Vor 75 Jahren ermordeten die Nationalsozialisten Pater Maximilian Kolbe

Heiliger im Hungerbunker

Veröffentlicht am 14.08.2016 um 13:15 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Maximilian Kolbe
Bild: © KNA
NS-Zeit

Bonn ‐ Am 14. August 1941 wurde Pater Maximilian Kolbe im Konzentrationslager Auschwitz mit der Giftspritze ermordet. Im Interview spricht Franziskaner-Minorit Konrad Schlattmann über seinen berühmten Mitbruder.

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Frage: Bruder Konrad, was fasziniert Sie 75 Jahre nach seinem Tod noch an Maximilian Kolbe?

Schlattmann: Das ist einerseits natürlich das ganz Naheliegende: Maximilian Kolbe ist ein Heiliger, der in der ganzen Welt für seine letzte heroische Liebestat bekannt ist. Im August 1941 meldete er sich in Auschwitz freiwillig, um an der Stelle eines anderen Häftlings in den Hunger-Bunker zu gehen. So hat er die Nächstenliebe und Hingabe Jesu auf geradezu unglaubliche Weise konkret werden lassen. Sein eigenes Leben hinzugeben, das ist wirklich heilig. Aber Kolbe ist für mich auch aus einem anderen Grund ein großes Vorbild: Nur wenige wissen, dass sein Name mit den Franziskaner-Minoriten verbunden ist. Er trat in seinem Heimatland Polen in unseren Orden ein.

Frage: Wie muss der Charakter eines Mannes beschaffen sein, der sein Leben freiwillig hingibt und Tage dauernde Todesqualen auf sich nimmt?

Schlattmann: Das weiß ich nicht, weil ich kein Heiliger bin. Aber Maximilian Kolbe war offensichtlich ein Mensch, der sich selbst so sehr zurücknahm, dass es ihm mehr innere Zufriedenheit und Freude gab, wenn andere Menschen leben konnten. Es gibt da eine schöne Episode aus Kolbes Kindheit: Als seine Eltern ihn einmal fragten: "Kind, was soll nur aus Dir werden?", da antwortete der Knirps: "Ich will einmal der größtmögliche Heilige werden". Und später, nach seinem Studium in Rom, da bestand der Eintrag im Studienregister nur aus den wichtigsten statistischen Daten wie Name, Ankunft und Abreise. Aber ein kurzer Zusatz war doch dabei: "Ein junger Heiliger". Insofern war Kolbes freiwilliger Tod möglicherweise die Krönung oder zumindest die logische Konsequenz seines Lebens.

Pater Konrad Schlattmann im Porträt
Bild: ©Franziskaner-Minoriten

Bruder Konrad Schlattmann ist Franziskaner-Minorit in Gelsenkirchen.

Frage: Er hat ja noch während seines Todeskampfes sein Gottvertrauen gewahrt...

Schlattmann: Ja. Obwohl klar war, dass auch er sterben würde, schaffte er es, die anderen Häftlinge zu trösten. Er konnte mit ihnen singen und beten. Berichte sagen, dass die Atmosphäre im Hungerbunker zeitweilig wie in einer Kapelle war - voll innerem Frieden.

Frage: Nicht nur Maximilian Kolbes Sterben, auch sein Leben war außergewöhnlich. So war er ein glühender Verehrer der Gottesmutter Maria. Was wissen Sie darüber?

Schlattmann: Kolbe selbst sprach von einer Eingebung am 20. Januar 1917, die ihm sagte, dass er eine marianische Vereinigung gründen sollte als Gebetsgemeinschaft für die Feinde der Kirche. Damals war Kolbe 23 Jahre alt. Wenige Monate später rief er mit sechs Mitbrüdern aus dem Studienhaus, in dem er studierte, die "Militia Immaculatae" ins Leben, zu deutsch die "Marianische Initiative". Alle Werke, die aus der Initiative entstanden sind, haben eine marianische Diktion. Das ist zum Beispiel die nahe Warschau gelegene "Stadt Mariens", "Niepokalanów", zu der ein Kloster der Franziskaner-Minoriten, ein Radio-Sender und eine Missionszeitschrift mit dem Titel "Ritter der unbefleckten Jungfrau" gehören. Und auch in Kolbes Spiritualität zeigte sich seine Verehrung für Maria: Mit Erlaubnis der Ordensoberen legte er neben den für uns üblichen Gelübden der Armut, des Gehorsams und der Ehelosigkeit ein viertes Ordensgelübde ab, den Gehorsam gegenüber der Mutter Gottes.

