Erster Papstbesuch in Arabien wird Festival der Toleranz
"Man hat mir gesagt, es habe in den Emiraten geregnet", so Papst Franziskus zu Beginn des sechsstündigen Fluges nach Abu Dhabi, "dort ist das sicher als ein Segenszeichen zu verstehen". In den Emiraten regnet es 80 mm im Jahr. Ähnlich sparsam sind in der Region Nachrichten über interreligiösen Dialog. Auch deswegen schlägt der Papstbesuch am Arabischen Golf hohe Wellen.
Nicht nur weil erstmals ein Papst die Arabische Halbinsel besucht, ist der 4. Februar ein historischer Tag. Im Herzen der islamischen Welt loben zwei Tage lang Redner verschiedener Religionen und Konfessionen Toleranz, Brüderlichkeit und Dialog. "Es gibt heute keinen wichtigeren kulturellen Wert als Toleranz", so Ahmed Aboul Gheit, Generalsekretär der Arabischen Liga in seiner Eröffnungsrede am Sonntag. "Toleranz" ist das Stichwort.
Unter dieses Motto hat die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) das gesamte Jahr 2019 gestellt. Die VAE geben sich als die tolerante Seite Arabiens. Kronprinz Muhammad bin Zayed, der starke und entscheidende Mann der Emirate, tut viel dafür. Die Organisatoren der Konferenz trommeln heftig für "das historische Treffen der beiden wichtigsten religiösen Führer der Welt". Und so weicht von Sonntag- bis Montagabend der Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität, Ahmed Mohammed al-Tayyeb, nicht von der Seite des Papstes. Es ihr insgesamt fünftes Zusammentreffen.
Zwei Gesichter was Religion und Toleranz angeht
Was Religion und Toleranz angeht, bieten die Emirate ein Janus-Gesicht. Das eine zeigt Touristen archäologische Ausgrabungen eines christlichen Klosters, das bis ins 8. Jahrhundert bewohnt war - zu einer Zeit, als Arabien bereits komplett islamisiert war. Vor knapp zwei Jahren ließ der Kronprinz eine nach ihm benannte Moschee umbenennen in "Maria, Mutter des Jesus". Gilt Jesus im Islam doch auch als Prophet, wird seine Mutter verehrt.
Das andere Gesicht der VAE ist geprägt von strenger Islam-Auslegung, Traditionalismus und patriarchalem Empfinden von Beduinenclans die binnen zweier Generationen mittels ihrer Petrodollars aus dem arabischen Mittelalter ins 21. Jahrhundert katapultiert wurden. Die Scheichs geben sich großzügig: Daher ist "Toleranz" das Stichwort des Tages - und nicht "Freiheitsrechte". Die Bilanz von Menschenrechtsorganisationen zu Religions- und Meinungsfreiheit wie zu Arbeits- und Sozialrechten der fast acht Millionen Arbeitsmigranten fällt nicht allzu schmeichelhaft aus.
Ein weiterer Schatten ist die Koalition mit Saudi-Arabien, die im Jemen gegen die schiitischen Rebellen gebombt hat. Bereits am Sonntag, eine Stunde vor dem Abflug nach Abu Dhabi, hatte der Papst beim Mittagsgebet in Rom an das Leid im Jemen erinnert. Parallel hatte in einem offenen Brief der arabische Schriftsteller Ala al-Aswani in der Zeitung "La Repubblica" den Papst gewarnt: "Diejenigen, die Sie treffen werden, geben Millionen Dollar für Waffen aus und töten Zehntausende jemenitischer Kinder."
"Krieg schafft nichts als Elend, Waffen nichts als Tod"
Vor den so kritisierten Personen greift Franziskus am Montagabend in Abu Dhabi dies auf: "Das Wettrüsten, die Ausweitung der eigenen Einflussbereiche und eine aggressive Politik zum Nachteil anderer werden nie Stabilität bringen. Krieg schafft nichts als Elend, Waffen nichts als Tod!" Diplomatisch höflich verpackt klingt anders, auch wenn das Auditorium am Denkmal für den Staatsgründer Zayid bin Sultan Al Nahyan von Weihrauchduft durchweht wird.
"Wir haben die katastrophalen Folgen des Krieges vor unseren Augen", warnt Franziskus und nennt "Jemen, Syrien, Irak und Libyen." Als am Vormittag, auf dem Weg zum Kronprinzen, über dem Autokorso des Papstes Jagdbomber Kondensstreifen in den Vatikan-Farben Gelb und Weiß in Himmel über dem Golf zeichnen, bot dies fast ein abstruses Bild.
Themenseite: Papstreisen
Als Oberhaupt der katholischen Kirche absolviert Papst Franziskus regelmäßig Reisen innerhalb Italiens und in andere Länder. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zu den Reisen des Heiligen Vaters.Leidenschaftlich am Abend wieder sein Appell für volle Menschenrechte, inklusive volle Religionsfreiheit: Er hoffe im gesamten Nahen Osten auf "Gesellschaften, in denen Menschen unterschiedlicher Religionen die gleichen Bürgerrechte genießen". Bildung und Gerechtigkeit seien die zwei Flügel der Friedenstaube, führt der Papst mit Blick auf das Logo der Reise aus. "Eine Gerechtigkeit, die nur für Familienmitglieder, Landsleute und Gläubige desselben Glaubens gilt", sei "verschleierte Ungerechtigkeit", so der Papst mit eindringlichem Blick in die Runde.
"Sie haben viel Lobenswertes erreicht, aber das alles lässt sich noch verbessern", ließe sich die höfliche, aber bestimmte Bilanz des Gastes aus dem Vatikan resümieren.
Spontaner Applaus für den Großimam
Für ihren bisherigen Einsatz erhalten Papst und Groß-Imam einen soeben kreierten Preis für Brüderlichkeit, den die Regierung von Abu Dhabi gestiftet hat. Al-Tayyeb erinnert in seiner Rede an die gemeinsame Tradition der Zehn Gebote, an Mose, Jesu und Mohammed. Für seine Zusage an die Christen im Nahen Osten, sie seien volle Mitbürger, erhält der Großimam spontanen Applaus.
Am Dienstag demonstriert der Papst für die Glaubensfreiheit der Christen und feiert mit 135.000 Menschen - unter ihnen aus reiner Neugier auch örtliche Muslime - eine Messe in dem von der Regierung zur Verfügung gestellten "Zayed-Sport's-Stadion". Es soll eine der größten Versammlungen in den Emiraten sein, wenn nicht die größte in der Geschichte des noch jungen Staates.
Regen, wie er während des Papstbesuches in den Emiraten fällt, ist für Arabien sicher ein Segen. Ob auch die vielen Worte über menschliche Geschwisterlichkeit und Toleranz ein Segen sind, wird sich erweisen müssen. Wenn sie das "Pulverfass am Golf", von dem hinter vorgehaltener Hand auch die Rede ist, vorerst etwas entschärfen, wäre viel gewonnen.