Gerichtspräsident kritisiert "bizarre Formen" des Kirchenasyls
Für den Präsidenten des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, Andreas Heusch, nimmt das Kirchenasyl in Deutschland "immer bizarrere Formen" an. Wenn die evangelische Kirche einen Flüchtling vor der Überstellung an die französische Justiz schütze, dann könne er dafür keinerlei Verständnis aufbringen, sagte Heusch am Freitag vor Journalisten in Düsseldorf. "Wenn wir das akzeptieren, ist es mit der EU nicht mehr weithin."
Eine evangelische Kirchengemeinde in Solingen hatte jüngst einem iranischen Flüchtling Kirchenasyl gewährt, weil ihm im Rahmen des Dublin-Verfahrens eine Auslieferung nach Frankreich drohte. Dort hatte der Iraner zuerst einen Asylantrag gestellt, ehe er nach Deutschland einreiste. Das Kirchenasyl sei in diesem Falle damit verteidigt worden, dass dem Asylbewerber in Frankreich "Unheil" drohe, berichtete Heusch. Es sei "bizarr", dass die Kirchengemeinde das Rechtssystem in Frankreich so einschätze, dass ihm ein iranischer Flüchtling nicht überantwortet werden dürfe.
Grundsätzlich bekräftigte der Gerichtspräsident seine ablehnende Haltung gegenüber dem Kirchenasyl. "Es steht den Kirchen nicht an, staatliche Entscheidungen zu negieren", sagte Heusch. Vor allem das "verdeckte Kirchenasyl" sei nicht zu rechtfertigen. Dies widerspreche auch den Verabredungen zwischen Staat und Kirchen. Er habe jedoch den Eindruck, dass vor allem führende Vertreter der katholischen Kirche in letzter Zeit auf ihre örtlichen Gemeinden erfolgreich eingewirkt hätten, bei Fällen von Kirchenasyl mit den zuständigen Behörden zu kooperieren und diese nicht unter der Decke zu halten.
Verständnis für Engagement aus christlicher Nächstenliebe
Zugleich äußerte Heusch Verständnis dafür, dass sich die Kirchen aus ihrem christlichen Verständnis der Nächstenliebe heraus für Flüchtlinge engagieren. Dies gelte ausdrücklich auch in Gerichtsverfahren, wenn es etwa darum gehe, die Fluchtgründe der Asylkläger vorzutragen oder diese über ihre Rechte aufzuklären. Aber der Staat könne es nicht hinnehmen, wenn seine Entscheidungen durch das Kirchenasyl unterlaufen würden. Dies gelte besonders bei Überstellungen an EU-Mitgliedsstaaten.
Laut ökumenischer Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" waren Anfang dieses Jahres bundesweit in 532 Kirchengebäuden 855 von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge untergebracht, davon etwa 190 Kinder. Bei 486 Kirchenasyle handelte es sich um sogenannte "Dublin-Fälle". In den beiden Jahren zuvor waren bundesweit 692 und 620 Fälle von Kirchenasyl registriert worden. Vor dem Anstieg der Zuwanderung war für Flüchtlinge nur in 50 Fällen (2012) und 79 Fällen (2013) Kirchenasyl gewährt worden. (KNA)