Wiener Rabbiner Folger würdigt emeritierten Papst

Gänswein: Benedikt XVI. wird leider in Deutschland oft kritisiert

Veröffentlicht am 17.05.2019 um 09:55 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ "Es handelt sich dabei leider um ein Phänomen, das wir besonders aus seiner Heimat kennen": Erzbischof Georg Gänswein bemängelt die Kritik am emeritierten Papst. Lob bekommt er dagegen vom Wiener Rabbiner Arie Folger.

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Aus Sicht von Erzbischof Georg Gänswein, Privatsekretär von Benedikt XVI., wird der emeritierte Papst gerade aus Deutschland oft kritisiert. Wenn Benedikt XVI. (92) Stellung beziehe, gebe es immer auch Kritik und Skepsis, sagte Gänswein am Donnerstag in Rom. "Es handelt sich dabei leider um ein Phänomen, das wir besonders aus seiner Heimat kennen." In anderen Ländern, etwa in den USA, sei die Situation anders, so der Erzbischof. Er äußerte sich an der Lateranuniversität bei der Vorstellung eines italienischen Buchs, das im Nachgang zu einem Aufsatz Benedikts XVI. über das Verhältnis von Christen und Juden entstand. Nach der Veröffentlichung im Juli 2018 hatte es zahlreiche auch kritische Reaktionen gegeben.

"Aber die darf man nicht ernst nehmen"

Wenn sich Benedikt XVI. (2005-2013) öffentlich äußere, geschehe dies immer auch in Übereinstimmung mit seinem Nachfolger Papst Franziskus, sagte Gänswein der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Dass daraus manchmal Polemiken geschmiedet werden, sind üble Früchte, die es eben gibt, aber die darf man nicht ernst nehmen." In den Beiträgen Benedikts XVI. äußerten sich "Gebetsfrüchte", mit denen der emeritierte Papst der Kirche und den Gläubigen helfen wollte. Gänswein ist als Präfekt des Päpstlichen Hauses auch ein enger Mitarbeiter von Franziskus.

Nach dem Aufsatz Benedikts XVI. in der Zeitschrift "Communio" hatte der Wiener Rabbiner Arie Folger in der "Jüdischen Allgemeinen" eine Replik veröffentlicht, auf die Benedikt XVI. in einem persönlichen Brief antwortete. Rabbi Folger reagierte darauf seinerseits wieder. Mitte Januar diesen Jahres kam es zu einem persönlichen Treffen im Vatikan, bei dem der Streit beigelegt wurde. Der Verlag San Paolo veröffentlichte den schriftlichen Austausch in italienischer Übersetzung unter dem Titel "Benedetto XVI in dialogo con il rabbino Arie Folger: Ebrei e cristiani".

Bild: ©Vatican Media/Romano Siciliani/KNA

Papst Franziskus besuchte Benedikt XVI. vor dessen 92. Geburtstag am 15. April 2019 im Vatikan.

Bei der Vorstellung des Briefwechsels lobte Folger am Donnerstag seinen Austausch mit dem emeritierten Papst. "Er ist zwar nicht mehr der Jüngste, aber noch immer intellektuell voll engagiert. In ihm fand ich einen sehr sympathischen und profunden Denker, dem der Antisemitismus und Antijudaismus in allen ihren Gattungen abscheulich ist", sagte Folger.

Der Austausch habe auch den Dialog bestärkt: "Wenn ich eine Freundschaft entwickele mit Kardinal Schönborn aus Wien, mit Benedikt - natürlich entsteht da der Wunsch, einander besser zu verstehen", so Folger. Er sagte zugleich, der christlich-jüdische Dialog leide unter einer Vorbelastung, die nicht verschwinde, da Juden jahrhundertelang gezwungen worden seien, sich Predigten anzuhören, um von der Christologie überzeugt zu werden. "Trotzdem finden wir Wege, miteinander in großer Brüderlichkeit, Freundschaft und großem Interesse zu reden."

Über seine persönliche Begegnung mit dem emeritierten Papst im Vatikan Mitte Januar sagte der Wiener Rabbiner, sie habe fast eine Stunde gedauert. Man sei sich in vielen Themen nicht einig, es gebe jedoch den gegenseitigen Wunsch, "die Brüderlichkeit zu vertiefen und unsere jeweilige Frömmigkeit auszuleben und Gott zu dienen - jeder, wie er das nach seiner Tradition versteht". (tmg/KNA)