In brandenburgischen Paretz lockt ein ungewöhnliches Krippenspiel

Eine lebendige Krippe

Veröffentlicht am 07.12.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Brauchtum

Paretz ‐ Die Hirten an der Krippen sind und beten an das Kind", singt der Laienchor in die dunkle Sternennacht. Fackeln erhellen die Szene auf dem Bauernhof, den zuvor zwei Kinder als Maria und Josef verkleidet auf einem Holzkarren erreicht haben. Gezogen wurde der von zwei Ponys, die einen grauen Esel flankieren. Andere Kinder sind als Hirten verkleidet und laufen dem Tross voran. Es duftet nach Holzfackeln, Tieren und Stroh. In der Ferne warten Schafe und einige Kälber, die von Zeit zu Zeit lautstark muhen.

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So spielte sich die Szene im vergangenen Jahr ab. Und so oder zumindest ähnlich wird es auch am kommenden Wochenende aussehen, wenn vor den Toren Potsdams zum zwölften Mal die "Paretzer Dorfweihnacht" stattfindet. Das lebendige Krippenspiel ist ein Ereignis, das seit einigen Jahren immer mehr Hauptstädter und Gäste aus den benachbarten Bundesländern in das kleine brandenburgische Dorf lockt.

Besonders Kunstfreunden ist das gut 40 Kilometer von Berlin entfernte Paretz ein Begriff. Hier befindet sich der Sommersitz des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. und seiner Frau Luise. In das nach dem Mauerfall restaurierte Schloss und den angrenzenden Park kommen alljährlich Touristen aus ganz Deutschland. Doch zur Adventszeit zieht es einen ganz besonderen Besucherstrom in den Ort an der Havel mit seinen knapp 400 Einwohnern: Große und kleine Menschen wollen das "Lebendige Krippenspiel" erleben, das in dieser Form wohl einmalig im Osten Deutschlands ist.

In diesem Jahr findet die Paretzer Dorfweihnacht mit einem kleinen Weihnachtsmarkt am dritten Advent statt. Den Auftakt bildet ein Adventsfrühstück auf dem "Storchenhof", wo der Tag dann auch mit dem Krippenspiel endet. Zuvor gibt es jedoch einen Gottesdienst in der Dorfkirche, Kinderführungen mit Bescherung und Basteln. Auf einem Traditionsmarkt werden Korbflechter, Kerzenzieher oder Kunstschmiede ihre Produkte anbieten.

Eine möglichst authentische Atmosphäre schaffen

Um eine möglichst authentische Atmosphäre rund um die Geburt Jesu zu schaffen, startet das lebendige Krippenspiel erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Von hier setzen sich Maria und Josef - musikalisch begleitet von einem Chor der evangelischen Grundschule Potsdam sowie der Gruppe "Ketziner Havelklänge" - in Bewegung. Initiator des Krippenspiels ist Familie Hipp. Sie zog vor über zehn Jahren aus Bayern in den Osten Deutschlands.

Eine Weihnachtskrippe.
Bild: ©Alexander Hoffmann/Fotolia.com

Eine Weihnachtskrippe.

Vater Markus Hipp ist katholisch und berichtet, wie alles begann: "Meine Frau kommt ursprünglich aus München und betrieb dort einen Reiterhof. Dort war die Stallweihnacht eine alte Tradition". Und mit einer kleinen Stallweihnacht hat auch in Paretz alles begonnen. Erst kamen nur die Reiterkinder aus dem Dorf und der Umgebung sowie einige Freunde. "Und weil es allen so gut gefallen hat, haben wir es dann im zweiten Jahr mit den Vereinen hier im Dorf organisiert und das Krippenspiel etwas erweitert", erzählt Hipp.

Die Protagonisten dieser lebendigen Krippenweihnacht sind fast ausnahmslos Kinder aus dem Ort und der Nachbarschaft. Schon an den Adventswochenenden vorher wird fleißig geprobt. Am Ende beteiligen sich meist 20 bis 30 Kinder, manche sind auch spontan mit einem weißen Kleid und Engelsflügeln dabei. "Einige Kinder spielen auch mehrere Jahre hintereinander mit, so dass wir nicht immer ganz von vorn anfangen müssen", erklärt Markus Hipp.

Hipps Frau Claudia ist passionierte Reiterin und betreibt den "Storchenhof" als Herberge mit angeschlossenem Landwirtschaftsbetrieb. Sie ergänzt: "Am Anfang haben wir hier alles ganz einfach gemacht, ohne Beleuchtungstechnik und Mikrofone." Aber als in einem Jahr fast 800 Menschen beim Krippenspiel dabei sein wollten, mussten sie technisch aufrüsten.

Das Jesuskind wird immer von einem Baby aus dme Ort "gespielt"

Claudia und Markus Hipp haben selbst vier Kinder. Der 16-jährige Sohn Leon ist schon das sechste Mal dabei und berichtet stolz: "Ich war jetzt zwei Jahre lang für die Technik verantwortlich. Sonst war ich immer der Josef, den spielt aber jetzt mein Bruder." Für die Rolle des Jesuskinds findet sich immer ein Baby aus dem Ort. Mittlerweile melden sich einige Mütter schon im Herbst per E-Mail bei Familie Hipp und bieten ihren Nachwuchs für das Krippenspiel an.

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Video: © Bistum Hildesheim

450 Krippen aus 45 Ländern

Das Publikum hat bei der Aufführung glänzende Augen und ist durchweg begeistert. So wie Christina Kotzone mit ihrer Tochter Laura: "Wir kommen aus der Gegend um Dalgow und meine Tochter war schon mal das Jesuskind und spielt in diesem Jahr einen Engel", sagt Frau Kotzone. Auch das ist eine Besonderheit in Paretz: Das Jesuskind muss nicht immer ein Junge sein.

Für die Eltern der beteiligten Kinder spielen nicht zwingend Motive der frühreligiösen Erziehung eine Rolle. Das bestätigt Dirk Schneider: "Unser Sohn Mika ist vor zwei Jahren ebenfalls schon das Christkind gewesen und unsere drei Monate alte Lucie ist es in diesem Jahr. Es ist für uns eher ein schöner Event, da wir weniger religiös unterwegs sind", betont Schneider.

Anders ist es für Franziska Helmar, die im vergangenen Jahr zum ersten Mal mit ihren zwei Kindern beim Krippenspiel in Paretz dabei war und von sich sagt "christlich orientiert" zu sein. "Wir sind alle schwer begeistert und es kann einem gerade mit Kindern zu dieser Jahreszeit nichts Besseres passieren, als so ein Krippenspiel zu erleben. Ich finde es unglaublich, was der Ort hier auf die Beine gestellt hat."

Die Vorbereitungen für das Krippenspiel sind jedes Jahr enorm: Die Technik muss organisiert, Kleider genäht werden. Einige selbstgebaute Kulissen ergänzen das historische Flair des alten Bauernhofes von Familie Hipp. Aber wer kommt finanziell für das Krippenspiel auf, für das am Ende lediglich eine kleine Spende erbeten wird? Gibt es Mittel von der Gemeinde oder der Kirche? Markus Hipp, der wochentags als Geschäftsführer einer großen Stiftung in Berlin arbeitet und auch international viel unterwegs ist, stellt klar: "Nein, das ist quasi unser Weihnachtsgeschenk hier an die Region. Das machen wir, weil es uns Freude macht."

Von Rocco Thiede