Wie die Abtei Plankstetten Sinnsuchern hilft

Ich bin dann mal im Kloster!

Veröffentlicht am 26.09.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Orden

Bonn/Plankstetten ‐ Wer ins "Kloster auf Zeit" kommt, der lebt, betet und arbeitet mit den Mönchen. Die Idee ist nicht neu. Doch ein aktueller Trend könnte die Abtei Plankstetten für junge Menschen heute interessanter denn je machen.

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Der Parkplatz ist voll. Autos mit Kennzeichen aus den nördlichen Bundesländern stehen am Fuß der Benediktinerabtei Plankstetten im Bistum Eichstätt. Jeder Neuankömmling wird von der klostereigenen Schafherde neben dem Parkplatz begrüßt, die sich nicht vom gnadenlos niederprasselnden Regen am Grasen stören lässt. Das satte Grün der Wiesen unterhalb des Klosters mit seinen roten Ziegeln steht im Kontrast zum wolkenverhangenen, tristen Himmel an diesem Septembermorgen. Doch die Abtei Plankstetten ist mehr als ein pittoreskes Landschaftselement.

Sie ist Kloster und geistliche Heimat, Landwirtschaftsbetrieb und Unternehmen, Dorfkirche und Gästeherberge. Und Zufluchtsort. Für Suchende, für Fragende oder für Neuorientierung. Eine Möglichkeit dafür ist "Kloster auf Zeit". Und der Name ist wörtlich zu nehmen: Mitleben im Konvent der Mönche, Teilnahme an den Gebetszeiten und wohnen in der Klausur, dem Bereich der Mönche im Kloster. Deshalb können auch nur Männer dieses Angebot wahrnehmen, sagt Abt Beda Maria Sonnenberg OSB.

Zwei von ihnen sind Mario und Varun. Eine Woche leben sie mit den Benediktinermönchen in der Abtei. Die persönliche Beziehung zu Gott und zum Glauben wollen sie finden. Eine Beziehung, welche sie im Alltag nicht vertiefen könnten. Die Hemmschwelle, einfach so darüber zu sprechen sei zu groß. Und irgendwie wüsste man ja auch nicht, wie man darüber sprechen sollte. Vor allem Mario nimmt das in seinem persönlichen Umfeld so wahr. Er studiert in Nürnberg. Im vergangenen Semester sei er öfter nach den Vorlesungen in den Gottesdienst gegangen. Und dabei auf das Angebot "Kloster auf Zeit" aufmerksam geworden. Die Benediktinerabtei kannte er zwar, aber nicht das Leben der Mönche. Auch Varun war schon öfter in Plankstetten. Nun lebt er temporär dort. "Aus seinem alltäglichen Rhythmus herauskommen" möchte er.

Bild: ©katholisch.de

Beim "Kloster auf Zeit" gehört auch Arbeit dazu: Ora et labora. Mario, Varun und frater Ignatius Maria beim Tomatenpflücken in der klostereigenen Gärtnerei.

Das geht allein durch die Gebetszeiten der Mönche von selbst: 5 Uhr Vigil, 6.25 Uhr Laudes, 7 Uhr Konventamt, 12 Uhr Mittagshore, 17.30 Vesper, 19 Uhr Komplet. Ora et labora. Auch in die Arbeit der Mönche sind Mario und Varun eingebunden – körperlich und geistig: Bibelauslegungen und Gespräche über den Glauben gehören dazu. Menschen, die innerlich auf der Suche sind, will Abt Beda Maria damit erreichen: "Das muss nicht gleich Gott sein, das kann auch nur der Sinn des Lebens sein, das kann auch das Bedürfnis sein, das innere wie das äußere Leben neu zu ordnen." Orientierung geben und Hilfe sein will das Kloster bei seinen Gästen.

Die haben eine große Auswahl aus dem Klosterkursprogramm: Von Kontemplationstagen und Exerzitien über Heilfasten und Kräuterkochkurse bis hin zu Kreativkursen. Und wer einfach nur eine Auszeit vom Leben braucht, ist auch willkommen. Eine Aufgabe, die schon immer besteht. Die Benediktsregel sieht das Beherbergen von Gästen vor: "Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus: denn er wird sagen: 'Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.'" (Mt 25,35)"

„Es genügt schon, wenn junge Menschen hier im Kloster erfahren, dass es viele Möglichkeiten gibt, seinem Leben eine sinnvolle Gestalt zu geben.“

—  Zitat: Abt Beda Maria Sonneberg über das "Kloster auf Zeit"

Im Kloster mitzuleben habe es in der Abtei schon immer gegeben, die Möglichkeit "Kloster auf Zeit" sei in den 70er Jahren institutionalisiert worden, so Abt Beda Maria. Wer dahinter eine "Rekrutierungswoche" für Klosternachwuchs sieht, liegt falsch: "Es genügt schon, wenn junge Menschen hier im Kloster erfahren, dass es viele Möglichkeiten gibt, seinem Leben eine sinnvolle Gestalt zu geben."

