Bistum Würzburg findet Hinweise auf sexuellen Missbrauch in 47 Fällen
Bei einer Sichtung alter Personalakten von Seelsorgern im Bistum Würzburg durch eine externe Anwaltskanzlei haben sich in 47 Fällen Hinweise auf sexuelle Übergriffe ergeben. Betroffen seien ausschließlich Priester, nicht aber Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten, berichtete Rechtsanwalt Hans-Jochen Schrepfer am Freitag in Würzburg. Der Jurist hatte knapp 3.000 Akten von Seelsorgemitarbeitern für den Zeitraum von 1946 bis 1999 geprüft. Er hatte nach eigenen Angaben direkten Zugang zu den Datenbeständen.
In 29 Akten, ebenfalls ausschließlich von Priestern, ist laut Schrepfer von anderen Vorwürfen wie Körperverletzung oder Beleidigungen die Rede. Bei 18 weiteren Auffälligkeiten sei unklar, ob und was genau passiert sei. Weil nicht jede Akte mit nur einer Person in Verbindung stehe, könne hinsichtlich der Fallzahlen nicht auf die Zahl der betroffenen Personen geschlossen werden.
Das Projekt hatte der Würzburger Bischof Franz Jung im Dezember angekündigt. Es ergänzt die Untersuchung der MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz. Für diese Studie war im Bistum Würzburg nur der Zeitraum zwischen 2000 bis 2015 berücksichtigt worden, dazu auch ältere Akten ab 1946 aus dem sogenannten Geheimarchiv. Noch nicht abgeschlossen ist die Untersuchung der sogenannten Kilianeen, also von Knabeninternaten des Bistums Würzburg.
Sexuelle Vergehen, Körperverletzungen, Beleidigungen
Hinweise auf eine strafrechtliche Verfolgung finden sich dem Anwalt zufolge in 35 Akten. In 20 Fällen sei es zu einem Urteil gekommen, in 15 davon zu einer Strafe wegen sexueller Vergehen, aber auch Körperverletzungen und Beleidigungen. In fünf Fällen seien die Angeklagten freigesprochen worden. Die Gründe könnten nicht mehr nachvollzogen werden, so Schrepfer. Als Folge aus der Untersuchung seien von 59 ursprünglich nicht verfolgten Fällen 13 Akten an die Generalstaatsanwaltschaft weitergeleitet worden. 46 durch die Aktenfunde belastete Personen seien bereits verstorben.
Eine Untersuchung von Personalakten durch externe Anwälte im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal hatte in Deutschland erstmals das Erzbistum München und Freising 2010 veranlasst. Bei der 2018 veröffentlichten MHG-Studie werteten dagegen Wissenschaftler anonymisierte Daten aus, die die Diözesen teils durch externe Beauftragte in den Personalakten von Klerikern erheben ließen. In zehn ausgewählten Diözesen ging die Analyse bis zurück ins Jahr 1946.
Der Würzburger Generalvikar Thomas Keßler bat die Betroffenen auch im Namen von Bischof Jung um Vergebung. "Wir sind diese Aufarbeitung und die Konsequenzen, die wir daraus ziehen, allen Betroffenen schuldig." Viele litten ihr Leben lang an dem erlebten Missbrauch und Übergriffen. Mit Blick auf körperliche Züchtigung betonte Keßler, diese sei zwar früher allgemein üblich gewesen. "Heute müssen wir aber zugeben: Aus dem Geist des Evangeliums hätte ein Priester auch schon damals solche Züchtigung als erzieherische Maßnahme nicht durchführen dürfen."
Für die katholische Kirche hatten Wissenschaftler die "Studie über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" (MHG-Studie) Ende September in Fulda bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe vorgestellt. In den kirchlichen Akten der Jahre 1946 bis 2014 hatte das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute gefunden. Die Experten gehen zudem von weiteren Fällen aus, die nicht in den Akten erfasst sind. (tmg/KNA)