Dogmatiker Tück kritisiert Heiligsprechungen von Päpsten
Kritik an der Vielzahl von Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten hat der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück geübt. Die "Akkumulation von Heiligsprechungen von Päpsten durch Päpste" rufe inzwischen "selbst bei gläubigen Katholiken ein gewisses Stirnrunzeln hervor", schreibt Tück in einem Beitrag für die "Neue Zürcher Zeitung" (Mittwoch). Anlass der Wortmeldung des Theologen ist die nahende Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978) am Sonntag durch Papst Franziskus in Rom.
Die Kritik des Theologen entzündet sich dabei nicht allein an der Häufung der Selig- und Heiligsprechungen in den vergangenen drei Pontifikaten, sondern vor allem an der aktuellen innerkirchlichen Krisensituation: "Steht die Selbstsakralisierung der Institution Kirche nicht in krassem Missverhältnis zu den Krisen und Skandalen, die in letzter Zeit publik geworden sind?", fragt Tück. "Man könnte meinen", so der Theologe weiter, "dass der anhaltende Bedeutungsverlust, den die päpstliche Autorität in den freien Gesellschaften erlitten hat, durch eine gesteigerte Bedeutungszuschreibung auf der Ebene des Persönlich-Charismatischen aufgefangen werden soll."
Nicht selten kirchenpolitisch motiviert
Beispiele für die vermehrte Selig- und Heiligsprechungspraxis gebe es genug: angefangen bei Pius X. (1903-1914), der 1954 durch Papst Pius XII. (1939-1958) heiliggesprochen wurde, über die Päpste Pius IX. (1846-1878) und Johannes XXIII. (1958-1963), die beide im Jahr 2000 durch Johannes Paul II. (1978-2005) seliggesprochen wurden, bis hin zum polnischen Pontifex selbst, den Papst Benedikt XVI. (2005-2013) schließlich 2011 selig- und Papst Franziskus 2014 heiliggesprochen hatte. Ein weiteres Seligsprechungsverfahren läuft für den 33-Tage-Papst Johannes Paul I. (1978).
Gewiss würden diese Selig- und Heiligsprechungen die Lebensleistungen der betreffenden Päpste für die Kirche würdigen, jedoch seien sie auch nicht selten kirchenpolitisch motiviert, so Tück - etwa, wenn wie im Fall Pius X. und Pius IX. jeweils ein Anti-Modernist und Liberalismus-Kritiker zur Ehre der Altäre erhoben wurde; oder wenn im Fall Johannes XXIII. jener Papst gewürdigt wurde, der das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) einberufen hatte.
Papst Franziskus wird am Sonntag neben Papst Paul VI. auch den salvadorianischen Bischof Oscar Romero (1917-1980) und die deutsche Schwester Maria Katharina Kasper (1820-1898), Gründerin der Ordensgemeinschaft der "Dernbacher Schwestern", kanonisieren.
"Mein Onkel Battista"
Aus Anlass der Heiligsprechung äußerte sich die Nichte Pauls VI., Chiara Montini, in einem Interview über ihren Onkel. Sie erinnere sich an ihn als einen "warmherzigen und zuvorkommenden Onkel", sagte sie der Wochenzeitung des Bistums Brescia, "La Voce del Popolo". Der Papst mit dem bürgerlichen Namen Giovanni Battista Montini sei "ganz anders gewesen als das kühle und distanzierte Image, mit dem Paul VI. oft dargestellt wurde", so die Nichte.
Papst Paul VI. sei ihr "Onkel Battista" gewesen, mit dem sie in Urlaub in norditalienische oder Schweizer Klöster gefahren seien, so Chiara Montini. Sie habe ihren Onkel als einen "stets besonders aufmerksamen" Mann in Erinnerung, der seine volle Aufmerksamkeit seinem Gegenüber gewidmet habe. (tmg/KNA)