Frage: Hat er es mit seiner Marienfrömmigkeit übertrieben?

Schlattmann: Das ist eine Frage des persönlichen Empfindens. Natürlich gab es damals kritische Stimmen auch von Mitbrüdern, die mit seiner Art der Frömmigkeit nichts oder wenig anfangen konnten. Aber für Maximilian Kolbe war die Marienfrömmigkeit einfach sein Weg. Und er hatte Erfolg - wenn man etwa bedenkt, dass die "Marianische Initiative" schon zehn Jahre nach ihrer Gründung über 120.000 Mitglieder zählte und heute weltweit rund drei Millionen Anhänger hat.

Linktipp: Nächstenliebe bis in den Tod

Es gibt wohl keine größere Tat, als für einen anderen aus Nächstenliebe in den Tod zu gehen. Der Ordensmann Maximilian Kolbe hat genau das getan - im KZ Auschwitz.

Frage: Inwiefern hat Kolbe die Franziskaner-Minoriten geprägt?

Schlattmann: In Polen und auch anderen Ländern auf der Welt gibt es noch heute junge Brüder, die aufgrund seines Vorbilds in den Orden kommen. Und auch seine Werke existieren weiterhin: Niepokalanów ist ein beliebter Marienwallfahrtsort, die Zeitschrift und der Radio-Sender werden bis heute von Mitbrüdern betreut. Auch die Mission, die Kolbe vor dem Zweiten Weltkrieg in Japan gründete, besteht nach wie vor - eben mit japanischer Ausgabe der Zeitschrift.

Frage: Wird das Andenken Kolbes in der Kirche heute angemessen gepflegt?

Schlattmann: Das Andenken wird gepflegt, darum macht sich ja außerhalb unseres Ordens unter anderem auch das Maximilian-Kolbe-Werk sehr verdient. Aber leider weiß kaum jemand mehr als die Tatsache, dass Kolbe sich freiwillig opferte. Mein Mitbruder Andreas Murk und ich haben schon zu seinem 70. Todestag versucht, durch ein schmales Buch etwas dazu beizutragen, dass Kolbe wieder präsenter wird. Es bleibt unsere Aufgabe als Orden, mit den Kräften, die uns zur Verfügung stehen und in der Sprache von heute das Anliegen Maximilian Kolbes zu wahren. Und das auch im Kleinen: Wenn mich jemand fragt, zu welcher Gemeinschaft ich gehöre, dann erwähne ich schon, dass die Franziskaner-Minoriten der Orden sind, zu dem auch Pater Maximilian Kolbe gehörte.

Stichwort: Maximilian-Kolbe-Werk

Das Maximilian-Kolbe-Werk setzt sich für Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos in den Staaten im Osten Europas ein. Neben direkter finanzieller Hilfen organisiert die katholische Organisation Erholungs- und Kuraufenthalte in Deutschland und in den Herkunftsländern der Überlebenden. Ein wichtiger Arbeitsbereich ist die Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit. So organisiert das 1973 gegründete Hilfswerk Treffen zwischen Jugendlichen und Zeitzeugen, lädt deutsche und osteuropäische Jugendliche zu Begegnungstreffen ein oder bietet Seminare zur Erinnerungsarbeit an die NS-Zeit an. Gegründet wurde das Kolbe-Werk von deutschen Christen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für die deutsch-polnische Aussöhnung einsetzten. Es finanziert sich vor allem über Spenden. Namensgeber ist der von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz ermordete Franziskanerpater Maximilian Kolbe (1894-1941). Er war anstelle eines Mithäftlings und Familienvaters freiwillig in die Todeszelle gegangen. Die katholische Kirche sprach den Franziskaner 1982 heilig. (KNA)
Von Gabriele Höfling