Stephan Goertz über den Papst und die Moraltheologie

Homosexualität: Theologe sieht "Umschwung" bei Kirche

Veröffentlicht am 17.01.2018 um 13:50 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Berlin ‐ Früher war die kirchliche Morallehre "rigoristisch und erfahrungsarm", sagt der Theologe Stephan Goertz mit Blick auf die Homosexualität. Dabei sei eine Neubewertung auch "theologisch legitim".

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Der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz bescheinigt der katholischen Kirche in Deutschland einen "Umschwung" im Umgang mit Homosexuellen. Es sei eine "neue bischöfliche Nachdenklichkeit" sowie eine "Abkehr von der bisherigen generellen Verurteilung homosexueller Beziehungen" erkennbar, schreibt Goertz in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" (Donnerstag).

Der katholische Theologe verweist auf jüngste Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dessen Stellvertreter, Bischof Franz-Josef Bode, sowie des Berliner Erzbischofs Heiner Koch. Diese drei Wortmeldungen innerhalb kurzer Zeit "ließen aufhorchen".

Wende kam mit Papst Franziskus

Goertz betonte, es sei "theologisch legitim und Zeichen von Lebendigkeit, wenn die Kirche im 21. Jahrhundert zu einer neuen Bewertung von homosexuellen Beziehungen gelangt". Über lange Zeiten habe eine "rigoristische und erfahrungsarme Morallehre die Weiterentwicklung kirchlicher Positionen verhindert", schreibt der Theologieprofessor der Universität Mainz. "Hier ist unter Papst Franziskus eine Wende eingetreten". Der moralischen Kompetenz und Urteilskraft der Menschen werde mehr zugetraut.

Wenn die Kirche bereit sei, "das Gute und Richtige in homosexuellen Ehen anzuerkennen", würde dies "Verkrampfungen" lösen, so Goertz weiter. "Sie würde von den menschlichen Qualitäten und nicht den Defiziten von Homosexuellen sprechen. Die Kirche könnte in sich gehen und Abbitte bei denen leisten, in deren Biografien sie in der Vergangenheit gewütet hat." Es sei Zeit für eine "Theologie des Leibes", die die Wirklichkeit und Erfahrungen sexueller Minderheiten nicht länger an den Rand dränge. Die Kirche sei gut beraten, ihre Stellung im Staat nicht für einen "antiliberalen Kulturkampf gegen Freiheitsrechte" aufs Spiel zu setzen.

Goertz hat das Kompendium "Wer bin ich, ihn zu verurteilen? Homosexualität und katholische Kirche" herausgegeben. Kardinal Marx hatte Anfang Januar in der "Herder Korrespondenz" auch in Bezug auf Homosexualität Respekt vor Gewissensentscheidungen gefordert. Bode regte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" eine Diskussion über die Segnung homosexueller Paare an. Und Koch hatte im Juni erklärt, die Kirche habe Respekt "für jene gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, in denen über viele Jahre hinweg gegenseitige Verantwortung und Fürsorge übernommen wird". (KNA)