Erste Auszüge aus Kardinal Faulhabers Tagebüchern bald online

Gedankenwelt eines Geistlichen

Veröffentlicht am 23.10.2015 um 11:05 Uhr – Lesedauer: 
Zeitgeschichte

München ‐ Es ist der Blick eines Zeitzeugen auf Politik und Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Auszüge der Tagebücher des früheren Münchner Kardinals Faulhaber sind ab kommender Woche online einsehbar. Er weihte unter anderem 1951 Joseph Ratzinger zum Priester.

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Er weihte auch 1951 den jungen Joseph Ratzinger und seinen Bruder Georg zu Priestern. Die Veröffentlichung auf der Homepage www.faulhaber-edition.de steht im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten, zwölfjährigen Projekts "Kritische Online-Edition der Tagebücher von Michael Kardinal von Faulhaber (1911-1952)".

Umfangreich kommentierte Leseversion

An diesem sind das Archiv des Erzbistums München und Freising, das Institut für Zeitgeschichte und das Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte in Münster beteiligt. Die Texte werden künftig in einer umfangreich kommentierten Leseversion im Internet zugänglich sein.

München, Kirche, Liebfrauendom
Bild: ©davis/Fotolia.com

Kardinal Faulhaber war 35 Jahre, von 1917 bis 1952, Erzbischof von München und Freising.

Faulhaber verfügte laut Mitteilung über ein dichtes Netz von Kontakten zu Vertretern aus Kirche, Politik, Adel und Journalismus im In- und Ausland. Dazu zählten die Päpste Pius XI. und Pius XII., US-Präsident Warren G. Harding, Konrad Adenauer oder Heinrich Brüning. Die lückenlos überlieferten Tagebücher umfassen den Zeitraum von 1911 bis 1952; Faulhaber berichtet über das Kaiserreich und den Ersten Weltkrieg, die Münchner Räterepublik, die Weimarer Republik, die NS-Diktatur und über die Anfänge der Bundesrepublik Deutschland.

Einträge zu 52.000 Besuchen und Gesprächen

Notiert sind Einträge zu etwa 52.000 Besuchen und Gesprächen, wie es in der Ankündigung heißt. Die Aufzeichnungen ermöglichten einen Einblick in große politische Zusammenhänge sowie in die Gedankenwelt des Geistlichen. Verfasst wurden sie zum größten Teil in der Kurzschrift "Gabelsberger", die heutzutage nur noch wenige Experten entziffern können. Mit Mitteln, die der Münchner Kardinal Reinhard Marx bereitgestellt hatte, konnten in München an der Ludwigs-Maximilians-Universität Kurse eingerichtet werden, um diese Stenografie-Form zu erlernen. Die Tagebücher fielen erst 2010 an den Erzbischöflichen Stuhl zurück, seit April 2012 sind sie der Forschung zugänglich. (KNA)