Der Vatikan als Höhepunkt der Karriere
Die Via di Villa Sacchetti in Rom ist im weltumspannenden Netz der 227 deutschen Auslandsvertretungen ein besonderer Ort. Hier, im eleganten Stadtteil Parioli unweit der Parkanlage Villa Borghese, hat die Deutsche Botschaft beim Heiligen Stuhl ihren Sitz. Die Vertretung, die für die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vatikan zuständig ist, ist für viele deutsche Diplomaten ein Sehnsuchtsort. Denn wer hier Botschafter wird, darf – meist kurz vor dem Ruhestand und als Höhepunkt der diplomatischen Laufbahn – auf einem der prestigeträchtigsten und höchstdotierten Posten im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Platz nehmen.
Vor wenigen Tagen ist Michael Koch diese Ehre zuteil geworden. Der 62-Jährige hat am 6. August als Botschafter die Nachfolge von Annette Schavan angetreten, deren Amtszeit Ende Juni nach vier Jahren zu Ende gegangen war. Anders als seine Vorgängerin, die direkt aus der Politik in den Auswärtigen Dienst gewechselt war, ist Koch gelernter Diplomat. Die Botschaft kehrt damit zum Regelfall zurück, denn dass Politiker ohne diplomatische Ausbildung als Botschafter ins Ausland wechseln, ist in Deutschland die Ausnahme. Vor Schavan war mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger nur ein deutscher Vatikan-Botschafter direkt aus der Politik gekommen, alle anderen Vertreter waren gelernte Diplomaten.
Schon in jungen Jahren in der Welt herumgekommen
Koch stammt aus einer Diplomatenfamilie und kam deshalb schon in jungen Jahren in der Welt herum. Geboren wurde er 1955 in Kansas City in den USA, zur Schule ging er in Amsterdam, Bonn, Ottawa und Rabat. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Tübingen und Bonn und beendete das Studium 1981 mit dem Zweiten Staatsexamen. Nach einem Intermezzo bei einer Anwaltskanzlei in Toronto arbeitete er von 1982 bis 1986 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationales Recht der Universität Kiel.
Linktipp: Michael Koch wird neuer Botschafter beim Heiligen Stuhl
Nach vier Jahren geht Ende Juni die Amtszeit von Annette Schavan als deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl zu Ende. Jetzt steht fest, wer ihr auf dem Posten nachfolgt. (Artikel von Mai 2018)1986 trat Koch in den Auswärtigen Dienst ein, wo er nach der Attaché-Ausbildung zunächst Referent in der Unterabteilung für die Europäische Gemeinschaft in Bonn wurde. Anschließend folgte von 1988 bis 1991 die erste Auslandsstation am Generalkonsulat in San Francisco, parallel wurde er 1990 an der Universität Bonn mit einer Dissertation zum Thema "Zur Einführung eines Grundrechtskataloges im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland" promoviert.
Im Anschluss war Koch zwischen 1991 und 1995 erst stellvertretender Büroleiter und dann Büroleiter des Koordinators der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Werner Weidenfeld. Anschließend übernahm er drei Jahre lang die Aufgabe des Ständigen Vertreters des Botschafters in Myanmar.
Nach Schavan wieder ein Katholik
Nach der darauf folgenden Leitung des Arbeitsstabs "Zukunftsperspektiven des Auswärtigen Dienstes" in der Zentralabteilung des Auswärtigen Amtes war Koch von 2001 bis 2004 Leiter der Politischen Abteilung der Botschaft in Indien und danach Leiter des Sonderstabes Afghanistan im Auswärtigen Amt in Berlin. Im Jahr 2008 wechselte er erneut nach Asien und wurde Botschafter in Pakistan. Vier Jahre später übernahm er die Aufgabe als Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, bevor er 2015 Völkerrechtsberater der Bundesregierung und Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt wurde.
Koch ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Außerdem ist er wie seine Vorgängerin Schavan katholisch. Das ist deshalb bemerkenswert, weil die Bundesrepublik eigentlich einst beschlossen hatte, den Botschafterposten beim Heiligen Stuhl immer abwechselnd mit einem Katholiken und einem Protestanten zu besetzen. Allerdings wurde von diesem Prinzip seit der Eröffnung der Botschaft 1954 bereits mehrfach abgewichen. Unter den bisherigen deutschen Botschaftern im Vatikan waren mit Koch 11 Katholiken und 9 Protestanten.
Der Geistliche Botschaftsrat als Besonderheit
Zu den Aufgaben der Deutschen Botschaft gehört der Kontakt zu Entscheidungsträgern in der vatikanischen Kurie, die Berichterstattung über Positionen des Vatikan, die Betreuung offizieller Besucher aus Deutschland, die Pflege kultureller Beziehungen und der Kontakt zur katholischen Kirche in Deutschland. Eine Besonderheit der Botschaft beim Heiligen Stuhl ist die Position des Geistlichen Botschaftsrats; dieser berät die Botschafter in theologischen und kirchenrechtlichen Fragen. Seit Anfang 2016 wird diese Aufgabe von Monsignore Oliver Lahl ausgefüllt. Der Priester aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart war zuvor viele Jahre lang Privatsekretär von Kardinal Walter Kasper.
Die Anfänge diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl gehen zurück bis in das 16. Jahrhundert. Bayern war seit Beginn des 17. Jahrhunderts, Preußen seit 1747 mit einem Botschafter im Vatikan vertreten. 1920 wurden die preußische Gesandtschaft zur Botschaft des Deutschen Reichs umgewandelt; erster Botschafter war Diego von Bergen. Sein Nachfolger war von 1943 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Ernst von Weizsäcker, der Vater des späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.