre kirchlich engagiert waren, aber schließlich enttäuscht wurden und sich abgewendet hätten. Andere hätten der Kirche dagegen schon immer ferngestanden und kämen als junge Erwachsene zu einer Kosten-Nutzen-Abwägung. "Meistens geschieht das, wenn die Kirchensteuer auf der ersten Gehaltsabrechnung steht", sagt Schönemann.

Es gibt aber auch die anderen. Die, die sich ganz bewusst für die katholische Kirche entscheiden – sogar in Zeiten der Krise. Als 2013 Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst maßgeblichen Anteil am Austritt von rund 179.000 Gläubigen in Deutschland hatte, gab es im selben Jahr auch 7.000 Wiederaufnahmen, 3.500 Erwachsenentaufen und 3.000 Konversionen, also Übertritte von anderen christlichen Konfessionen zum Katholizismus. Auch 2014 bleiben diese Zahlen konstant: je knapp 2.800 Übertritte und Erwachsenentaufen sowie 6.300 Menschen, die zur katholischen Kirche zurückgekehrt sind.

Seelsorger in der Gemeinde vor Ort der richtige Ansprechpartner

Für einen Wiedereintritt sind, anders als im Austrittsfall, nicht die staatlichen Behörden, sondern die Seelsorger in der Gemeinde vor Ort der richtige Ansprechpartner. "Am Anfang steht ein erstes pastorales Gespräch, in dem neben den Motiven für den Austritt auch über die für den Wiedereintritt geredet wird", sagt Schönemann. Die können ebenso unterschiedlich sein wie beim Austritt, hängen jedoch häufig mit persönlichen Wendepunkten im Leben zusammen.

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Video: © katholisch.de

So viele Austritte aus der katholischen Kirche gab es noch nie zuvor. 217.716 Menschen haben der Kirche 2014 den Rücken gekehrt. Doch es gibt auch viele Gründe in der Kirche zu sein: Katholisch.de hat Antworten von Personen aus unterschiedlichen Bereichen des kirchlichen Lebens gesammelt.

"Oft lernen die Ausgetretenen einen katholischen Partner kennen und setzen sich mit dem Glauben noch einmal ganz neu auseinander", so der Theologe. Auch der Beginn und das Ende eines Lebens können eine Rolle spielen; zum Beispiel die Geburt eines Kindes und der damit verbundene Wunsch, ein Patenamt zu übernehmen. Auch die eigene Endlichkeit sei eine nicht zu unterschätzende Motivation wieder in die Kirche einzutreten, sagt Schönemann. Viele Menschen wollten ihr Leben mit einem kirchlichen Begräbnis ordentlich abschließen und "etwas rein und ganz machen".

Nach dem Gespräch mit dem Seelsorger kann der den jeweiligen Ortsbischof in einem Brief um die Wiederaufnahme des Ausgetretenen bitten. Wenn die Taufurkunde und die Austrittsbescheinigung vorliegen, ist der Rest fast eine reine Formsache. Denn dass die Bitte um Wiederaufnahme schon einmal abgelehnt wurde, hat Schönemann bisher noch nicht gehört. Da die Rückkehrer bereits getauft sind, kann alles relativ kurzfristig geschehen. Eine spezielle Vorbereitungszeit ist jedenfalls von Seiten der Kirche nicht vorgesehen.

Konversionskurse werden angeboten

Wer von einer anderen christlichen Konfession zur katholischen Kirche konvertieren möchte, der wendet sich ebenfalls an den Seelsorger vor Ort. Das Gespräch wird ähnlich ablaufen wie beim Wiedereintritt: Wie ist es zum Wunsch gekommen, katholisch zu werden und was ist der beste Weg für einen Übertritt? Zur weiteren Vorbereitung gibt es dann spezielle Angebote. "In Hamburg, Berlin, München und Leipzig werden beispielsweise von den Jesuiten Konversionskurse angeboten ", erklärt Schönemann. Dabei geht es um wesentliche Inhalte des katholischen Glaubens: Gottesbild und Gotteserfahrung, Kirche, Sakramente, Heiliger Geist, Kirchenjahr, Gottesdienst, Gebet und Beichte.

