Ein Medizinstudent im Priesterseminar
Seit 1773 werden in dem imposanten Gebäudekomplex in der Innenstadt Geistliche ausgebildet. Im Studienjahr 1983/84 gab es allein in Trier 160 Seminaristen - aktuell sind es gerade einmal acht, die noch eine Hauskommunität bilden. Für Ackermann war damit eine Untergrenze erreicht. Becker und sein Stellvertreter Oliver Laufer-Schmitt zeigen Verständnis für den Schritt ihres Bischofs. Becker spricht von einem "Weckruf"; man müsse junge Männer mehr ermutigen, ihre Berufung zu entdecken.
Nicht nur an der Mosel leeren sich die Priesterseminare. 2003 waren es bundesweit noch 967, 2015 nur noch 532 angehende Pfarrer. Überall in den Diözesen ist Bewegung in die Priesterseminare gekommen, weiß der Vorsitzende der deutschen Regentenkonferenz, Münsters Regens Hartmut Niehues. Nur wenn Häuser geschlossen werden, gehe es um Umnutzung. In den anderen Häusern aber stehe die gute Priesterausbildung im Vordergrund. Vornehmliches Ziel aller Überlegungen sei aber nie die reine Auslastung der Häuser, erläutert Niehues. Vielmehr seien alle Projekte von der Frage geleitet, wie die Priesterausbildung im Hause noch verbessert werden kann.
Die Gruppengröße spiele dabei eine wichtige Rolle. "Je kleiner desto schlechter", so der 44-Jährige. Es bedürfe einer Hausgemeinschaft, die selbst lebensfähig ist und die in etwa auch die Lebenswirklichkeit in der Gesellschaft darstellt. "Priester sein funktioniert heute nur in dem Bewusstsein, mitten im Volk Gottes und für das Volk Gottes zu leben", bringt Niehues es auf eine theologische Formel. Deshalb sind im altehrwürdigen Borromaeum in Münster mit seinen 120 Einzelzimmern auch längst nicht mehr nur die Priesteramtskandidaten des Bistums untergebracht. Auch die Diözesen Essen und Aachen lassen ihre Kandidaten hier ausbilden.
Zu den derzeit 25 Kandidaten kommen drei Diakone im Pastoralkurs, zwei Koreaner, die nach ihrer Ausbildung wieder in die Heimat gehen, und - ganz wichtig für Niehues - Studenten anderer Fächer, darunter Juristen, Mediziner, Psychologen und Lehramtler. Sie leben mit den Seminaristen bunt gewürfelt in Wohngemeinschaften zusammen. Es seien Menschen, die dem Priesterberuf positiv gegenüberstünden, die die Ausbildung unterstützen und sich selbst "den Fragen des Glaubens" stellten.
"Zahlen sprechen eindeutige Sprache"
"Das System, wie es bisher besteht, ist am Ende", sagt Regens Hartmut Niehaus über die Situation der Kirche in Deutschland. Spricht da ein Schwarzmaler? Nein, ein Realist, sagt der Münsteraner Priesterausbilder. Im Interview mit katholisch.de erläutert er seinen Ansatz, wie mit der angespannten Lage umzugehen ist: Die Priester müssen teamfähiger werden und die Laien ihre eigene Berufung stärker wahrnehmen.Einmal im Jahr kommt zudem jeder Priester des Bistums eine Woche zur Fortbildung ins Borromaeum. Und seit September leben sieben syrische Flüchtlinge hier. "Die Themen Migration und Flucht sind mitten unter uns", sagt Niehues. Im Trierer Seminar sind bereits seit Jahren Räume an kirchliche Einrichtungen vermietet. Dem Leerstand kann der Regens auch Positives abgewinnen: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir viel mehr als bisher ein Haus der Begegnung werden."
Viel verspricht er sich auch vom neuen Orientierungs- und Sprachenjahr "Felixianum", das nach einem Gebäudetrakt benannt ist und im Herbst startet. Es richtet sich an junge Christen, die ein Interesse am Theologiestudium oder einem Beruf in der Kirche haben. Mögliche angehende Priester, Diakone und Gemeindereferentinnen "wohnen gemeinsam, lernen gemeinsam die alten Sprachen, sie teilen ihren Glauben. Das wird die Gruppen einander näher bringen", sagt Laufer-Schmitt. Aus anderen Seminaren wie Freiburg und Tübingen, wo es solche Programme bereits gibt, gebe es positive Erfahrungen.
Regens Becker blickt mit Zuversicht in die Zukunft. Er ist sich sicher, dass der enge Kontakt zu den Nachwuchspriestern auch dann bestehen bleibt, wenn sie auswärts studieren. Denn ihr Propädeutikum und den abschließenden Pastoralkurs werden sie auch künftig in Trier absolvieren.