In dieser Autobahnkirche geschehen Wunder
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Kurz vor der Ausfahrt Geiselwind auf der A3 zwischen Würzburg und Nürnberg sieht man schon von weitem das blaue Schild "Autobahnkirche". Biegt man links ab, fährt man an einem Erotikfachmarkt vorbei. Gegenüber liegt das 70 Hektar große Areal eines der größten Rasthöfe Europas, der Autohof Strohofer. Hier kann man auftanken: Das Fahrzeug, den Körper und die Seele. Für die Seele ist Manuela Strohofer (54) zuständig. Sie ist diejenige, die sich in der Familie Strohofer um die Autobahnkirche kümmert, die zum Familienbesitz gehört. Die Tür der Autobahnkirche ist so weit geöffnet, dass man gar nicht anders kann, als hineinzugehen. Vor dem Eingang steht in großen Buchstaben: "Kommt alle". Viele kommen auch. Zigtausende Biker, Lastwagenfahrer, Touristen und Reisende besuchen jährlich den Autorasthof samt Gotteshaus, meint Strohofer. Man spürt, dass sie das froh macht.
"Anfangs hatten wir überlegt zum 20. Jubiläum unsers Autohofes eine kleine Kapelle im Wald zu bauen. Aber mein Vater wollte eine richtige Kirche mitten im Betriebsgelände. Weil Gott einen festen Platz in unserem Leben haben sollte." 1999 startete der Bau des Gotteshauses. Etwa zur gleichen Zeit machte Manuela Strohofer eine Ausbildung zur Wortgottesdienstleiterin. Ganz nebenbei erzählte sie ihrem Ausbilder damals von dem Bauvorhaben der Familie. Der sei fast vom Stuhl gefallen. "Sie können nicht so einfach eine Kirche bauen. Sie brauchen schon eine Genehmigung vom Bischof", erinnert sich Strohofer an seine Worte. Weil die Kirche schon im Rohbau dastand, sei man eilig in das Ordinariat des Erzbistums Bamberg gefahren, um dort die Erlaubnis des Bischofs einzuholen. Der Erzbischof habe die Baupläne schließlich abgesegnet genauso wie der evangelische Landesbischof. Schließlich sollte es eine ökumenische Autobahnkirche werden.
Die Kosten für den Bau der Kirche übernahm die Familie Strohofer selbst, sogar die Kollekte wird bis heute anteilig an die Kirchengemeinden in Geiselwind weitergegeben. Am 7. September 2001 wurde die Kirche endlich eröffnet und nicht wie bei katholischen Kirchen sonst üblich, eingeweiht, sondern ökumenisch gesegnet. "Das war ein großes Aufatmen für alle", erinnert sich Strohofer. Der evangelische Pfarrer und Liedermacher J. M. Roth schrieb ein eigenes Lied zur Eröffnung, passend zum Motto der Autobahnkirche "Du bist das Licht auf unserem Weg".
Natürlich gab es damals auch scharfe Kritik an der Kirche. Manche hätten sogar gesagt, jetzt baut sich der Strohofer auch noch seine eigene Kirche, erzählt Manuela Strohofer. Aber die Fernfahrer und Biker bräuchten einen Ort, wo sie durchatmen und Ruhe schöpfen können, ist sie überzeugt. Die Autobahnkirche sollte auch keine Konkurrenz zur Ortskirche sein, sondern ein Zusatzangebot für Reisende. Überzeugt hätte damals die Kritiker die ökumenische Zusammenarbeit. Im Wechsel werden jeweils sonntags um 14 Uhr eine heilige Messe oder ein evangelischer Gottesdienst gefeiert. Manuela Strohofer selbst gestaltet Wortgottesfeiern, Andachten und Gebetszeiten in dem dreistöckigen Gotteshaus, das direkt neben der Eventhalle des Autohofs liegt. Ob sie die Kirche auch ein wenig für sich selbst gebaut habe? "Diese Kirche ist für Jesus Christus", entgegnet sie überzeugt. Aber die Kirche sei ihr schon ans Herz gewachsen.
Im eigentlichen Sinne ist das Gotteshaus keine Kirche. Eine Reliquie gibt es in der Kirche nicht, auch fand niemals eine Altarweihe statt. Dafür stehe ein Tabernakel in der Sakristei, erläutert Strohofer. Auch eine eigene Gemeinde habe sich schon um die Kirche gebildet, erklärt sie. Sie selbst verspüre einen starken Verkündigungsauftrag. "Ich möchte Gottes Wort den Menschen nahe bringen, denn es ist die beste Botschaft, die wir haben." Die Gottesdienste während der großen Festivals für Trucker und Biker sind beliebt und weit über Geiselwind hinaus bekannt. Jeden Tag um 12 Uhr läuten die Glocken. Sie sollen die Fernfahrer und Reisenden daran erinnern, sich Zeit zu nehmen für Gott mitten im Fahrstress auf der Autobahn. Eine von den insgesamt vier Glocken in dem 30 Meter hohen Glockenturm ist dem heiligen Christophorus gewidmet, dem Schutzpatron der Reisenden. "Wenn die Menschen hier Geborgenheit finden, freue ich mich", so Strohofer.
