Fasten im Advent: Ein Erfahrungsbericht
Fasten im Advent? Meine Freunde schauten mich mit merkwürdigen Blicken an, als ich ihnen im November von meinem Plan erzählte, in der Adventszeit zu fasten. "Das macht man doch vor Ostern", war der Standardkommentar. Damit haben sie natürlich Recht: Das Fasten in den 40 Tagen vor Ostern dient der Vorbereitung auf die Feier der Auferstehung Christi. Wegen des Bußcharakters dieser Tage verzichten die Gläubigen auf bestimmte Dinge – Fastenzeit eben.
Was für die Vorbereitung auf Ostern richtig ist, dass kann auch vor Weihnachten nicht falsch sein, dachte ich mir. Deshalb faste ich dieses Jahr in der Adventszeit. Mit dem Fasten habe ich schon seit meiner Jugend gute Erfahrungen gemacht. Als mir im Teenager-Alter der Glaube wichtiger wurde, fing ich an, jedes Jahr vor Ostern auf Fleisch und Süßigkeiten zu verzichten. Als ich älter wurde, enthielt ich mich dann auch des Alkohols. Ich konnte sogar meine Familie dazu bewegen, die Fastenzeit mitzumachen. Bis heute ist mir daher das Fasten vor Ostern wichtig. Im Advent zu fasten ist jedoch auch für mich etwas Neues.
Dabei hat die Bußzeit vor Weihnachten eine lange Tradition: Bei den frühen Christen war neben der Osternacht zeitweilig auch das Fest der Taufe des Herrn, das früher am 6. Januar begangen wurde, ein wichtiger Tauftermin. Wie vor Ostern gab es dafür eine 40-tägige Vorbereitungszeit, die sich allmählich als Fastenzeit vor Weihnachten durchsetzte. Ab dem 12. Jahrhundert fanden sich Aspekte dieser adventlichen Bußzeit in der römischen Liturgie wieder. Das Fasten setzte sich jedoch nicht durch.
Die orthodoxen Fastenregeln sind kompliziert
Ganz anders in der Orthodoxie: Meine orthodoxen Freunde sind es gewohnt, vor Weihnachten zu fasten. Die Ostkirchen unterscheiden zwischen verschiedenen Tagen mit jeweils anderen Fastenregeln. So beginnt die adventliche Fasten eher mild: In den ersten vier Wochen sind tierische Produkte verboten, aber Fisch und außerdem Wein und Öl noch erlaubt. Die letzten beiden Wochen vor Weihnachten werden strenger begangen und es steht kein Fisch mehr auf dem Speiseplan. An jedem Mittwoch und Freitag wird noch regider verzichtet: auch die Erzeugnisse des Weinstocks und des Ölbaums sind tabu. Diese Regeln sind selbst für orthodoxe Gläubige kompliziert. Deswegen gibt es kirchliche Fastenkalender, in denen für jeden Tag genau aufgelistet ist, was gegessen werden darf und was nicht.
Meine Fastenvorsätze sind im Vergleich dazu etwas einfacher. Keine Salami, kein Fischbrötchen und kein Feierabendbier. Oder anders ausgedrückt: Ich verzichte in dieser Adventszeit auf Fleisch, Fisch und Alkohol. Der Verzicht fällt mir merklich schwer, besonders beim Gang über einen der – wie mir in diesen Wochen scheint, allgegenwärtigen – Weihnachtsmärkte. Der Duft von gebratenem Fleisch und Glühwein ist in diesen Tagen für mich sehr verführerisch. Es war auch hart, auf Bratwürste und das dazugehörige Bier zu verzichten, während andere dabei herzlich zulangten. Ich nahm dann mit einem Nutella-Crêpe vorlieb, auch wenn mir Fleisch lieber gewesen wäre.
Zugegeben, ich habe auch Ausnahmen gemacht. Etwa an einem Sonntag, als ich mir nach einer langen Zugreise eine Bratwurst gönnte oder als ich an einem Samstagabend beim Essen mit einem guten Freund eine Flasche Wein teilte. Ich bin sehr froh, dass es eine katholische Tradition ist, an den Sonntagen und Hochfesten das Fasten zu brechen. In diesen Pausen des Verzichts fühlte ich mich ein bisschen wie ein Betrüger, denn ich mag am Fasten die Erfahrung des Durchhaltens auf ein größeres Ziel hin. Dieses habe ich mir jeden Morgen durch die Lektüre der täglichen Gottesdienstlesungen in der Stundenbuch-App vor Augen geführt. Fasten wird dann gewinnbringend, wenn man den durch Verzicht freigewordenen Raum mit etwas Positivem füllt, wie etwa dem Lesen in der Bibel.
Fleischverzicht kann bereichern
Bereichernd ist für mich immer wieder, am eigenen Leib zu spüren, dass ich Alkohol und Fleisch nicht brauche, um ein gutes Leben zu führen. Nach der ersten Eingewöhnungszeit fiel es mir dann auch wesentlich leichter, über den Weihnachtsmarkt zu bummeln. Ich fühle mich gut dabei, weil ich weiß, dass es besser für das Tierwohl, das Weltklima und die eigene Gesundheit ist, weitestgehend auf Fleisch zu verzichten. Schwer ist es für mich dennoch, da mir Fleisch einfach schmeckt.
Heute ist Heiligabend und damit schon das Ende meines Adventsfastens gekommen, denn in diesem Jahr ist der 24. Dezember ein Sonntag und damit fastenfrei. Die Vorfreude auf das Christfest steigt bei mir merklich. Ich freue mich sehr auf die Feier der Geburt Jesu, aber es gibt noch einen anderen Grund für meine gute Stimmung: An Weihnachten werde ich endlich beherzt nach dem Festtagsbraten greifen können. Ich glaube, ich habe es mir verdient.