Heiligabend vor 50 Jahren – erstmals hinter dem Mond
Heiligabend mit der Familie verbringen: Dafür nehmen viele die weitesten Wege in Kauf. Aber dieser Weg war dann doch zu weit: Bill Anders, Jim Lovell und Frank Borman waren nämlich hinter dem Mond – und zwar wörtlich. Am 21. Dezember 1968 hob die Saturn-V-Rakete zu einer nie dagewesenen Mission ab, 68 Stunden dauerte der Flug zum Erdtrabanten. Erstmals sollten Astronauten den Orbit ihres Heimatplaneten verlassen und den Mond umrunden. Pünktlich zu Heiligabend erreichte die Mission Apollo 8 ihr Ziel.
Dass eine solche Mission über die Feiertage unterwegs war, lag am Wettlauf um die erste Mondlandung. US-Präsident John F. Kennedy hatte 1961 das Ziel ausgegeben, noch im selben Jahrzeht Menschen auf die Oberfläche des Mondes und zurück zur Erde zu bringen. Dieses Ziel drohte zu scheitern: 1967 starben drei Astronauten bei einem Feuer während der Mission Apollo 1. (Eine der Reaktionen: Astronauten und NASA-Mitarbeiter gründeten eine Apollo-Gebetsliga, um die Missionen geistlich zu unterstützen.) 1968 scheiterte Apollo 6, eine unbemannte Mission. Zu allem Übel schien das russische Weltraumprogramm den Amerikanern zuvorzukommen. Das sollte um jeden Preis verhindert werden.
Scheitern die Astronauten, ist Weihnachten ruiniert
Man übersprang zwei Testflüge und zog die eigentlich für 1969 geplante Mondorbit-Mission vor auf den nächstmöglichen Zeitpunkt, an dem Mond und Erde für den Flug günstig positioniert waren. "Unsere Astronauten würden also an Weihnachten im Mondorbit sein", berichtet der heutige NASA-Direktor Jim Bridenstine 50 Jahre später von einer weiteren Herausforderung für die Mission: "Jedes Scheitern würde Weihnachten für die ganze Nation kaputtmachen." Doch Weihnachten wurde nicht kaputtgemacht. Trotz des ambitionierten Zeitplans, trotz unerprobter Technik und im Schatten des Scheiterns der vorigen Missionen: Apollo 8 gelang. Erstmals umrundeten Menschen den Mond.
Unbemannte Raumschiffe hatten zu diesem Zeitpunkt schon Fotos vom Mond gemacht, nun waren erstmals Menschen so weit draußen. Auch sie sollten den Mond erforschen, Bilder mitbringen vom Erdtrabanten. Die Bilder, die von Apollo 8 aber vor allem in Erinnerung blieben, zeigen aber nicht nur den Mond – sondern die Erde. "Earthrise", Erdaufgang, heißt das berühmte Foto von der aufgehenden Erde, das der Astronaut Anders aufgeonmmen hat. Zum ersten Mal war der blaue Planet in seiner ganzen Pracht zu sehen, nachdem 1966 schon erste Schwarzweißfotos mit der Erde durch den "Lunar Orbiter 1" aufgenommen wurden. Anders spricht heute von der großen Ironie der Apollo-8-Mission: "Wir sind den ganzen Weg hierher gekommen, um den Mond zu entdecken. Und was wir dann wirklich entdeckt haben, ist die Erde."
Schöpfungsbotschaft aus dem Weltall
Das Foto mit dem fragilen Heimatplaneten sollte zu einer Initialzündung der Umweltbewegung werden. Die Zeitschrift "Life" rechnet es zu den "100 Fotografien, die die Welt verändert haben". Die auf der Erde zurückgebliebene Menschheit hat an Weihnachten 1968 von diesem berühmten Bild noch nichts mitbekommen – erst auf der Erde wurde der Farbfilm entwickelt.
Bei der eigentlichen Weihnachtsbotschaft der Astronauten stand ebenfalls die Schöpfung im Mittelpunkt. Nach der neunten Erdumrundung wurden die Stimmen der Astronauten live im Fernsehen übertragen. Ein Viertel der Menschheit hörte die Grüße aus dem All – "auch die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang, wo Weihnachten noch verboten war", erklärt NASA-Direktor Bridenstine. Vor 50 Jahren berichteten die Astronauten, was sie sahen. "Ein riesige, einsame, abweisende Weite aus Nichts", beschrieb Borman die Mondoberfläche.
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Doch die Astronauten hatten noch eine Botschaft für die Menschheit. "Wir sehen nun den Sonnenaufgang auf dem Mond. Die Crew der Apollo 8 hat eine Botschaft für alle Menschen unten auf der Erde, die wir Ihnen senden möchten", begann Anders. "Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde." Zehn Verse aus der Schöpfungsgeschichte lasen die drei Astronauten aus ihrer Gideon-Bibel vor. Frank Borman hatte das letzte Stück: "Gott sah, dass es gut war." Damit war die Übertragung zum Ende gekommen, Borman überbrachte nur noch die Weihnachtsgrüße der Crew: "Gute Nacht, viel Glück, frohe Weihnacht – und möge Gott euch alle segnen, euch alle auf der guten Erde!"
Eine universelle Botschaft
Soviel Segen aus dem All kam nicht überall gut an. Der Gründer der "American Atheists", Madalyn Murray O'Hair, reichte eine Klage gegen die US-Regierung ein: Die Bibellesung verstoße gegen das Gebot der Trennung von Staat und Kirche des ersten Verfassungszusatzes. Die Klage hatte keinen Erfolg. "Viel Lärm um Nichts", sagt Astronaut Anders heute darüber. Borman, der Kommandant der Mission, hatte sich einfach etwas Einprägsames für die Übertragung überlegen sollen. "Die Genesis hat er ausgewählt, weil sie poetisch ist, nicht weil sie fromm ist. Die Botschaft sollte universell sein."
Das war gelungen: Zusammen mit dem Foto vom Erdaufgang blieb die Lesung der Schöpfungsgeschichte in der Erinnerung der Menschheit. Ein Jahr später berichtete Kommandant Borman dem weltraumbegeisterten Papst Paul VI. im Vatikan persönlich von der Weihnachtsmission Apollo 8. Ein Detail des ersten Weihnachten im All hat er dabei aber ausgelassen. Es ist wohl nur aufgrund der sorgfältigen Missionsdokumentation der NASA der Nachwelt erhalten geblieben: die Festtagsverpflegung der Crew. Kakao (warm), Plätzchen, Huhn, Maissuppe, Orangensaft. "Hoffentlich hattet ihr alle ein besseres Weihnachtsessen heute als wir", funkte Anders nach dem Essen ins Kontrollzentrum.