Den Augsburger Dom als 360-Grad-Tour im Netz
Ein Warnhinweis vorab: Wer die Seite domtour.bistum-augsburg.de aufruft, sollte schwindelfrei sein. Denn dahinter steckt ein virtueller Rundgang durch den Hohen Dom zu Augsburg - und dieser Trip nimmt schnell so viel Schwung auf wie ein ordentliches Karussell, wenn man die Maus seines Rechners nur etwas zu wild bewegt. Wobei das gleich zu dem führt, was dieses Angebot an 360-Grad-Fotos ausmacht: Es ermöglicht ungewöhnliche Blickweisen. Im Falle des allzu heftigen Schwungs etwa solche aufs Deckengewölbe. Um das ausgiebig zu bestaunen, müsste man sich in der Wirklichkeit schon auf den Boden legen - oder einen steifen Hals riskieren.
Doch auch bei der Tour am Rechner, per Handy oder mit einer Virtual-Reality-Brille setzt sich der Betrachter einer Gefahr aus: der nämlich, die nächste Stunde nichts anderes zu tun als sich von einer Ecke der Kathedrale in die nächste zu klicken. Das findet auch Karl-Georg Michel, Chef der Pressestelle des Bistums Augsburg, die das Projekt initiiert hat. "Denn selbst für jemanden, der den Dom schon sehr gut kennt", sagt Michel, "bietet die Tour Überraschendes." Zum Beispiel? "Mir war gar nicht bewusst, dass der Dom in Teilen eigentlich immer eine Baustelle war, was man bemerkt, wenn man durch die zahlreichen An- und Umbauten steuert."
Deutschlandweit einzigartig – und dreisprachig
Zur Idee des Projekts erklärt Michel, dass man damit den Dom den Menschen nahebringen wolle, gerade auch auswärtigen, die nicht regelmäßig in die Kathedrale hineingehen könnten. Das Angebot sei in dieser Form deutschlandweit einzigartig. So gebe es zwar etwa auch 360-Grad-Touren durch den Kölner oder den Münsteraner Dom - "aber dabei fehlt jeweils die Fülle und Ausführlichkeit der Informationen, die unsere Variante enthält". 50-mal kann man dabei ein kleines "i" antippen und bekommt dann von Diözesankonservator Michael Schmid zusammengestellte wissenswerte Fakten angezeigt. Übrigens nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch und Italienisch.
Doch das Eindrucksvollste sind die Bilder. Gemacht haben sie die Augsburger Fotografen Andreas Düren und Bernd Müller. "Sie haben mehr als 1.000 Einzelaufnahmen geschossen und diese zu 20 Panoramen zusammengesetzt", erklärt Michel. Dabei seien die Fachleute fast ohne Kunstlicht ausgekommen, weil sie ihre Bilder im vergangenen Frühjahr aufgenommen hätten. "Zu dieser Jahreszeit gibt es wegen des fehlenden Laubs der umstehenden Bäume und der schrägstehenden Sonne besonders gute Helligkeitsverhältnisse im Dom." Rund 12.000 Euro hat das Projekt gekostet. Die Investition habe sich auf jeden Fall gelohnt, meint der Bistumssprecher.
Das gilt für die Nutzer der 360-Grad-Tour insofern allemal, als sie bei dem virtuellen Rundgang durch Kapellen, Krypta und Kreuzgang nun Schätze sehen können, die ihnen bei einem realen Besuch verborgen blieben: beispielsweise der Bischofsthron im Scheitel des Westchors.
Denn der Westchor ist normalerweise durch ein Gitter für Besucher verschlossen. Zwar kann man an den Eisenstäben vorbei hineinschauen - doch vom Thron ist dann nur ein Stück zu sehen, der größte Teil versteckt sich hinter dem dortigen Altar. Der steinerne Sitz sei einer der ältesten Bischofsthrone Deutschlands, erklärt das angeklickte "i", entstanden vermutlich um das Jahr 1100.
Einladung zum "echten" Besuch
So bietet die am Computer simulierte Tour also durchaus Vorzüge gegenüber einer echten Begehung. Aber nicht zu viele: "Das Ganze soll nur eine Ergänzung zu einem wirklichen Besuch sein, die Menschen sollen ja auch weiterhin in den Dom kommen", sagt Michel. Daher ließen sich am Bildschirm beispielsweise nicht jedes Bild und nicht jede Skulptur bis ins letzte Detail vergrößern.
Doch auch ohne Makroaufnahmen macht der Augsburger Dom bei der 360-Grad-Tour einiges her. All seine uralten Säulen, imposanten Heiligenfiguren oder rauschend bunten Glasfenster sind eben wahrlich beeindruckend. Man könnte auch sagen, gerade wenn der Blick mal wieder unversehens an der Decke gelandet ist: einfach umwerfend.