Der Kameradiener des Papstes
Arturo Mari weiß, was es heißt, in seinem Job "aufzugehen": Der Römer stand 51 Jahre ununterbrochen in Diensten des Heiligen Stuhls. Sein Auftrag: die Päpste in der Weltöffentlichkeit besonders gut aussehen zu lassen. Mari war nämlich Papstfotograf beim "Osservatore Romano". Für so viele Arbeitsjahre gebe es nur einen Schlüssel: Demut. Das habe er von Johannes Paul II. gelernt, sagte der heute 77-Jährige einmal im Gespräch mit "Rome Reports".
Als der Römer 1956 im Alter von gerade einmal 16 Jahren als Fotograf bei der Vatikanzeitung anfing, hieß der Heilige Vater noch Pius XII. Fünf weitere Päpste begleitete Mari durch ihr Pontifikat, bis er sich 2007 in den Ruhestand verabschiedete. Am prägendsten waren für ihn die knapp 27 Jahre unter Johannes Paul II. – nicht nur wegen der Länge der Amtszeit. Zwischen den beiden entwickelte sich eine besondere Beziehung. "Er behandelte mich wie einen Sohn, und ich betrachtete ihn als meinen Vater", so Mari.
Ein junger Bischof sorgt für Furore
Kennengelernt hatten sich die beiden während des Zweiten Vatikanischen Konzils. Mari, damals Anfang 20, freundete sich in dieser Zeit mit dem Erzbischof von Warschau, Kardinal Stefan Wyszyński, an. Zu einer ihrer Begegnungen brachte der polnische Primas einen jungen Bischof namens Karol Wojtyła mit. Dieser fiel bei den Konzilssitzungen durch seine mutigen und fundierten Zwischenmeldungen auf. "Er war sehr feinfühlig, aber auch sehr entschlossen", erinnert sich Mari.
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Am 16. Oktober 1978 begegneten sich Mari und Wojtyła wieder. Es war der Tag, an dem der damalige Kardinal und Erzbischof von Krakau zum Papst gewählt wurde. Mari erinnert sich genau an die Szenen: "Auf einmal gab es weißen Rauch. 'Habemus papam … Karol Wojtyła.'" Die Leute hätten gefragt, ob er Afrikaner sei. "Ich schrie: 'Er ist es!' Ich war so glücklich, ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen." Als sich die Türen der Sixtinischen Kapelle öffneten, ging Mari hinein und sah den frisch gewählten Papst vor sich stehen. "Er sah mich an und bedeutete mir: 'Sieh mal, wie ich angezogen bin!' Er umarmte mich, er segnete mich, und dann bin ich meiner Arbeit nachgegangen."
Von diesem Moment an war Mari der Schatten des polnischen Pontifex. In der Amtszeit Johannes Pauls II. habe der Fotograf keinen einzigen Arbeitstag verpasst. "27 Jahre lang, vom ersten bis zum letzten Tag, war ich bei ihm." Der Papst hatte immer ein offenes Ohr für Mari: "Er nahm sich die Zeit, mich zu fragen, wie es mir geht, ob zu Hause alles gut läuft, mit meiner Frau. Er sprach dreimal mit ihr, und ich weiß immer noch nicht, was er ihr gesagt hat. Immer wenn ich sie frage, sagt sie: 'Das geht dich nichts an!'"
Ein intensives Arbeitspensum
Die Tage waren damals lang. "Ich musste um 6.20 Uhr morgens bei der Arbeit sein, denn das erste Ereignis jeden Tages war die Morgenmesse um 7. Und dann gab es die Audienzen", erzählt Mari. Sein Durchschnittstag endete nicht vor 22.30 Uhr. "Wenn wichtige Leute kamen, arbeitete ich bis 23.30 Uhr oder Mitternacht, oder auch 3 Uhr morgens, in einem Aufwasch."
Nicht nur im Vatikan begleitete er den Papst beinahe auf Schritt und Tritt, sondern auch bei den über 100 Auslandsreisen. Mari erinnert sich noch sehr genau an einige der zahlreichen Begegnungen des Pontifex mit den Menschen. Diese waren immer von großer Herzlichkeit geprägt. Johannes Paul II. scheute die Nähe nicht. Eine Szene in einem Krankenhaus wird Mari nie vergessen: Der Heilige Vater hob ein Mädchen hoch, dessen Augen geschlossen waren. Er wiegte es in seinem Armen, und die Augen des Mädchens öffneten sich – "und es waren so große, wundervolle Augen".
Maris Bilder gingen um die Welt, zwei davon ganz besonders. Das erste schoss er bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz am 13. Mai 1981. Der Papst ließ sich auf einem Jeep durch die Menge fahren, Mari lief wie immer daneben her. Dann fielen Schüsse. Ob und wie er auf den Auslöser drückte, daran kann sich Mari nicht mehr erinnern. Doch die Bilder des Attentats waren auf dem Film. Anderthalb Tage später gab es eine Krisensitzung im Vatikan. Johannes Paul II. hatte die Operation zwar gut überstanden, doch die Welt war in Aufruhr wegen der Ereignisse.
Mari schlug dem Vatikan vor, selbst ein Bild des Papstes zu veröffentlichen. Das würde die Situation entschärfen. Das Staatssekretariat war einverstanden. Wenige Tage später betrat Mari das Zimmer auf der Intensivstation der römischen Gemelli-Klinik. Johannes Paul II. lag in seinem Bett, im Patientenkittel und mit Kanülen im Arm. "Arturo, mein Sohn, dass wir uns noch lebend sehen", sagte er. Mari weinte, Tränen liefen über den Sucher der Kamera. Er sah nichts, aber er drückte auf den Auslöser.
"Der richtige Papst zur richtigen Zeit"
Mari ist überzeugt: Johannes Paul II. war "der richtige Papst zur richtigen Zeit". In all den Jahren an seiner Seite war der Fotograf Zeuge, wie die Parkinson-Krankheit nach und nach den Körper des Pontifex zerstörte –"ein Leiden, das er mit der Welt geteilt hat", wie Mari es bezeichnet. Der schwierigste und gleichzeitig schönste Moment mit Johannes Paul II. war derjenige, als sich die beiden Lebewohl sagten. Es war kurz, bevor der Papst starb. Er ließ Mari in sein Zimmer kommen.
"Sie sagten zu ihm: 'Heiliger Vater, Arturo ist da.' Er lag in seinem Bett und drehte sich langsam um. Als ich ihn sah, hüpfte mein Herz. Er trug ein Lächeln auf den Lippen, er hatte Augen, die ich monatelang nicht gesehen hatte. Ich war so bewegt, dass ich mich vor ihm niederkniete. Am Ende sagte er zu mir: 'Danke, Arturo, danke!'"
Was seine Fotos so erfolgreich gemacht hat? Glück, meint Arturo Mari. Er sei einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. "Das große Geheimnis eines Fotografen ist, in das Charisma der Person einzusteigen, die vor dir steht. Wenn du es nicht fühlst, wirst du es niemals gut machen."