Für sie selbst ist die Kirche ein Kraftort, in dem sie oft stundenlang verweilt und betet. Seit dem tödlichen Unfall ihres Bruders 1983 sei die Kirche für sie besonders wichtig geworden, erzählt Strohofer. Kurz vor seinem 18. Geburtstag kam der jüngste Sohn der Familie, Anton, mit dem Auto ums Leben. Das war das Schlimmste, was ich bislang durchstehen musste, erzählt Strohofer. Die Trauer über den Verlust des Lieblingsbruders war groß. Als jüngster Sohn der Familie sollte er einmal den Autohof der Eltern übernehmen. Damals habe sie viel mit Gott gehadert, erzählt Strohofer. Gezweifelt habe sie nie. Ihr Glaube sei sogar tiefer und fester geworden, sagt sie. Wer eine feste Beziehung zu Gott habe, dem schenkt er auch Trost, ist sie sich sicher.
Heute hängt ein Bild von Anton Strohofer in der Kirche, dort wo die Besucher kleine Kerzen anzünden können. Für Strohofer ist das die Opfergrotte. Hier steht auch eine kleine Statue des heiligen Antonius, dem Schutzpatron der Kirche und Namenspatron des Verunglückten. Auf der Gedenktafel des Bruders steht: "Es gibt ein Land der Lebenden und ein Land der Toten. Die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe". Viele Kerzen brennen in der Opfergrotte. Sie sollen an die vielen Verkehrstoten auf den Autobahnen der Welt erinnern. Auf der Seite neben dem Taufbrunnen liegt das Totengedenkbuch. Es ist vollgeschrieben mit Namen und tröstenden Worten. Manche der verstorbenen Trucker und Biker, die hier genannt werden, kannte Strohofer persönlich. Einmal sei ein Trucker sogar während eines Festivals im Autohof verstorben. Das war ein großer Schock. Doch alle seine Freunde haben in der Kirche gemeinsam für ihn gebetet und von ihm Abschied genommen. Das habe gut getan, erinnert sich Strohofer, die damals die Andacht geleitet hat. Einmal habe sie auch einem Fernfahrer beigestanden, der traurig darüber war, dass er nicht nach Hause zu seinem verstorbenen Vater fahren konnte, weil er zuerst seine Lastwagenladung in Mailand abliefern sollte. In solchen Momenten spüre sie, wie wichtig dieser Ort hier für die Menschen hier sei, sagt Strohofer.
Das Gotteshaus ist 24 Stunden geöffnet. Der Eingang der Kirche ist gleichzeitig auch der Eingang zum hinteren Teil des Hotels. Wer also auf sein Zimmer gelangen möchte, müsse durch die Kirche, ob er wolle oder nicht, lacht Strohofer. Einmal sei ein junges Paar in das Hotel gekommen, das in einem der Zimmer, das in der Nähe der Kirche liegt, übernachten wollte. Sie waren so überrascht, mitten in einer Kirche zu stehen, dass der Mann spontan seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht habe. Später haben sie sich in dieser Kirche ihr Ja-Wort gegeben. Bei solchen Zufällen habe Gott immer seine Hände mit im Spiel, ist sich Strohofer sicher.
Dann fällt ihr noch ein anderes Erlebnis ein. Ein Fernfahrer habe sich nach einem Pfingstgottesdienst in der Autobahnkirche taufen lassen. "Es geschehen Wunder hier", sagt Strohofer. Neben der Kirche ist auch ein kleiner Souvenirladen. Kaufen kann man hier alles: Bücher, kleine Engel, Holzkreuze, bunte Armbändchen und andere Erinnerungsstücke. Der Laden ist unbewacht und rund um die Uhr geöffnet. Hier werde mit Vertrauen bezahlt, erklärt Strohofer. Wer etwas mitnehmen will, zahlt gleich oder beim nächsten Besuch.
Weil sie auch eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat, hilft Strohofer im elterlichen Betrieb in der Geschäftsleitung mit. Nach dem Tod ihres Bruders habe sie zuerst Köchin gelernt, statt nach dem Abitur ein Theologiestudium in Freiburg zu beginnen. Später habe sie geheiratet und fünf Kinder bekommen. Theologie studieren könne sie auch in der Rente, erläutert sie. Die Aufgabe in der Autobahnkirche erfüllt sie ganz. Ihre ganze Kraft und Liebe steckt in diesem Ort. Das sieht man in jeder Ecke: Die Einrichtung aus Eschenholz vermittelt Geborgenheit und Wärme. Bunte Blumen sind liebevoll arrangiert, überall sind Zettel mit persönlichen Wünschen verteilt. Das Herzstück der Kirche ist für Strohofer der Altar. In der Mitte der Holzplatte, die auf Baumwurzeln steht, ist ein Bergkristallkreuz eingearbeitet. Dieses Kreuz soll Christus symbolisieren, als Licht auf unserem Weg, erklärt Strohofer. Die farbigen Glasscheiben zaubern durch das Sonnenlicht einen zarten Lichtstrahl genau über den Holztisch.
Der Erotikladen in der Nähe des Geländes stört Strohofer übrigens gar nicht. "Er gehört nicht zu unserem Rasthof. Was soll ich machen? So ist das Leben, Himmel und Hölle liegen eng beieinander. Wir haben beides in uns. Jesus Christus ist das Licht der Welt und siegt über das Dunkel in uns. Das ist meine Zuversicht. Schauen Sie doch einmal auf einen Kaffee bei uns vorbei", lacht sie zum Abschied.