So sehen auch Mario und Varun die Zeit im Kloster. Mario erzählt, dass er an einem Lebenspunkt stehe, der viele Fragen aufwirft. Bald wird er sein Studium beenden – und dann? Er habe immer gerne studiert, doch irgendwie hat er das Gefühl, dass in seinem Leben noch etwas fehle. Ein Grund, warum er nun im Kloster ist. Die Aufteilung des Lebens in "Ora et labora" gefällt ihm. Einerseits Zeit für das Gebet und die Auseinandersetzung mit dem Evangelium zu haben und andererseits körperlich zu arbeiten. Was ihm von Anfang an am Herzen lag war der Austausch über den Glauben. Und da bekam er Bestätigung: "Einfach zu sagen, was man denkt, sich offen darüber auszutauschen, das fand ich sehr schön." Vor allem an die offene und herzliche Art der Mönchsgemeinschaft habe es ihm leicht gemacht.

Bild: ©katholisch.de

frater Ignatius Maria zeigt den Teilnehmern vom "Kloster auf Zeit", den klostereigenen Bauernhof. Es wird viel gelacht.

15 Mönche leben in der Benediktinerabtei Plankstetten. Und das tun sie nicht von der Außenwelt isoliert. Im Gegenteil. Allein durch den "labora"-Teil des Ordensleitsatzes könnten sie das nicht. Die Abtei ist gleichzeitig Wirtschaftsbetrieb. Neben dem Gästehaus und Kursangeboten über das ganze Jahr hat es den Ruf als "Ökokloster". Bereits 1994 stellten die Mönche ihre Landwirtschaft komplett auf organisch-biologische Wirtschaftsweise um.

Mit den Betrieben könnten sie fast autark leben: In den Ställen stehen 220 Rinder und 300 Schweine als Masttiere. Hinzu kommt die Schafherde mit über 70 Tieren. Geschlachtet und verarbeitet wird in der klostereigenen Metzgerei. Hinzu kommen 65 Hektar Wald, dessen Holz vorwiegend für Baumaßnahmen verwendet wird. Darüber hinaus werden etwa 150 Hektar Ackerland und 125 Hektar Grünland bewirtschaftet. Die Bäckerei des Klosters backt mit eigens angebautem Getreide, darüber hinaus stellt eine Partnerbrauerei ein "Klosterbier" her. Und die Abfälle landen wiederum in der Tierfütterung. Damit ist der Kreislauf allerdings nicht abgeschlossen. Denn sogar die Exkremente werden in der Biosgasanlage nutzbar gemacht.

Bild: ©katholisch.de

frater Ignatius Maria erklärt den Teilnehmern vom "Kloster auf Zeit" das Getreide, das die Abtei anbaut.

Während vor über einem Jahrzehnt bei den Mönchen diese Entwicklung unter dem Einklang mit Psalm 8 und dem damit einhergehenden Schöpfungsauftrag im Vordergrund steht, ist "Bio" mittlerweile zum Lebenstrend geworden. Nachhaltig und bewusst leben scheint im Leben der Menschen einen Stellenwert einzunehmen. Und dazu gehört auch die Auszeit im Kloster. Für Mario und Varun sei es natürlich eine Umstellung gewesen. Allein schon so früh zum Beten aufzustehen. Doch in den Rhythmus hätten sie sich schnell eingefunden. Als beruhigend beschreibt Varun den Lebensstil der Mönche. "Es ist eine wunderschöne Erfahrung fernab von den Erwartungen der Gesellschaft und des Studiums hier zur Ruhe zu kommen."

Der "Kraftort Kloster" bekommt diese Bezeichnung aber nur durch Menschen, die ihn leben. Diese Meinung vertritt auch frater Ignatius Maria, der Jüngste im Konvent. Er begleitet die "Kloster auf Zeit"-Teilnehmer und zeigt ihnen das Leben im Kloster: "Damit diese Erfahrung lebendig wird, braucht es tatsächlich Menschen, die nach der Ordensregel leben." Denn im Gegensatz zu weltlichen, esoterischen Angeboten bezeugen die Mönche ihren Glauben an einen persönlichen Gott, der sich jeden Menschen liebevoll zuwendet. Das könne und müsse ein Kloster deutlich herausstellen. Homepage und Facebook sind deshalb für die Abtei selbstverständlich. Das Angebot und das Ordensleben müssen sichtbar sein. Als Angebot für Suchende. Und als Lebensmöglichkeit, als Botschaft, als Evangelium.

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Doch auch und vor allem offline müssen die Mönche präsent sein. Entgegen der gesellschaftlichen Meinung des Ordenssterbens. Abt Beda Maria ist sich sicher, dass Orden gezielt etwas gegen diesen Pessimismus tun können. In der Öffentlichkeit den Habit tragen und sich ansprechen lassen: "Dann werden Menschen verstehen, dass hinter den Klostermauern Menschen leben, die sich für ihr konkretes Umfeld interessieren und eben keine verkorksten, grantigen alten Männer und Frauen sind."

Von Julia Martin