Der neue Papst und die alte Diktatur

Veröffentlicht am 15.03.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Franziskus

Bonn ‐ Bergoglio und die Geschichte: Schnell mischten sich in den allgemeinen Jubel über die Wahl des Erzbischofs von Buenos Aires zum Pontifex auch kritische Stimmen zur Rolle des Geistlichen während der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983). Konkret geht es um die Verschleppung und Inhaftierung zweier Ordensleute. Prominente Südamerikaner verteidigen Papst Franziskus , der von 1973 bis 1979 Leiter der argentinischen Provinz des Jesuitenordens war, gegen die erhobenen Vorwürfe. Und eines der damaligen Opfer hat sich nun selbst zu Wort gemeldet.

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Im Mai 1976 waren die beiden ehemaligen Jesuitenpater Orlando Yorio und Francisco Jalics von Militärs entführt und für mehrere Monate inhaftiert worden. Da die beiden zuvor wegen theologischer Differenzen von Bergoglio aus dem Orden ausgeschlossen worden waren, warfen ihm drei Jahrzehnte später argentinische Publizisten vor, er habe die beiden schutzlos gelassen und damit indirekt den Militärs ausgeliefert.

Der mittlerweile in Deutschland lebende Jalics schreibt in einer am Freitag veröffentlichten persönlichen Erklärung , dass er zur Rolle von Bergoglio in dieser Sache keine Stellung nehmen kann. "Nach unserer Befreiung habe ich Argentinien verlassen", schreibt Jalics und weiter: "Erst Jahre später hatten wir die Gelegenheit mit P. Bergoglio, der inzwischen zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt worden war, die Geschehnisse zu besprechen." Man habe gemeinsame eine Messe gefeiert und sich umarmt. "Ich bin mit den Geschehnissen versöhnt und betrachte sie meinerseits als abgeschlossen."

Beistand vom Friedensnobelpreisträger

Bergoglio selbst sagte 2010 in einem Zeitungsinterview, er habe sich während der Diktatur für mehrere bedrohte Seminaristen und Priester eingesetzt. Dabei habe er auch mit den Junta-Führern Jorge Videla und Emilio Massera gesprochen, um sich für die Betroffenen einzusetzen. Eine gleichlautende Aussage machte er auch im November 2010 als Zeuge vor Gericht.

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Video: © katholisch.de

Sarah Schortemeyer hat das "Habemus Papam" und den ersten Auftritt von Jorge Mario Bergoglio live auf dem Petersplatz erlebt.

Unterstützung erhält der Papst durch den Bürgerrechtler Adolfo Perez Esquivel. Der 1980 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Argentinier hat Berichte kategorisch dementiert, wonach Franziskus mit den damaligen Machthabern paktiert habe. "Es gab Bischöfe, die Komplizen der Diktatur waren, aber Bergoglio nicht", sagte der 81-Jährige am Donnerstag dem spanischsprachigen Dienst der BBC. ´

Es gebe keinerlei Verbindung zwischen Bergoglio und der Diktatur, so Esquivel weiter. Ebenso bestätigte er der BBC, dass ähnlich wie Bergoglio auch andere Bischöfe versucht hätten, bei den Generälen zugunsten von Verschleppten und Inhaftierten zu intervenieren.

Ebenso keine Grundlage für die Anschuldigungen sieht der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff. "Im Gegenteil: Er hat viele gerettet und versteckt, die von der Militärdiktatur verfolgt wurden", sagte Boff am Donnerstag in Rio de Janeiro. Im Hinblick auf die Aussagen von Esquivel betonte Boff, der als großer Kritiker der Amtskirche bekannt ist, dass Esquivel zu Diktaturzeiten hart gefoltert worden sei, und er Bergoglio gut kenne.

Vatikan-Sprecher spricht von Kampagne

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi sprach am Freitag von einer Kampagne gegen Bergoglio, die "bestens bekannt und bereits mehrere Jahre alt" sei, berichtet Radio Vatikan. Zudem werde sie durch ein Publikationsorgan verbreitet, das auf solche teils auch rufschädigenden und verleumderischen Kampagnen spezialisiert sei. Den Namen der Publikation nannte er nicht, bezog sich aber offensichtlich auf die argentinische Zeitschrift "pagina 12". Sie hatte die Beschuldigungen gegen Jorge Mario Bergoglio erstmals 2005 verbreitet.

Weiter sagte Lombardi, dass es nie eine konkrete und glaubwürdige Anklage gegen Bergoglio gegeben habe. Die argentinische Justiz habe ihn einmal als Zeugen befragt, ihn aber nie irgendeiner Verfehlung angeklagt.

Pater Lombardi betonte, dass es im Gegenzug zahlreiche Erklärungen gebe, die beweisen, wie viel Bergoglio getan habe, um viele Menschen in Zeiten der argentinischen Militärdiktatur zu schützen, so Radio Vatikan weiter. Ebenfalls bekannt sei die Rolle Bergoglios – in seiner Zeit als Bischof – bei der Beförderung der Bitte nach Vergebung durch die argentinische Kirche, weil sie in Zeiten der Diktatur nicht genug getan habe.

Deutscher Jesuit sieht Schatten

Der deutsche Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach sieht die Rolle des neuen Papstes während der argentinischen Militärjunta kritisch: "Ich denke, das ist ein Schatten", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Die argentinischen Jesuiten seien damals gespalten gewesen, ihre Mehrheit allerdings "sehr stark verfilzt" mit den konservativen und nationalistischen Kräften.

Nach Einschätzung Hengsbachs hat der heutige Papst Jalics und dessen Mitbruder vor der Gefahr eines bevorstehenden Putsches gewarnt. Die Frage sei: Habe Bergoglio kooperiert, um Leben zu schützen - oder hätte er besser konfrontativ mit der Junta umgehen sollen, so Hengsbach im Radio.

Fehler gemacht und eingesehen

Gegenüber katholisch.de hat auch das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat Franziskus gegen die Vorwürfe verteidigt. Zwar hat Bergoglio laut Christian Frevel, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit bei Adveniat, während der Diktatur Fehler gemacht, diese aber auch selbst eingesehen.

Mit Blick auf die Vergangenheit von Papst Franziskus sagte Frevel: "Wer Schatten suchen will, der wird welche finden". Wichtig sei jedoch, dass das neue Kirchenoberhaupt in der Lage sei, eigene Fehler einzusehen und diese mit anderen zu besprechen.

Außerdem gebe es eine Reihe von argentinischen Bischöfen, die Bergoglio den Rücken gestärkt hätten. Auch jene Oberhirten, die selbst unter der Militärdiktatur gelitten hätten, hätten Bergoglio als "guten Mann" bezeichnet. (meu/stz/KNA/dpa)