Eine Gemeinde auf hoher See
Ob es die Serie "Das Traumschiff" war, die den Brühler Pfarrer Klaus Berboth zu seiner ersten Fahrt als Kreuzfahrtseelsorger inspiriert hat? Jedenfalls betrat der Seelsorger 1982 zu ersten Mal ein Kreuzfahrtschiff und hat es seither immer wieder getan.
35 bis 40 Reisen werden es wohl in den vergangenen drei Jahrzehnten gewesen sein, so ganz genau kann Berboth es gar nicht mehr sagen. Was er aber mit Sicherheit weiß: Seine Lust auf das Meer ist bis heute ungebrochen. Und deshalb findet er sich jedes Jahr im Oktober zusammen mit anderen Kreuzfahrtseelsorgern in Bonn ein. Dort, beim Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, gehen die Anfragen der Reeder ein und dort werden die Schiffsreisen verteilt. Ozeanriesen sind nicht dabei. Dafür die kleineren Schiffe, mit älterem Publikum, auf denen es ruhiger zugeht und nicht die Party im Vordergrund steht.
Ökumene auf dem Meer
"Früher war ich häufiger mit einem evangelischen Kollegen zusammen an Bord", erzählt Pfarrer Berboth. Heute teilen sich katholische und evangelische Kreuzfahrtseelsorger die Reisen untereinander auf. Trotzdem ist das Angebot immer ökumenisch ausgerichtet und bezieht alle interessierten Reisenden mit ein. Sobald Pfarrer Berboth das Schiff betreten hat, ist er dem Entertainmentmanager zugeordnet, hat aber wie Lektoren und Künstler Passagierstatus und arbeitet ehrenamtlich. Früher hat er dafür Urlaub genommen. Heute ist er im Ruhestand und kann nach Herzenslust zur See fahren.
Zwei Wochen dauert eine Reise in der Regel und Berboth hat gut zu tun. Morgengebete und Andachten, Gottesdienste und Seelsorgegespräche, die meist in einem der Salons stattfinden, denn nur selten gibt es eine Kapelle. "Das habe ich bisher nur einmal erlebt, auf der Maxim Gorki." Den Gottesdienst in einem Veranstaltungsraum abzuhalten ist also auf dem Meer ganz normal. "Am liebsten ganz oben und ganz vorne mit Blick auf das offene Meer." Altar, liturgische Geräte, Gesangbücher und ein Klavier seien in der Regel vorhanden. "Manchmal begleitet der Ozeanpianist den Gottesdienst, ab und an singt auch einer der Künstler."
Auch so mancher Gottesdienstbesucher bringt sich ein. "Oft werde ich von Menschen angesprochen, die in ihrer Heimatgemeinde Lektoren oder Kommunionausteiler sind. Sie bieten dann ihre Hilfe an." Ob die Gottesdienste gut besucht sind? "Das ist ganz unterschiedlich. Ich bin zweimal hintereinander mit der MS Astor nach Norwegen gefahren. Bei der einen Fahrt saßen 30 Gottesdienstbesucher im Salon, bei der anderen waren es 120." Gerade bei Kreuzfahrten die über Ostern, Pfingsten oder Weihnachten stattfinden, finden mehr Menschen den Weg in die Bordkirche.
Offenes Ohr für die Besatzung
Und auch die Crew, darunter sehr viele katholische Philippiner, freuen sich über einen Gottesdienst. "Da müssen wir dann eine Zeit ausmachen, zu der sie nicht arbeiten. In der Regel ist das am späten Abend, etwa 23.30 Uhr, wenn an Bord Ruhe einkehrt." Es zeigt, wie hart die Arbeit im Service ist. "Das geht sieben Tage die Woche so, einen freien Tag hat die Crew nicht." So mancher habe ihm fernab der Heimat schon sein Leid geklagt. "Da ist dann ein philippinischer Vater, der auf dem Schiff arbeitet, während die Mutter Hausmädchen in China ist. Die Kinder wachsen bei den Großeltern auf und die Familie sieht sich nur zwei oder drei Tage im Jahr."
Ein offenes Ohr zu haben für die Menschen an Bord, seien es die Crewmitglieder oder die Gäste, ist für Berboth selbstverständlich. "Auf dem Schiff bin ich immer präsent. Das ist anders als in der Gemeinde, wo die Menschen ihren Pfarrer kaum noch zu Gesicht bekommen." Für seine Gemeinde auf Zeit ist er immer da und immer im Blick. Und das ist gut so. Denn eine paradiesische Umgebung muss nicht immer bedeuten, dass es allen gut geht. Vielmehr haben die Reisenden nun Zeit, über sich und ihr Leben nachzudenken.
"Einmal hat mich ein älterer Herr angesprochen und begann mir aus seinem Leben zu erzählen. Stundenlang haben wir geredet und er hat sein ganzes Leben vor mir ausgebreitet." Ein andermal habe er eine Dame an Deck angesprochen, die mit traurigem Gesicht dort saß. "Sie hatte sich mit ihrem Mann gestritten und hing ihren trüben Gedanken nach." Die Anonymität auf dem Schiff löst vielen die Zunge. "Oft ist es leichter mit einem Fremden zu sprechen, den man nie mehr wiedersieht", sagt Berboth. Da sei das Vertrauen größer, als wenn man dem Pfarrer zwei Tage später wieder auf dem Wochenmarkt begegnet.
Freude und Leid nah beeinander
Das Kreuzschiff, ein Mikrokosmos, auf dem Leichtigkeit und Urlaubsgefühle vorherrschen, aber eben manchmal auch Leid. Da viele Passagiere bereits im Rentenalter sind endet ihre Reise hin und wieder vorzeitig. "Zu Beginn, wenn ich auf das Schiff komme, stelle ich mich immer im Schiffshospital beim Arzt vor, damit er mich rufen lässt, wenn ein Ansprechpartner gebraucht wird." Natürlich gebe es auch Todesfälle an Bord. "Da kümmere ich mich dann um den Ehepartner, aber in der Regel, verlassen die Betroffenen das Schiff sehr schnell."
Auch Unwetter und die damit verbundenen Ängste gehören mit zu einer Fahrt auf hoher See. "Ich erinnere mich an das ein oder andere Mal, wo Passagiere die Nacht mit Schwimmweste im Aufenthaltsraum verbracht haben." Nur für den Fall der Fälle. Er selbst kann mittlerweile bei jedem Wetter schlafen. "Ich war von 1994 bis 1999 Pfarrer bei der Deutschen Marine und bin auf U-Booten mitgefahren. Da ging dann schon eher mal was zu Bruch", erzählt Berboth. Heute bringt den Mann mit der Sehnsucht nach dem Meer so schnell nichts mehr aus der Ruhe.
Wie viele Seemeilen er auf dem Konto hat, ist kaum abschätzbar. Seine erste Reise führte ihn auf die Ostsee. Die am weitesten entfernte durch die Südsee. In diesem Jahr hat er schon die Gewässer vor Südengland und Irland bereist und bald steht noch eine ganz besondere Fahrt an. "Als ich einmal von Bremerhafen nach New York gefahren bin, kamen wir an Grönland vorbei. Damals habe ich mir gesagt, da musst du nochmal hin." Im August ist es so weit und es wird sicher nicht die letzte Reise des Kreuzfahrtseelsorgers Klaus Berboth.