Anschließend bittet der Seelsorger den Bischof wiederum um die Aufnahme in die Kirche. Die erfolgt in der Regel in einem Gottesdienst – entweder im kleinen Kreis oder mit der Gemeinde – bei dem der Konvertit das Glaubensbekenntnis spricht. Oft ist mit der Aufnahme auch das Sakrament der Firmung verbunden. Wer beispielsweise von den Baptisten, die keine Kindertaufe kennen, konvertiert, der wird zudem auch noch getauft.

Linktipp: Wieder mehr Kirchenaustritte

Wie schon im vergangenen Jahr, so stechen auch 2014 aus den vielen Zahlen der "Eckdaten des kirchlichen Lebens" die der Kirchenaustritte besonders heraus: Sie sind 2014 im Vergleich zu 2013 erneut deutlich angestiegen. Doch es gibt auch Lichtblicke.

Die Motivation zu konvertieren sei meistens eine andere als beim Wiedereintritt, "weil man von einer anderen christlichen Tradition her geprägt ist", sagt Schönemann. Dann stünden die Besonderheiten des Katholizismus im Fokus: die Liturgie, das Glaubenslebens, teilweise aber auch das Papstamt. "In einer Zeit, in der vieles unklar geworden ist, gibt es Menschen, die nach klaren und manchmal auch einfachen Antworten suchen", sagt der Theologe. Er kenne aber auch viele Konvertiten, die die katholische Kirche einfach glaubwürdiger fänden. "Bei denen steht der Katholizismus für ein klareres Konzept und eine klarerer Ekklesiologie." Generell lasse sich sagen, dass Christen, die übertreten, stärker über ihren Glauben reflektierten.

Schönemann: "In das Christsein hineinwachsen"

Das gilt aber genauso für die Erwachsenentaufe, die nach der Wiedervereinigung zunächst fast nur in Ostdeutschland eine Rolle gespielt hat, mittlerweile aber auch im Westen an Bedeutung gewinnt. "Wir befinden uns in einer Zeit des Übergangs von der Volkskirche hin zu einem neuen Modell", begründet Schönemann. Auch immer mehr Eltern, die selbst noch einer Kirche angehörten, wollten, dass ihr Kind selbst entscheidet, ob es sich taufen lässt oder nicht. Im Osten dagegen ist ein Großteil der Gesellschaft seit Generationen konfessionslos. Hier entscheiden sich Menschen für die Erwachsenentaufe, wenn ihnen Andere das Christsein glaubwürdig vorleben, sagt Schönemann. Das könnten beispielsweise der katholische Partner, andere Familienmitglieder, aber auch sonstige Orte sein, wo man mit Kirche und dem Glauben in Kontakt kommt.

"Als Erwachsener braucht es aber Zeit, um in das Christsein hineinzuwachsen", sagt Schönemann. Deshalb habe man seit einigen Jahren auch den altkirchlichen Katechumenat – also die geistliche Vorbereitung auf die Taufe – wiederbelebt. Der laufe in der Regel nicht nur zwischen Pfarrer und Taufbewerber ab, "sondern wird von anderen Christen begleitet, die Zeugnis geben können". Wie beim Konversionskurs lernen die künftigen Christen auch hier die Inhalte des Glaubens kennen. Sie feiern außerdem Gottesdienste mit und bekommen das Glaubensbekenntnis sowie das Vaterunser übergeben.

Ein wichtiger Einschnitt ist dann die Zulassung zur Taufe. Sie leitet über von der Zeit der entfernteren zur näheren, intensiveren Vorbereitung – in der Regel zu Beginn der österlichen Fastenzeit. "Die Taufe selbst findet dann gemeinsam mit Firmung und Erstkommunion in der Osternacht statt", sagt Schönemann. Ob die Erwachsenentaufe das Modell der Zukunft in Deutschland ist, möchte der Theologe nicht pauschal beurteilen. Er glaubt aber, dass das Christsein heute nicht mehr funktioniert, wenn es nicht "bewusst und entschieden aus einem reifen Glauben heraus gelebt wird".

Von Björn Odendahl