Der Papst am Grab eines unbequemen Geistlichen
Strahlend blauer Himmel und ein Wind, der Geistlichen das Scheitelkäppchen vom Kopf weht und Hunderte regenbogenfarbener Friedensfahnen laut flattern lässt. Das sind die äußeren Bedingungen der jüngsten Italienreise des Papstes. Sie führt ihn nach Alessano und Molfetta, zwei Orte im Absatz des italienischen Stiefels. Orte, an denen "Don Tonino" wirkte. Antonio Bello (1935-1993), dessen Todestag sich an diesem Freitag zum 25. Mal jährt, gilt als "Bischof der Armen".
Sein Konterfei ist auf großen Plakaten neben dem des Papstes zu sehen. Der aber wird an diesem Vormittag der jubelnden Menge in Apulien vermitteln, dass Sympathie für Don Tonino zu wenig ist. Das Lebenszeugnis des Volksheiligen verlange mehr. Ein solcher ist Don Tonino - ähnlich wie Padre Pio -, wenn auch nicht so bekannt und vor allem ganz anders.
Beliebt sind beide auch wegen ihrer Bescheidenheit. Als Bischof verwahrte Bello sich gegen die übliche Anrede "Monsignore" und ließ sich weiter "Don" nennen. Er habe eine "Allergie gegen Titel und Ehrungen gehabt", hebt Franziskus hervor, habe sich "jedes Zeichens der Macht entledigt und auf die Macht der Zeichen" gesetzt.
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So war Bello als Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Italien im Dezember 1992, bereits von Magenkrebs gezeichnet, mit rund 500 Freiwilligen von Ancona ins belagerte Sarajewo aufgebrochen. Die Madonna, so Bello damals, und Nebel verhinderten, dass serbische Scharfschützen die Friedensdemonstranten treffen konnten. Heute würde Bello vielleicht nach Syrien gehen, kommentierte sein Nachfolger, Bischof Domenico Cornacchia.
Bello war und ist wegen seines politischen Engagements nicht unumstritten. Er schrieb Gastbeiträge für die damals kommunistische Zeitung "Il Manifesto", bezog Stellung in Arbeitskämpfen, kritisierte die Verarmung des Südens. Im ersten Golfkrieg positionierte er sich so sehr, dass man ihm Anstiftung zum Desertieren vorwarf.
Papst über Don Tonino: "Mit den Füßen auf der Erde, den Augen zum Himmel"
In seiner Ansprache in Bellos Geburtsort Alessano geht Franziskus auf diese Einzelheiten nicht ein. Für Don Tonino habe immer "der Arbeiter in seiner Würde" im Vordergrund gestanden, "nicht die Gier des Profits". Zudem sei er ein echter Sohn seines Landes gewesen, des verarmten und vernachlässigten Apulien. "Don Tonino war ein Mann dieser Erde, hier wuchs seine Berufung zum Priestertum", hebt der Papst hervor.
"Mit den Füßen auf der Erde, den Augen zum Himmel und einem Herzen, das beides verbindet", habe Bello für eine Kirche gestritten, die "verliebt in Gott und voller Leidenschaft für den Menschen ist". Die Kirche, das habe Bischof Bello stets deutlich gemacht, dürfe nicht weltlich sein, müsse aber im Dienst an der Welt stehen, sagt Franziskus unter dem Beifall der rund 20.000 Gläubigen.
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Auch später während der Messe im 250 Kilometer nördlich gelegenen Hafenort und Bischofssitz Molfetta ist der Papst in seiner Predigt außergewöhnlich drängend und fordernd. Von Bedenkenträgern, "Couch-Potatoes", Theoretikern der Armut, bloßen Genießern andächtiger Riten hält er nichts, wie er deutlich macht.
"Nach der Messe lebt man nicht mehr für sich, sondern für die anderen"
Vor rund 40.000 Gläubigen findet er die Begründung dazu im Evangelium der sogenannten Brotrede bei Johannes. Das "himmlische Brot", den Leib Christi, in der Kommunion zu empfangen, "ist nicht ein schöner Ritus, sondern die intimste, konkreteste und überraschendste Gemeinschaft mit Gott, die man sich vorstellen kann", so Franziskus. Dadurch werde der Gläubige Christus ähnlicher. "Deswegen könnte man an jeder Kirchentür ein Schild anbringen: 'Nach der Messe lebt man nicht mehr für sich, sondern für die anderen'", so der Papst. Und das habe Don Tonino getan.
Etwas von seinem Verständnis als Priester formulierte Don Tonino einmal so: "Was nicht im liturgischen Kleiderschrank hängt und noch nie einem Priester zur Weihe geschenkt worden ist, davon berichtet das Johannesevangelium in der Erzählung von der Fußwaschung" - die Schürze. Franziskus hat diesen Satz unlängst in einem seiner monatlichen Gebetsanliegen zitiert. Kein Zweifel: Der drei Jahre vor ihm geborene Don Tonino ist ein Vorbild für Franziskus.