Ein Pro und Contra zur Silvester-Spendenaktion

Brot oder Böller?

Veröffentlicht am 30.12.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Liturgie

Bonn ‐ Jedes Jahr aufs neue: "Brot statt Böller". Sinnvoller Appell oder moralinsaure Spaßbremse? Redakteurin Agathe Lukassek findet die Spendenaktion gut. Ihr Kollege Felix Neumann plädiert dagegen für eine "katholische" Lösung.

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Pro: Brot statt Böller

Schon wieder: Jedes Jahr nach Weihnachten kritisiert derselbe Verein den "Brot statt Böller"-Aufruf und jedes Jahr tauchen dieselben Karikaturen auf, auf denen die Figuren in Brot gesteckte Feuerwerkskörper zünden wollen. Beides zielt darauf, den Spendenaufruf des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" zu diskreditieren, das dafür eintritt, an der Silvesterfeier gespartes Geld für wohltätige Zwecke zu spenden.

Ich gebe es zu: Mir ist ein leckeres Brot am Silvesterabend lieber als der Lärm der Knallerei und bevor ich Geld in Böller investiere, spende ich es lieber. Die Raketen stinken nicht nur und blasen 15 Prozent des jährlich durch Straßenverkehr verursachten Feinstaubs in unsere Luft. Sie verursachen außerdem jährlich tausende Verletzte, weil sich alkoholisiertes Feiern und Spiel mit dem Feuer nicht vertragen, beschädigen Autos und Balkone und verstören die Tiere.

Ja, ich klinge nun sicher auch als Katholikin wie eine "protestantische Spaßverderberin" – das ist der Vorwurf, den "Brot für die Welt" sich anhören muss. Dabei veröffentlicht das Hilfswerk gar keine Statistiken und versucht auch nicht, mit Argumenten wie den meinen oben das Böllern an sich  schlechtzumachen. Deren Argument lautet: "Der Spaß, den ein Feuerwerk macht, ist nur kurz. Die Freude, die durch Teilen entsteht, ist von Dauer." Es wird auch nicht behauptet, dass durch Verzicht auf Feuerwerksraketen automatisch die Nahrungsversorgung in den Entwicklungsländern besser würde.

Aber ein "Brot statt Böller"-Plakat kann mich zu Jahresende zum Nachdenken bringen: Was habe ich Gutes getan und wo nur an mich gedacht? Es ist sozusagen die letzte Chance vor dem Jahreswechsel etwas für eine gerechtere Welt zu tun. Und dann, bin ich mir sicher, fällt die Silvesterfeier fröhlicher aus als wenn sie nur eine kurze Unterbrechung im Alltag ist, der im nächsten Jahr ohne Änderungen weiterläuft.

Von Agathe Lukassek
Böller ragen aus Brötchen heraus.
Bild: ©dpa/Frank Rumpenhorst

Eher keine Alternative: Der Kompromissvorschlag "Brot mit Böller".

Contra: Brot und Böller!

Zugegeben, der Slogan ist gut: "Brot statt Böller" – kurz, knackig, klarer Gegensatz. Da weiß man, wo man steht. Aber es ist eben auch ein sehr protestantisch-strenger Slogan: Bloß kein Spaß, denkt denn hier niemand an die hungernden Kinder in Afrika!

"Brot statt Böller", das klingt, ganz unabhängig von konfessionellen Rangeleien, sehr nach Kirche. Hauptsache verbieten, Hauptsache schlechtes Gewissen. Und dann ist es auch noch so ein Verbieten von oben herab: Während die gutbürgerliche kirchliche Kernklientel zum Silvestergottesdienst und zum Konzert geht, böllern tendentiell eher Kirchenferne sich um Sinn und Verstand. (Das klingt nach Klischee, Milieustudien kirchlicher Zielgruppen legen den Schluss aber nahe.)

"Brot statt Böller", so eingängig die Formulierung auch ist, ist aber kontraproduktiv: Als ob allein Verzicht und Spaßbefreiung richtiges Handeln auszeichnen könnten! Gut katholisch will man antworten: nicht "aut aut", "entweder oder", sondern "et et", "sowohl als auch". "Brot und Böller" müsste doch das Ziel sein. Oder, um nicht in den Verdacht konfessioneller Nickeligkeiten zu kommen, mit einem Luther zugeschriebenen Zitat: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz." Natürlich ist das wichtig, wofür das "Brot" steht: Solidarität mit Menschen, die es schlechter haben. Wichtig ist aber auch, wofür die Böller stehen: Lebensfreude, eine gemeinsame Tradition, gemeinsames Feiern.

Klar: Gegen die Knallerei gibt es noch mehr einzuwenden als das Geld, das viel besser in wohltätigen Projekten angelegt wäre. Die Produktionsbedingungen, der Lärm, der Schmutz, der Feinstaub –das müssten aber alles lösbare Probleme sein. "Brot und Böller" – das wäre doch ein guter Slogan für eine neue fair gehandelte und feinstaubarme Feuerwerksvariante aus dem Weltladen!

Von Felix Neumann

Linktipp: Brot, Böller und Spenden

Die Spendenaktionen der Kirchen rund um Silvester kommen nicht immer gut an. Insbesondere "Brot statt Böller" – also zu spenden statt Feuerwerkskörper zu verpulvern – steht in der Kritik: Ist die Aktion zu moralinsauer? Katholisch.de hat bei verschiedenen Hilfswerken nachgefragt.